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Diane KeatonSelbst ihre kalte Schulter machte süchtig

6 min
Harry (Jack Nicholson, r.) und Erica (Diane Keaton, l.) gehen am Strand spazieren.

Diane Keaton und Jack Nicholson in „Was das Herz begehrt“

Ein Rückblick auf Diane Keatons prägende Rollen – und eine Einladung zum Wiedersehen mit der verstorbenen Schauspielerin.

Sie war die Frau des Mafiapaten, eine Stilikone, eine würdige Gegnerin für Woody Allen, als der noch ein Publikumsliebling war, und eine der lustigsten Frauen der Filmgeschichte. Am Samstag starb Diane Keaton im Alter von 79 Jahren. Ein Rückblick auf ihre prägenden Rollen – und eine Einladung zum Wiedersehen.

Ungläubiges Staunen

Mit ihrer ersten großen Leinwandrolle, 1972 im Klassiker „Der Pate“, wurde Diane Keaton niemals warm. Kay Adams, die Freundin und spätere Ehefrau des Mafiabosses Michael Corleone, sei für sie eine Frau gewesen, „die darauf wartet, von ihrem Mann wahrgenommen zu werden“ - eine typische Randfigur im Männerkino. Dabei ist Kay ein zentraler Charakter des Films: Wir blicken mit ihren Augen auf die geschlossene Gesellschaft der Corleones und sehen ihr ungläubiges Staunen, als ihr Michael mit grimmiger Abscheu eröffnet, wie sein Vater Geschäfte macht („deine Unterschrift auf dem Vertrag oder dein Gehirn“). Wir sehen mit ihr, wie Michael das wird, was er am meisten fürchtet, und werden mit ihr zur Komplizin seiner Korrumpierung – bis es zu spät ist und wir im eigenen Staunen über diesen verführerischen Film gefangen sind.

Diane Keaton und Al Pacino sitzen aneinander an einem Tisch gegenüber.

Diane Keaton und Al Pacino in „Der Pate“

In der Fortsetzung von 1974 wird Kays Glaube an das Gute in Michael dann buchstäblich zum Gefängnis. Als sie dies begreift, ist auch Michael verloren. Im Grunde läuft die mehr als dreistündige Handlung auf eine einzige Szene hinaus, in der Kay ihrem Mann eröffnet, dass sie ihr gemeinsames dritte Kind nicht, wie er glaubt, durch eine Fehlgeburt verloren, sondern abgetrieben hat. Sie wolle keinen Sohn in diese Düsternis gebären, schreit sie, und hinter der Verzweiflung bemerkt man die Erleichterung darüber, Michaels Selbstbetrug nicht mehr zu teilen.

In der Schauspielschule hatte Keaton gelernt, wie man die Gefühle einer Figur von einem Augenblick auf den anderen entfesselt – hier führte sie das katholische Mafiadrama an den Rand der griechischen Tragödie. Sie ist eine Medea, die nicht aus Rache tötet, sondern, weil sie hofft, einem Blinden die Augen öffnen zu können. Darin liegt ihre Tragik.

Liebe und Leid sind eins

Als Ehefrau der Mafia führte Diane Keaton in den siebziger Jahren ein Doppelleben - an der Seite und in den Filmen Woody Allens. Für seine zaristische Komödie „Love and Death“ (dt. „Die letzte Nacht des Boris Gruschenko“) schrieb Allen ihr die Rolle der kapriziösen Femme fatale auf den Leib, auch dies ein Gefängnis, aber eines, das Keaton offensichtlich eine Menge Spaß und größere Freiheiten bescherte. Mit Allens trauriger Heldengestalt teilt sie die Liebe zur pseudo-russischen Philosophie („Liebe und Leiden sind eins“), aber statt zu ihrem schmächtigen Seelenverwandten fühlt sie sich zu dessen stattlich-tumben Bruder hingezogen.

Als der eine andere heiratet, wirft sie sich dem nächstbesten Greis an den Hals, der vor Glück einen Herzinfarkt erleidet, um bald darauf einen reichen Fischhändler zu heiraten, der sich versehentlich selbst erschießt, als er die Ehre seiner aus Gewohnheit untreuen Ehefrau verteidigen will. Auch Boris überlebt das späte Glück mit seiner Angebeteten nicht; sie ist eine unwiderstehliche selbsterfüllende Prophezeiung. Selbst ihre Gleichgültigkeit macht süchtig. Als Boris ihr eröffnet, er müsse am nächsten Morgen in den Krieg ziehen, wünscht sie ihm eine „gute Zeit“.

