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Buch Für Die StadtDeutschlands größter Lesekreis

Lesezeit 3 Minuten

Lesen ist im Grunde eine recht solistische Beschäftigung. Interaktionen sind eher selten der Fall. Das Buch spricht zum Leser, und der Leser hört zu. Wenn der Leser etwas zum Buch zu sagen hat, ist das Papier in der Regel der falsche Ansprechpartner. Aber es gibt Alternativen. Schon seit Jahrhunderten tun sich Menschen zusammen, um die Kommunikationslücke zu schließen. Im 18. Jahrhundert organisierten (meist adlige) Frauen Lesegesellschaften. Und heute? Da kann jeder, der über Motivation und Liebe zum Buch verfügt, einen Lesekreis gründen.

„Wir denken immer, Lesen sei eine einsame Angelegenheit“, sagt Kerstin Hämke. „Aber gerade, wenn wir ein gutes Buch lesen, das uns beschäftigt – dann müssen wir unsere Gedanken doch rauslassen.“ Hämke ist seit 17 Jahren Mitglied eines Lesekreises. Im Jahre 2011 hat sie die Plattform „Mein Literaturkreis“ gegründet, auf der sie und 30 weitere Lesekreis-Experten Tipps geben: welche Bücher sich besonders gut für eine Diskussion eignen oder was man bei der Organisation eines Treffens beachten sollte. Seit vier Jahren kümmert sich Hämke hauptberuflich um die einschlägige Internetseite. Die Zielgruppe ist größer als man womöglich denkt. Im deutschsprachigen Raum sind schätzungsweise 700 000 Personen Mitglied in einem Lesekreis.

„Manchmal kann man sich natürlich auch im Alltag mit Menschen über ein Buch unterhalten“, sagt Hämke. „Aber das bleibt meist oberflächlich. In Lesekreisen können wir das eigene Hobby nach außen tragen und miteinander teilen. Außerdem lernen wir hier Bücher kennen, zu denen wir sonst vielleicht nicht gegriffen hätten.“ Sie jedenfalls lese die ausgewählten Titel immer ein bisschen intensiver als ihre private Lektüre, mache sich mehr Gedanken dabei.

Anlässlich der Aktion „Ein Buch für die Stadt“ von Literaturhaus Köln und Kölner Stadt-Anzeiger (4. bis 10. November), die sich in diesem Jahr mit Eva Menasses großem Familienroman „Vienna“ befasst, möchte Hämke nun etwas Neues probieren: Im „größten Lesekreis Deutschlands“ sollen etwa 50 Teilnehmer „Vienna“ diskutieren. Zu der Aktion inspiriert hat sie ein „Book Club Festival“ in Irland, auf dem 80 Leute gemeinsam ein Buch besprachen – erst in Kleingruppen, dann im großen Austausch. So ähnlich möchte sie nun auch den Kölner Kreis organisieren. „Das hat es bei uns in dieser Art noch nicht gegeben.“ Wer mitmachen möchte, kann sich ab sofort anmelden. Die Fakten dazu gibt es im blauen Kasten.

Hämke hat ihr Lesekreis-Wissen soeben in einer Veröffentlichung zusammengefasst: „Ein gutes Buch kommt selten allein – Das große Lesekreis-Handbuch“, erschienen bei Kiepenheuer& Witsch. Lesekreise gibt es demnach in den verschiedensten Ausführungen. Es gibt sie speziell für Krimis oder Sachbücher. Für Studenten und ihre Professoren. Manchmal treffen sich Gruppen im digitalen Raum, andere reisen gemeinsam an die Schauplätze der Romane. Einige nehmen nur Frauen auf, andere nur Männer, wieder andere ausschließlich Paare. Trotzdem bleibt so ein Lesekreis eine weitgehend weibliche Angelegenheit. Nach Hämkes Einschätzung sind 98 Prozent der Mitglieder Frauen – „vermutlich, weil Frauen grundsätzlich mehr lesen.“

Lesekreise scheinen derzeit besonders beliebt zu sein. „Ich habe das Gefühl, dass zum Beispiel Buchhandlungen im Moment verstärkt eigene Lesekreise anbieten“, sagt Hämke. Der Eventcharakter habe seinen Reiz. Lesekreise seien auch „keine bildungspolitische Literaturveranstaltung an der Universität“. Sie verwandeln das stumme Lesen am Ende letztlich doch in eine interaktive Tätigkeit.

Treffen am 10 . 11. 2018

„Der größte Lesekreis Deutschlands“ trifft sich unter Leitung von Kerstin Hämke am 10. November 2018 von 19 Uhr bis ca. 20.30 Uhr in der Karl-Rahner-Akademie in Köln (Jabachstraße 8). Anmeldung erforderlich bis 5. November unter info@literaturhaus-koeln.de. Thema ist der Roman „Vienna“ von Eva Menasse, das „Buch für die Stadt 2018“ in Köln und der Region. Die Sonderausgabe von „Vienna“ erscheint bei Kiepenheuer & Witsch und kostet 11 Euro.

Kerstin Hämke: „Ein gutes Buch kommt selten allein“, KiWi-Taschenbuch, 352 Seiten, 15 Euro. E-Book: 12,99 Euro.