KunstMuseum Ludwig hat seine Sammlung völlig neu arrangiert

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Xu Bings „Himmelsbuch“ im Untergeschoss

Xu Bings „Himmelsbuch“ im Untergeschoss

  • Im zweiten Obergeschoss finden sich nun die Werke der klassischen Moderne.
  • Die Pop-Art hat nun das erste Obergeschoss bezogen.
  • Die Neupräsentation kostete insgesamt 200 000 Euro.

Köln – Alle Gute kommt von oben. Manchmal sogar erfreulich sinnreich wie jetzt gerade im Kölner Museum Ludwig, wo dessen Direktor Yilmaz Dziewior seit seinem Amtsantritt vor einem Jahr mit den Kuratoren die Sammlung des Hauses völlig neu geordnet hat. Konsequent chronologisch von oben nach unten – vom zweiten Obergeschoss, wo vorher die sehr großen Formate hingen, bis hinab ins Untergeschoss, wo viele Jahre lang Duane Hansons hyperrealistische Skulptur „Frau mit Umhängetasche“ (1977) die Besucher rätseln ließ: Ist die echt?

Peu à peu und von den Gästen des Museums meist unbemerkt entstand binnen zwölf Monaten dieser subjektive „Gang durch die Kunst des 20. Jahrhunderts“ hinunter zum „Fundament unserer Sammlungen, der zeitgenössischen Kunst“, wie Dziewior die Neupräsentation am Montagmittag vor der Presse beschrieb. Man habe sich bewusst dazu entschlossen, das Haus während des Umräumens nicht zu schließen, sondern immer nur einzelne Bereiche umzugestalten. Sein Wunsch sei es nun, betonte Dziewior, „dass die Arbeiten in Zukunft bleiben sollen, wo sie sind“, damit die Besucher genau wissen, wo sie die vielen „tollen Exponate wie in einem Candy-Shop“ aufstöbern können.

Zwei große Maler stehen sich gegenüber

Informationen

Museum Ludwig, Heinrich-Böll-Platz, ist geöffnet Di.-So. 10-18 Uhr und an jedem ersten Do. im Monat 10-22 Uhr. Eintritt: 11/7,50 Euro.

Die neue Reihe mit dem Titel „Hier und Jetzt im Museum Ludwig“ gilt bis 22.5. dem österreichischen Künstler Heimo Zobernig. (EvS)

Die ersten erlesenen Zuckerstückchen, die im zweiten Obergeschoss ein neues Zuhause fanden, sind allesamt Werke der klassischen Moderne und stammen aus jener Sammlung, die Josef Haubrich 1946 der Stadt vermacht hatte. Neben der 1976 erfolgten Schenkung von 350 Werken zeitgenössischer Kunst durch das Ehepaar Irene und Peter Ludwig bildete sie die Basis für das spätere Museum Ludwig. Mit großartigen Künstlern: Otto Dix, Emil Nolde, Marc Chagall oder Karl Hofer. Ein Hingucker: Auf Podesten stehen sich zwei großartige Gemälde gegenüber – Ernst Ludwig Kirchners „Halbakt mit Hut“ sowie Max Pechsteins „Fränzi auf dem Sofa“. Der Clou dabei: Sogar die Gemälde auf den jeweiligen Rückseiten sind zu sehen, sodass sich zwei Fränzis begegnen.

Auch die Russische Avantgarde, die Surrealisten und der Konstruktivismus haben hier oben ein neues Domizil gefunden. In einem abgedunkelten Seitenraum treffen überraschend Man Rays Fotografie „Gräfin Casati“ von 1928 und Pablo Picassos Grafik „Kopf eines Fauns“ aufeinander. Beide Arbeiten eint das Motiv zweier übereinanderliegender Gesichter. Derlei „Korrespondenzen“ strebt Dziewior mit seiner Hängung immer wieder an; auch Ikonen aus der umfangreichen und qualitätvollen Foto-Sammlung des Museums sind daran beteiligt. Erst später wird die Picasso-Kollektion in größerem Umfang Einzug halten. Ein Teil davon wurde nämlich für drei Monate an japanische Museen ausgeliehen.

Die Pop-Art hat nun das erste Obergeschoss bezogen. In einem zentralen Raum wurden Andy Warhols „White Brillo Boxes“ und „Campbell’s Boxes“ aus dem Jahr 1964 aufgetürmt. An den Wänden: unter anderem Warhols doppelter Elvis über Tom Wesselmanns „Badewanne Nr. 3“, auch Roy Lichtenstein – in der sogenannten Petersburger Hängung, also dicht an dicht bis unter die Decke gepackt. Und da steht sie wieder: Die „Frau mit Umhängetasche“ wartet jetzt an der Wand auf uns, unter und neben zahlreichen Bildern; dadurch verliert die Dame allerdings etwas von ihrer einst so hervorgehobenen Stellung. Die Treppe ins Untergeschoss führt in einer Achse direkt auf A. R. Pencks wandfüllendes Monumentalgemälde „Ich in Deutschland (West)“ von 1984, das schon lange nicht mehr zu sehen war. Erstmals seit 17 Jahren gezeigt wird Xu Bings grandiose Installation „Himmelsbuch“, die einen kompletten Raum ausfüllt. Unter drei riesigen von der Decke hängenden, mit chinesischen Schriftzeichen bedeckten Bahnen liegen zahllose aufgeschlagene, sorgfältig gebundene Bücher; alle Schriftzeichen wurden aus anderen neu zusammengesetzt.

Neupräsentation kostete 200 000 Euro

Nebenan weckt die 1994 vom Kubaner Kcho geschaffene Installation „Regatta“ erschreckend aktuelle Assoziationen: Am Boden verstreut liegen Schuhe, Sandalen, Holzstücke, die an Boote erinnern und damit an die Flüchtlingssituation im Mittelmeer. Derweil findet die außereuropäische Kunst ebenso Berücksichtigung wie Neuerwerbungen.

Insgesamt 200 000 Euro kostet die überzeugende Neupräsentation, die die Stadt Köln und die Gesellschaft für Moderne Kunst am Museum Ludwig zu gleichen Teilen finanzieren. Allein das Podest für Bings „Himmelsbuch“ habe mehrere tausend Euro verschlungen, erklärte Dziewior. Vom Gesamtbestand der Sammlungen ruht jetzt noch ein Drittel im Depot. Gleichwohl werde man Ausleihen in Zukunft sehr restriktiv betreiben. Bedient werden sollen dann nur noch wichtige Einzelausstellungen großer Museen. Es ist also alles gerichtet zum 40-jährigen Bestehen des Museums Ludwig.

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