Streaming-Tipp„Kohlrabenschwarz“ erfindet das deutsche Märchen noch mal neu

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Zwei Männer stehen im Wald, einer lacht lauthals.

Stefan Schwab (rechts, Michael Kessler) und Kommissar Falbner (Jürgen Tonkel) besprechen sich in„Kohlrabenschwarz“ gerne auf einem Minigolfplatz im Wald.

In der neuen Krimiserie „Kohlrabenschwarz“ dreht sich alles um traditionelle bayrische Mythen und Gruselgeschichten. Als Vorlage diente eine erfolgreiche Hörspielreihe. 

Ein Psychologe, ein evangelischer Pfarrer, eine Kaffeehaus-Besitzerin und eine Polizistin lösen Kriminalfälle. Was sich anhört wie der Einstieg eines schlechten Witzes, ist tatsächlich die Kurzzusammenfassung einer neuen Serie auf Paramount+. An „Kohlrabenschwarz“ ist allerdings vieles sehr gelungen.

Ähnlich wie die Sky-Serie „Der Pass“ spielen die sechs rund 40-minütigen Folgen in Bayern, genauer gesagt in Rosenheim und Umgebung. Und auch hier dreht sich alles um alte Sagen, Märchen und schaurige Erzählungen. Da hören die Gemeinsamkeiten allerdings auch schon auf, weil die Paramount+-Serie einen wesentlich weniger dunklen Ansatz wählt.

Stefan Schwab (Michael Kessler) ist diplomierter Psychologe und hat jahrelang für die Polizei als Seelsorger gearbeitet. Ein komplizierter Job, der sogar seine Ehe zerstört hat. Nach ein paar Jahren ohne seelsorgerische Einsätze kontaktiert ihn sein alter Kumpel Kommissar Falbner (Jürgen Tonkel). In der Region sind zahlreiche Kinder verschwunden. Alle haben gemeinsam, dass sie als schwer erziehbar gelten. Ein altes Märchen- und Sagenbuch mit Schauergeschichten bringt Schwab auf die Idee, dass es sich bei dem Täter um eine Art modernen „Kraxelmann“ handeln könnte. Eine sagenumwobene Figur, die angeblich unartige Kinder vor langer, langer Zeit geschnappt und aufgefressen hat. Vermutlich eine Schauergeschichte, die Eltern ihren ungezogenen Schützlingen zur Abschreckung erzählt haben.

Don Camillo und Sigmund Freud auf Verbrecherjagd

Schwab kommt bei seinen Recherchen nach den Hintergründen auch bei seiner Ex-Frau Susanne (Bettina Zimmermann) unter, die ein Kaffeehaus in der Gegend betreibt und jetzt mit einem evangelischen Geistlichen zusammenlebt. Pfarrer Franz (Peter Ketnath) ist zudem ein ausgewiesener Experte, was bayrische Mythen und Sagen angeht. Somit haben Schwab und der Pfarrer gleich eine gute Basis für die Zusammenarbeit. Entgegen des herrschenden Klischees wird die Beziehung der beiden weniger zur Konkurrenzveranstaltung als zur guten Freundschaft. Der Pfarrer erinnert mehr an einen Hipster als an einen Geistlichen, der auch schon mal einen Revolver mit sich führt. Die Kirche hätte vermutlich größeren Zulauf, würde es mehr solcher cooler Pfarrer geben. Die beiden werden im weiteren Verlauf auch schon mal abschätzig als Don Camillo und Sigmund Freud belächelt, da sie in jeder Folge ein neues Mysterium untersuchen.

Ein Mann und eine Frau sitzen auf einer Parkbank.

Polizistin Anna (Bettina Lamprecht) unterstützt Schwab bei seinen Untersuchungen.

Tatkräftig unterstützt werden beide von Ex-Frau Susanne und der Polizistin Anna (Bettina Lamprecht). Zwischen Schwab und der Ordnungshüterin entwickelt sich schnell eine intensivere Beziehung. Vor allem die Wortgefechte innerhalb des ungleichen Quartetts sind ein großer Trumpf von „Kohlrabenschwarz“. Überhaupt, sind es die Dialoge, mit denen die Serie glänzen kann. Was nicht verwundert, basiert die Geschichte auf der gleichnamigen Erfolgshörspielserie auf Audible. Sogar die meisten Rollen sind mit den Schauspielern besetzt, die bereits dem Hörspiel ihre Stimme geliehen haben.

Die Handlung ist dabei immer spannend, nicht zu düster und hat auch oft ein Augenzwinkern parat. Herrlich sind zum Beispiel die Szenen, in denen Kommissar Falbner und Schwab die neuesten Entwicklungen auf einem völlig heruntergekommenen Minigolfplatz mitten im Wald diskutieren. Ein toller Einfall, den es in der Vorlage so nicht gab.

Ein Mann sitzt mit einer Gitarre auf einer Couch.

Schwab droht im weiteren Verlauf der Geschichte den Verstand zu verlieren.

Nach vielen weiteren Gräueltaten in der Region ist sich der Psychologe schließlich nicht mehr sicher, ob er noch Beratender oder schon längst selbst zum Patienten geworden ist. Lange lässt die Serie den Zuschauenden im Unklaren, was eigentlich vor sich geht. Am Ende, wenn die Katze oder besser der „Hans“ aus dem Sack ist, wird klar, dass „Kohlrabenschwarz“ ein modernes Märchen ist. Und das bedeutet auch, dass übernatürliche Elemente dazu gehören.

Die Hörspielserie auf Audible ist so erfolgreich, dass es bereits fortgesetzt wurde. Ob dies auch der Serie gelingt, bleibt abzuwarten, der Grundstein dazu ist auf jeden Fall gelegt. Das Ende der Serie lässt zudem vermuten, dass eine Fortsetzung schon längst beschlossene Sache ist. Zumindest aus der Sicht der Serienverantwortlichen. Und warum eigentlich nicht? Was sich zunächst wie ein schlechter Witz anhört, gehört tatsächlich zu den besten deutschen Serien in diesem Jahr.

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