Szenen einer Nicht-Ehe

Mit „Annie Hall“ wurde Keaton berühmt und mit ihren maskulinen Klamotten aus zweiter Hand zur Stilikone. Der Film war Allens Abschiedsgeschenk an ihre gemeinsamen Jahre (den Namen Hall legte Keaton für ihre Filmkarriere ab), und sie bedankte sich mit einer grandiosen Parodie dafür. Als Annie ist Keaton so fahrig, zerstreut und neurotisch, so sehr in die eigenen Selbstzweifel verliebt und witzig dabei, wie sonst nur Allen selbst. Als würde sie ihm nach der Trennung sagen: Sieh, was du aus mir gemacht hast – dein weibliches und deswegen umso begehrenswerteres Ebenbild. Natürlich war das für Allen die höchste Form der Schmeichelei, wie Liebe mit sich selbst zu machen.

Diane Keaton trägt eine Fotokamera über der Schulter.

Diane Keaton bei den Dreharbeiten zu „Annie Hall“

Gemeinsam brachten Allen und Keaton frischen Wind ins Genre der romantischen Komödie – und machten ausgerechnet das nervöse New York zur Liebeshauptstadt der Welt. Ihre Filmbeziehung beginnt damit, dass die sonnige Annie Hall den „Stadtneurotiker“ im Auto mitnimmt und ihm auf dem Beifahrersitz erstmals aufgeht, was wahre Todesängste sind. Später schrieb Keaton, bei den Dreharbeiten habe niemand etwas von ihrem Film erwartete – was ihnen die Freiheit gab, sich nicht mehr um eherne Filmregeln zu scheren. Diese Freiheit trug Keaton auch über Karrieretäler hinweg.

Die Rache der Frauen

Bei ihrer Examensfeier lag den Freundinnen noch die Welt zu Füßen, gut 20 Jahre später stehen drei von ihnen am Grab der vierten und betrauern mit ihr auch das eigene Schicksal. Allesamt wurden sie von ihren Ehemännern für Jüngere ausgemustert und zudem in finanziellen Angelegenheiten übers Ohr gehauen. Der Wind bläst den Frauen in der Mitte ihres Lebens heftig ins Gesicht, doch dann beschließen sie, sich mit einem hausgemachten Sturm zu revanchieren – wozu sonst kennt man die kleinen Geschäftsgeheimnisse der Ehemänner?

Gemeinsam mit Bette Midler und Goldie Hawn bildete Diane Keaton 1996 den „Club der Teufelinnen“, der vor allem gegen die schlechte Angewohnheit der Hollywood-Produzenten kämpfte, mit Schauspielerinnen ab einem gewissen Alter nichts mehr anfangen zu können. Auch Keaton war davor nicht gefeit, ebenso wenig, wie davor, immer wieder für den gleichen Frauentyp besetzt zu werden (im Film heißt sie Annie). Aber hier zeigt sie, wie man sich am elegantesten dafür rächt: indem man sich treu bleibt und damit beim Publikum erfolgreich ist. In einer besonders gelungenen Szene erwischt Annie ihren Mann mit der gemeinsamen Eheberaterin im Bett und verbucht einen ersten therapeutischen Effekt: All die Jahre hatte sie ihre Aggressionen unterdrückt, jetzt platzen sie alle auf einmal aus ihr heraus.

Alte Liebe rostet nicht

Gleichberechtigung heißt in Hollywood, dass sich Jack Nicholson ausnahmsweise dazu überreden lässt, sich in eine nur neun Jahre jüngere Frau zu verlieben, und Diane Keaton dafür ihren jüngeren, immerhin von Keanu Reeves gespielten Verehrer sitzen lässt. Aber was soll’s, diese romantische Komödie geht einfach darüber hinweg und kommt dank seines glänzend aufgelegten Ensembles damit durch. Keaton spielt in „Was das Herz begehrt“ (2003) eine erfolgreiche Schriftstellerin, die über viele Jahre hinweg kopfschüttelnd beobachtete, wie Männer ihres Alters sich in Affären mit jungen Frauen flüchteten, und nun nicht weiß, wie sie mit einem Galan umgehen soll, der von ihr hingerissen ist und den Altersunterschied nicht gelten lässt.

Aus leicht erfindlichen Gründen verliebt sich die Heldin dann aber nicht in diesen jugendlichen Traummann, sondern in den 63-jährigen Freund ihrer Tochter, der sich nach einer Herzattacke in ihrem Ferienhaus erholt. Ein solcher Tunichtgut liefert nämlich den besseren Komödienstoff, und die Schriftstellerin wird für ihren Liebesschmerz mit der Inspiration zu einem neuen Stück belohnt. Ganz nebenbei kann man Diane Keaton dabei zuhören, wie sie mit Schlosshunden um die Wette heult.