Der Berliner Baran Kok ist schwul, kurdisch und Rapper und damit ein Unikum in der Szene.
KoksuckerSchwul, kurdisch, Rapper – Warum Baran Kok die Hiphop-Szene aufmischt

Baran Kok ist schwul, Kurde und Rapper.
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Er ist offen schwul, Türke und bestimmt als Rapper gerade den Szene-Diskurs: Baran Kok, vereint, was sich in der Hiphop-Szene bisher ausschloss.
Der in Istanbul geborene, in Freiburg aufgewachsene und nun in Berlin lebende Kurde äußert sich nicht nur etwa pro-LGBTQI, seine Texte sind so explizit, dass sie keinen Spielraum lassen.
„Ja ich will sie studieren / Ich will Spaß haben / Ich bin horny / Ich kenn kein chill / Heut Nacht, kann ich für dich alles sein, was du willst“, heißt es etwa in „Herr Officer“, einem Stück aus dem Jahr 2024 in dem Kok aus seiner Perspektive beschreibt, wie er einen Polizisten attackiert, weil dessen Uniform zu sexy ist. Andere Texte sind vulgär.
Wo sind all die schwulen Rapper?
Rapperinnen, die der LGBTQI-Szene zuzuordnen sind oder sich positiv äußern, gibt es schon lange, in den letzten Jahren sind sie mehr und mehr in den Vordergrund gerückt. Allerdings genießen sie weitestgehend lediglich in der Independent-Szene Bekanntheit, die breite Öffentlichkeit hat bis heute keine Notiz von ihnen genommen.
In Deutschland gehören dazu etwa Ebow, Sookee oder Sir Mantis, der als erster Trans-Mann der hiesigen Szene gilt. Die meisten finden eher im Feuilleton statt, nicht in Szenemedien.
Eine Ausnahme bilden Nura oder Badmómzjay, letztere machte ihre Bisexualität schon vor Jahren öffentlich und feierte danach Charterfolge und Auszeichnungen. Aber, wo sind all die schwulen Rapper? Tobi High ist homosexuell, ein Battlerap-Veteran der Plattform DLTLLYD, geoutet hat er sich 2021. Trap-Rapper Juicy Gay ist keiner, sondern spielte lediglich mit dem Image, bis er 2018 einräumen musste, nicht homosexuell zu sein und sich seitdem Juicy Süß nennt.
Alle wollen Kok
Auf Instagram und TikTok führt der Künstler Baran Kok seine Identitäten zusammen - hier lehnt der Rapper in einer Jacke der Marke Tugh Life des Rappers Haftbefehl, umgeben von Freunden, an der Motorhaube eines Mercedes, eine Szene, wie man sie tausendfach auf den Social-Media-Kanälen diverser Rapper sieht.
An anderer Stelle sehen wir Baran Kok in Netzstrumpfhose, bauchfreiem Top oder mit Handtasche.
Kok tritt live in der Kantine am Berghain, im Dresdner Techno-Club objekt klein a, dem Berliner Schwulen-Zentrum SchwuZ oder dem Splash!-Festival auf. An Orten an denen Rapper, LQBTQIs, Raver zusammen kommen. Kok hebt Grenzen auf – ein Anspruch, den auch die Generation Z hat, die Realität, die sie häufig lebt.
Homophobe Tradition
Homophobe Lyrics sind so alt, wie HipHop-Musik selbst, deren Ursprung allgemein dem Song „Rapper's Delight“der Sugarhill Gang aus dem Jahre 1977 zugeschrieben wird. Neben dem praktizierten und heute als toxisch bewerteten Männlichkeitsbild, dass viele Rapper bis heute über ihre Kunstfiguren transportieren, zieht sich die Umdeutung des Begriffes Gay, genauso wie das deutlich abwertende Faggot durch die Lyrics von alten Granden (Big Daddy Kane, N.W.A.) über einen Conscious Rap-Rapper wie Nas bis zu Lil Wayne.
Selbst die Beastie Boys, Lieblinge der Alternativen-Szene, die als woke bezeichnet werden können, hatten einst den Albumtitel „Don't Be a Faggot“ für ihr Debütalbum geplant. Das Werk erschien nach Veto der Plattenfirma schließlich 1986 unter dem Namen „Licenced to ILL“ und gilt heute als Genre-Klassiker. Adam Horovitz schrieb dazu später „Ich möchte mich formell bei der gesamten Schwulen- und Lesben-Community für die dämlichen und ignoranten Dinge entschuldigen, die wir auf unserer ersten Platte gesagt haben [...]. Die Zeit hat unsere Dummheit geheilt, wir haben uns seit den 80ern geändert.“
Sexistische, frauenfeindliche, homophobe Songtexte und Aussagen, haben auch im Deutschrap Tradition. Fler, Kontra K, Kollegah – nicht nur sie werden für ihr überbordendes Männlichkeitsbild gefeiert.Kool Savas Single LMS (Lutsch Meinen Schwanz) wurde wenige Jahren nach Erscheinen (1999) wegen der sexistischen und homophoben Texte indiziert. Auf der B-Seite befand sich das Stück „Schwule Rapper“, schwul wurde auch in Deutschland über Jahre als Schimpfwort benutzt.
„Ich war ein Arschloch“ räumte Savas Ende 2023 in einem Interview mit Spiegel Online ein. In dem Gespräch sprach Savaş Yurder, so der bürgerliche Name des Rappers, auch offen über seinen Sexismus, den er jahrelang gelebt habe.
Ein Anfang
Baran Kok ist schwul, kurdisch und Rapper und hat damit das Potenzial Role Model zu sein, zu empowern. Es könnte am Ende aber auch bei dem ersten offen homosexuellen Rapper bleiben, ohne dass dessen Outing eine Vorbildfunktion hat, eine Welle auslöst, für Akzeptanz sorgt.