Der Sender Phoenix wird 25Zukunft mehr als ungewiss

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Phoenix

Die phoenix-Programmgeschäftsführerin Barbara Groth (ZDF) und ihr Kollege Dr. Klaus Radke (WDR) drücken gemeinsam den Sendestartknopf zum Start des phoenix-Programms.

Bonn – „Machen Sie sich das ganze Bild“ – Mit diesem Claim warb der Ereigniskanal Phoenix zu seinem Sendestart vor 25 Jahren am 7. April 1997. Und lange Zeit tat der Bonner Sender, den ARD und ZDF gemeinsam betreiben, genau das: mit der Live-Übertragung wichtiger Ereignisse, in Nachrichtensendungen, Dokumentationen, Reportagen und Diskussionsrunden vermittelte Phoenix einen umfassenden Überblick des Weltgeschehens. Und das brachte dem Spartenkanal stetige wachsende Quoten und einen Vorsprung vor der privaten Konkurrenz.

In Zeiten des Ukraine-Krieges hat Phoenix in den vergangenen Wochen seine Stärken ausgespielt. Die Programmgeschäftsführerinnen - Eva Lindenau vom WDR und Michaela Kolster vom ZDF - verweisen auf die starke Nutzung aller Ausspielwege und Plattformen: „Phoenix übertrug die meisten Pressekonferenzen und Statements der wichtigsten Akteure in diesem Krieg als einziger öffentlich-rechtlicher Sender live“, so Lindenau.

Gute Zahlen für Phoenix während des Krieges

Zum ersten Mal übernahmen ARD und ZDF am ersten Kriegstag live das Nachtprogramm von Phoenix und sorgten für Quotenrekorde bei dem Kanal, der im Durchschnitt bei einem Prozent Marktanteil liegt. Die Abrufzahlen für Phoenix-Inhalte haben sich in der ZDF-Mediathek verfünf- und bei der ARD-Mediathek sogar verzehnfacht, sagte Kolster.

„Seit Kriegsausbruch haben wir über 400 Stunden Dokumentation zu Russland, der Ukraine und zugehörigen Themen gesendet.“ Kolster ist sich sicher: „Das Konzept Ereignis- und Dokumentationskanal trägt und ist nach wie vor aktuell.“

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Aber sehen das wirklich alle in den Mutterhäusern so? Bei der Pressekonferenz zum Jubiläum lobten die Intendanten die Bedeutung des Senders. „Die Verbindung aus Live-Berichterstattung, Gesprächen und Dokumentationen macht Phoenix so einzigartig und wertvoll für unsere Demokratie“, sagte etwa Tom Buhrow, Intendant des auf ARD-Seite zuständigen WDR. Auch ZDF-Intendant Norbert Himmler äußerte sich wohlwollend. 

Die Zukunft ist mehr als ungewiss

Alles bestens also in Bonn? Mitnichten. Den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern wird vermutlich nicht so recht zum Feiern zumute sein. Denn auch wenn es öffentlich niemand zugeben will, Phoenix schaut in eine ungewisse Zukunft. Oder wie es jemand, der den WDR und den Sender lange kennt, ausdrückt: „Die lassen das Ding gegen die Wand fahren.“

Die Zeichen sind deutlich. Die ARD fremdelt mit dem Bonner Sender. Und selbst im zuständigen WDR ist niemand bereit, in die Bresche zu springen. Der frühere Intendant Fritz Pleitgen war Initiator und treuer Unterstützer, Tom Buhrow ist da – vorsichtig formuliert – mit deutlich weniger Herzblut bei der Sache.

Als im Herbst 2019 eine Nachfolge für den scheidenden vom WDR gestellten Programmgeschäftsführer Helge Fuhst bestimmt wurde, zeigte sich schon, dass der Job im WDR offensichtlich nicht mehr besonders begehrt ist.

Seine Nachfolgerin Eva Lindenau war damals stellvertretende Leiterin im Wirtschafts- und Verbrauchercampus beim WDR. Ihr Name war den Wenigsten bekannt. Aber wer nicht bekannt und seit vielen Jahren vernetzt ist, kann auch nicht für sein Haus trommeln. Genau das wäre im Fall von Phoenix aber dringend nötig gewesen.

Auch der Standort Bonn ist ein Problem

Auch dass nie ein Wechsel des Standorts nach Berlin erfolgte, schmälert die Perspektiven des Senders enorm. Wer über Bundespolitik berichtet, steht in Bonn auf dem Abstellgleis.

Und nun macht die ARD Ernst und will ihren Digitalkanal Tagesschau24 zu einem "veritablen Nachrichtenkanal" ausbauen. Die ARD-Vorsitzende und rbb-Intendantin Patricia Schlesinger und der NDR-Intendant Joachim Knuth lehnten sich Mitte Februar in der „FAZ“ weit aus dem Fenster. „Es steht uns gut an, einen klaren Nachrichtenkanal zu haben“, sagte Schlesinger. Für Phoenix bedeute dies, der Kanal müsse die „Heimat für planbare Aktualität“ bleiben, so Schlesinger weiter. Planbare Aktualität? Wie soll das aussehen?

Beim ZDF kam das nicht gut an. Nun beteuern alle, der Streit sei beigelegt. „Phoenix muss sich hier nirgends abgrenzen“, sagt Norbert Himmler bei der Jubiläums-Pressekonferenz. Schlesinger und die ARD hätten „sich erklärt“ und versichert, „dass am Programmauftrag von Phoenix nicht gerüttelt wird“. Aber das Thema ist in der Welt.

Die „Tagesschau“ ist eine der stärksten Marken der ARD

Man kann die Überlegungen der ARD sogar nachvollziehen. Die „Tagesschau“ ist eine ihrer stärksten Marken. So ziemlich jeder weiß, dass sie für Nachrichten steht, Phoenix hingegen ist vielen Zuschauern nicht bekannt oder sie glauben, es sei ein Privatsender. In einem zunehmend umkämpften Markt, in dem auch die private Konkurrenz nicht mehr einfach so die Nachrichtenhoheit der Öffentlich-Rechtlichen hinnehmen will, ist eine bekannte Marke umso wichtiger.

Es ist viel in Bewegung in Bonn. Der Sender wird bis 2024 umziehen. Vom ehemaligen ZDF-Hauptstadtstudio geht es zur Deutschen Welle in den Schürmann-Bau, in dem dann für Phoenix ein eigener Gebäudetrakt reserviert ist. Ob es ein Umzug in eine glückliche Zukunft wird, ist allerdings mehr als fraglich. (mit kna)

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