Deutsche LaichenDie neue deutsche Hoffnung für den Punkrock

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 Deutsche Laichen in Düsseldorf

Deutsche Laichen – das sind Fluse, Kralle, Asche, Krätze und Nille. Moment mal, bitte wer?! Hinter den seltsamen Namen verbirgt sich eine Punkband aus Göttingen. Seit sie am 19. Juli ihr selbstbetiteltes Debütalbum bei dem Punkrocklabel Zeitstrafe veröffentlicht haben, sind sie plötzlich in aller Munde.

„Fast schon absurd, wie groß die Resonanz auf das Album ist und wie gut das alle finden – zumindest den Reviews nach“, wundert sich Bassist Kralle am Nachmittag des Releasetages im Hinterhof des Linken Zentrums in Düsseldorf, wo sie am Abend noch ein Konzert spielen werden. Schließlich herrscht über Punkrock in Deutschland die gängige Meinung, dass sowieso alles klinge wie Turbostaat, nur halt meistens in schlecht und/oder langweilig. Alles schon tausendmal gehört. Was häufig genug nun mal leider einfach der Wahrheit entspricht. Nur bei Deutsche Laichen eben so gar nicht.

Musikalisch klingen sie dreckig, brachial und voll explosiver Energie. Doch vor allen Dingen ist die Band befeuert von jeder Menge Wut. Wut darauf, dass weibliche Personen in der Musikbranche, wie auch in der gesamten Gesellschaft, noch immer an den Rand gedrängt werden. Wut auf Homo- und Transphobie. Wut auf engstirnige binäre Geschlechtersysteme, die „Männern“ und „Frauen“ von Geburt an bestimmte Rollen zuordnen. Offensichtlich teilen viele diese Wut. Das sieht auch Sängerin Asche so: „In unserer Musik geht es ja um Feminismus, Sexismus, Selbstbestimmung, Repression im Allgemeinen. Ich glaube, das sind momentan einfach wichtige Themen, mit denen umgegangen werden muss.“

Besonders heftig kritisiert die Band immer wieder eine bestimme Art männlichen Verhaltens: das Cis-Mackertum, wie sie es nennen. „Der Cis-Mann verweist auf das binäre Geschlechtersystem. Ein Cis-Mann ist also eine Person, die männlich sozialisiert wurde und/oder sich mit dem Geschlecht, was der Person von Geburt an zugeschrieben wurde, identifiziert“, so Asche. „Mit Cis-Mackern wollen wir auf diese ignorante Männlichkeitsperformanz verweisen, die unserer Meinung nach toxisch, raumeinnehmend und unreflektiert ist.“ Aber Vorsicht: Mackerhass ist nicht gleich Männerhass. Denn laut Gitarristin Krätze sei Männlichkeit an sich ja nichts schlechtes. Doch es gebe eben eine sehr toxische Variante davon, die sich unter anderem durch gewaltbereites und unangenehmes Verhalten auszeichne. Natürlich können sich auch weibliche Personen auf solche Art benehmen, doch Krätze sieht den Unterschied darin, dass es in diesen Fällen kein strukturelles Problem wie bei Männlichkeit sei, sondern vielmehr eine individuelle Entscheidung.

Frauen chronisch unterrepräsentiert

Gerade in der Musikszene sind Frauen, Lesben, Inter-, Nonbinary und Trans-Personen weiterhin chronisch unterrepräsentiert. Was es so wichtig macht, dass die Cis-Boybands – wie Deutsche Laichen die nur von Männern besetzten Bands bezeichnen – endlich anfangen, sich die Bühne mit anderen zu teilen, anstatt sie für sich allein zu beanspruchen. So erklären sich denn auch die seltsamen Namen: Der Bandname etwa verweist mit dem Spiel aus Leben (der Froschlaich) und Tod (Leiche) auf den Übergang vom Status Quo in eine gewissermaßen neue Ära, in der binäre Geschlechterrollen und die Ausgrenzung von gesellschaftlichen Randgruppen und weiblichen Mitgliedern aufgehoben ist. Die Namen der einzelnen Bandmitglieder spiegeln diese Aufhebung bereits wieder, weil sie bloß noch grammatikalisch auf ein Geschlecht festzulegen sind. Allerdings ist die Realität noch lange nicht an diesem Punkt angekommen.

Krätze erzählt, dass sie es als Gitarristin häufig erlebt habe, dass Männer ungefragt an ihren Verstärker gegangen seien, während sie auf der Bühne aufgebaut habe, um dort ihre Einstellung zu verändern. Oder meinten, ihr erklären zu müssen, was sie für einen Verstärker spiele – ein als „Mansplaining“ bekanntes Phänomen. Wie belastend ein solcher Umgang für weibliche Personen allerdings ist, wissen wohl allzu häufig nur die Betroffenen selber. „Mich hat das gleichzeitig total verunsichert und wütend gemacht,“ erinnert Krätze sich.

Trotzdem wollen Deutsche Laichen andere Menschen dazu bewegen, anzufangen selbst etwas zu bewegen. Asche fordert zum Beispiel immer dazu auf, wenn sie nach Shows angesprochen wird, was man selbst denn tun könne: „Gründe selbst auch eine Band!“ Doch sie verweist gleichzeitig auch auf die Verantwortung der Konzertveranstalter, Labels und Booking-Agenturen, denn auch sie müssten von Vornherein für mehr Diversität auf den Bühnen (und in ihren eigenen Reihen) sorgen. Und zwar nicht nur, um Quoten zu erfüllen oder aus Marketingstrategien heraus.

Um die Band herum hat sich der staubige Innenhof des Linken Zentrums mittlerweile gut gefüllt. Menschen allen möglichen Geschlechts stehen und sitzen in Grüppchen zusammen und warten auf den Auftritt der Band. „Trotz allem habe ich den Eindruck, dass die Dinge seit ein, zwei Jahren anfangen, sich zu verschieben“, findet Kralle. „Ich fühle mich in einer sehr privilegierten Rolle, das so unmittelbar mitzuerleben. Gerade auch durch meine Brille als Typ: Es wird wirklich mehr darauf achtgegeben. Wir haben mehrfach jetzt bei Shows gespielt, wo nicht nur Typen-Bands komplett durchs ganze Line-Up da waren.“

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