Centre Court FestivalVom Turntablism über das Salz der Erde zum Krieg in der Ukraine

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Zwei Lautsprecher hängen in einem kahlen Raum wie Blumentöpfe von der Decke.

Im Dachgeschoss der Kölner Lutherkirche ließ Rochus Aust mit Gras bewachsene Lautsprecher baumeln.

Das Kölner Centre Court Festival bietet Kurioses und Spielerisches aus den Welten der Klanginstallationen und Neuen Musik. 

Zum vierten Mal rollte das „LTK4 – Centre Court Festival“ den Rasen aus für Klangkunst, Performance und Konzert, und zwar nicht sprichwörtlich, sondern konkret grasnarbig. Echter Rollrasen diente im Atrium und Saal der Lutherkirche als Schau- und Sitzplatz für Kunstschaffende und Publikum. Wie auf dem Green in Wimbledon traten in der Kölner Südstadt diesmal sogar lebende Hühner als Stargäste auf. Im Rahmen der viertägigen Installation „A Room That Echoes“ von Tash van Schaardenburg pickten die Tiere im Gehege auf Beckentellern und Holzkisten nach ausgelegten Körnchen und riefen dabei über Mikrophone elektronische Klänge ab, als spielten und interagierten sie mit der Musik. Auch anderes bei diesem besonderen Festival war kurios, seltsam, spielerisch.

Aus Dutzenden Blechkisten kamen leise Klänge, die in Schließfächern von Museen aufgenommen wurden

Ausgedacht und organisiert haben es Rochus Aust und Verena Barié, die auch als Trompeter und Flötistin mitwirkten. Neben der bewährten Kooperation mit der Kölner Gesellschaft für Neue Musik war die Klangkolchose NRW neu dabei, ein landesweiter Zusammenschluss von Akteuren und Spielstätten der Klangkunst. Es geht um Instrumentalmusik, Elektronik und Turntablism sowie um die Themen politische Korrektheit, Salz, Erde, Panzer und Krieg in der Ukraine. Neben Musikschaffenden aus Köln und Deutschland kamen Gäste aus Belgien, Frankreich, Slowenien, Kanada und den USA.

In verschiedenen Kombinationen zu erleben waren Mitglieder der Audio Foundation Auckland. Die Neuseeländer begannen das Eröffnungskonzert mit traditionellen Schwirrhölzern, deren leises Brummen in pulsierende Basselektronik übergeht, sodass die Glaswand der Kirche vibrierte. Dazu setzten Nasenflöte und Saxophon wahlweise sphärische oder kontrastierende Klänge. Weil derartige Improvisationen stark auf den jeweiligen Moment und Ort mit spezifischer Bauweise und Akustik reagieren, spricht man gerne von „Echtzeitmusik“. Im Duo „Chrip.Crush“ erzeugte E-Gitarrist Sjoerd Leijten mit Arpeggien und E-Bow meditative Klangflächen, zu denen sich Verena Barié virtuos von der kleinen Lotus- über mehrere Blockflöten bis zur großen Paetzolt-Kontrabassflöte durch alle Register spielte.

Im ersten Obergeschoss des Kirchturms drangen aus vielen Dutzenden Blechkisten leise Klänge, die in Schließfächern von Museen aufgenommen wurden. Im nächsten Stockwerk zogen sich aus Flachs handgeflochtene Schnüre, Taue und Zöpfe kreuz und quer durch den Raum, während Soundscapes und Instrumente aus Naturmaterialien wie Holz, Ton und Muscheln zu hören waren. Jeff Henderson zeigte auf drei Videoschirmen Menschen, die mit Lederriemen schnalzen und sich damit halb aus Spaß und Ernst auf die ausgestreckten Handflächen schlagen. Im Dachgeschoss ließ Rochus Aust schließlich mit Gras bewachsene Lautsprecher baumeln. Man meint, das Gras wachsen zu hören und wundert sich nur, wie schön es nach fernen Trompeten klingt.

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