Star-AutorBret Easton Ellis ist angeekelt von der Anti-Trump-Hysterie

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Bret Easton Ellis

Kann nicht an alte Erfolge anknüpfen: Bret Easton Ellis

  • Mit „American Psycho“ schrieb Bret Easton Ellis eines der großen Werke der amerikanischen Literatur.
  • Danach ging es bergab: Alkohol, Drogen. Nun bringt der fast vergessene Star-Autor ein neues Buch heraus.
  • In „Weiss“ widmet er sich unter anderem US-Präsident Donald Trump und seinen Gegnern – und enttäuscht.

Die allermeisten werden es wohl vergessen haben – einfach weil ihre Lektüre von Bret Easton Ellis’ Skandalroman „American Psycho“ schon fast drei Jahrzehnte zurückliegt. Aber aus gegebenem Anlass darf daran erinnert werden: Eines der großen Vorbilder des Ich-Erzählers – des Wall-Street-Yuppies und nächtlichen Lustmörders Patrick Bateman – ist ein New Yorker Immobilientycoon namens Donald Trump. Dieser Trump ist jetzt bekanntlich US-Präsident – was die Frage nahelegt, was Patrick Bateman (so seine Untaten nicht entdeckt wurden) heutzutage wohl so mache: Wäre er vielleicht Sicherheitsberater im Weißen Haus, Wahlkampfmanager oder Spendeneintreiber?

Bret Easton Ellis ist kein Trump-Wähler

Besagte Frage ist dem Autor – wie Ellis in seinem neuen Buch schreibt, einem Großessay mit dem Titel „Weiss“ – immer wieder von Lesern gestellt worden, ohne dass er sie freilich hätte beantworten können. Klar sollte so oder so sein: Jemand, den ein Patrick Bateman sich zum Vorbild nimmt, muss dessen Schöpfer eigentlich hassen – verdichtete sich doch in dem seinerseits satirisch überzeichneten Psychopathen figural all das, was man am Amerika der Nach-Reagan-Ära, an seiner Kälte und amoralischen Dekadenz hassen konnte, ja musste. Und das, obwohl Ellis in seinem „Helden“ eine „alptraumhafte Version meiner selbst“ erkennen konnte.

Aber weit gefehlt: Ellis, der an seinen Sensationserfolg mit „American Psycho“ mit seinen Folgebüchern nie mehr anknüpfen konnte, der (ausweislich seines Buches) durch ein jahrelanges Tal alkohol- und drogengesättigter Tränen ging und publizistisch eher auf 2b-Schienen unterwegs war – Ellis also outet sich in „Weiss“ nicht gerade als Trump-Versteher und auch nicht als Trump-Wähler.

Angeekelt von der Anti-Trump-Hysterie

Aber viel mehr noch als der derzeitige Präsident ekelt ihn die von ihm als solche bezeichnete Anti-Trump-Hysterie der amerikanischen Linken an, die mittlerweile eine „faschistische“ Gesinnungsdiktatur errichteten und einfach nicht akzeptieren könnten, dass da jemand, der ihnen nicht passt, eine demokratische Wahl gewann. Ellis spricht vom „ständigen Gekreisch der Untröstlichen“.

Der Buchtitel „Weiss“ bekommt da eine hintersinnige Bedeutung: Als „Weißer“ muss sich Ellis in der Tat davor hüten, auf der Anklagebank einer überzogenen identitätspolitischen Political Correctness zu landen. Als Schwuler mag er auf Anhieb der „richtigen“ Seite zugehören, aber das nützt ihm wenig: Niemand wird inbrünstiger verfolgt als einer auf der richtigen Seite, der das Falsche tut (also in diesem Fall: als Schwuler Trump nicht erbittert ablehnt). Ellis spielt es auch anhand der trump-freundlichen Provokationen seines Freundes Kanye West durch. Über linksliberale Intoleranz und Verfolgungsneigung unter ständiger Geltendmachung des eigenen „Opferstatus“ braucht hier nicht weiter gerichtet zu werden, da werden Ellis wahrscheinlich viele Leser auch hierzulande zustimmen.

Trotzdem ist der Löffel seiner Zeitdiagnostik zu kurz, um wirklich in die Tiefe der Suppe zu langen: Es war schließlich die Zerstörung der politischen Kultur durch diesen Präsidenten und sein Umfeld, die die Gegenaggression erst hervorrief. Hier sollten Ursache und Wirkung nicht verwechselt werden.

Ellis scheint um Prügel geradezu zu bitten

Oder will Ellis etwa nur spielen – wie er seinerseits mit seiner Kunstfigur Patrick Bateman spielte? Ganz ist das nicht von der Hand zu weisen. Das Buch greift in seiner mäandernden Machart viele Gegenstände auf – aus der problematischen Biografie des Verfassers seit der unterkühlten Jugend in San Fernando Valley nahe Los Angeles, aus der Popkultur mit ihren Wandlungen, aus dem Metier Hollywood – , ohne dass man ein gedankliches Zentrum ausmachen könnte. Erkennbar aber ist der durchgängige Impuls, da dezidiert „nein“ zu sagen, wo andere „ja“ sagen – und vice versa. Hier scheint jemand um Prügel geradezu zu bitten.

All dies ist eine Zeit lang ganz amüsant, ermüdet dann aber – genauso wie Ellis’ Begriffsuniversum, das mit „Imperium“ und „Post-Imperium“, mit „Blase“, „Mikroaggressionen“, „Triggerreizen“ und „Generation Weichei“ eine größere Bedeutsamkeit suggeriert als die, die es tatsächlich hat.

Nein, lieber als dieses themendiffuse Elaborat hätten wir mal wieder einen neuen Zeitroman dieses Autors gelesen. Der Stoff dafür liegt doch sozusagen auf der Straße.

Bret Easton Ellis: „Weiss“. Aus dem amerikanischen Englisch von Ingo Herzke, Kiepenheuer & Witsch, 316 Seiten, 20 Euro

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