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Die philosophische FrageDürfen wir Tiere essen?

Lesezeit 3 Minuten

Was fällt nicht alles unter den Begriff „Tiere“? Kühe, Kröten, Forellen, Fliegen, Nachtfalter und Pantoffeltierchen. Wenn Vegetarier sagen, dass sie aus moralischen Gründen keine Tiere essen, meinen sie Tiere, die fühlen und empfinden. Ich bin Vegetarier. Mein vierjähriges Patenkind hat sich gewundert, dass ich keinen Speck esse, obwohl ich Speck mag: „Aha, du magst es, aber du findest es schade.“ Der Dreikäsehoch hat besser verstanden als mancher Erwachsene. Es geht nicht um Gesundheit, Geschmack oder Abgrenzung, sondern darum, dass ich es nicht richtig finde, Tiere zu essen. Aber warum?

Ich esse keine Tiere, weil ich den Pathozentrismus für richtig halte. Der Pathozentrismus (von griech. „pathos“, Leiden) besagt, dass man empfindungsfähige Wesen um ihrer selbst achten muss – egal ob es sich um Menschen oder Tiere handelt. Natürlich gibt es Ausnahmefälle, in denen wir leider abwägen müssen, nämlich Notwehr, Notstand oder Alternativenlosigkeit. Nichts davon trifft aber auf unseren Fleischkonsum in Mitteleuropa zu. Also gibt es hier auch keine Abwägung. Wir wiegen ja auch nicht Menschenleben gegeneinander ab.

Die Tiere, die wir essen, können fühlen und empfinden. Oder will jemand bestreiten, dass Kühe, Schweine und Hühner leiden können? Sie sind ja nicht so verschieden von Hunden und Katzen. Ich würde einem Kind, das eine Katze quält, mit Nachdruck sagen, dass sich das nicht gehört, weil es der Katze weh tut (und nicht, weil es die Katzenbesitzerin stört). Sie doch hoffentlich auch! Und warum sollten Sie das nicht auch bei Kühen, Schweinen oder Hühnern finden?

Wir wissen doch, wie die Tiere gehalten werden, die am Ende auf unseren Tellern oder im Abfall landen. Ihr Leben ist kein Ponyhof. Ein vermeintlicher Grenzfall sind Fische. Sie galten lang als stumm und dumm. Dieses Bild ist von der Forschung gründlich überholt worden. Alles weist darauf hin, dass Fische Schmerzen empfinden können. Es gibt noch ein paar Wissenschaftler, die das leugnen. Raten Sie mal, was deren Hobby ist?

Die meisten Leute würden unterschreiben, dass man Tieren zum Vergnügen keine Schmerzen zufügen soll. Vielleicht denken Sie jetzt, dass man Tiere doch artgerecht halten und schmerzlos töten kann. Das habe ich eine Zeitlang auch gedacht. Aber auch damals habe ich kein Fleisch gegessen, weil die Wirklichkeit leider nicht dem schönen Bild des guten Lebens und des sanften Todes entspricht, das uns die Werbung gerne vormacht. Bei den Unmengen an Schweinen, die in Deutschland geschlachtet werden, ist es nun einmal so, dass die Betäubung nicht immer funktioniert. Diese Tiere werden bei Bewusstsein geschlachtet.

Nehmen wir aber an, ein schmerzloser Tod würde gehen. Nun sollte man sich fragen, warum es verkehrt sein soll, wenn man einem Kalb Schmerz zufügt, es hungern lässt oder in Angst versetzt. Es ist verkehrt, weil es dem Kalb Schaden zufügt. Es ist einfach verkehrt Tiere ohne guten Grund zu schädigen. Und jetzt nehmen Sie dem Kalb sanft das Leben weg. Es hätte noch viele Jahre leben und es gut haben können. Ist es nicht offensichtlich, dass dem Kalb damit ein Schaden geschieht?

Unser einziger Grund fürs Fleischessen ist, dass es uns halt so gefällt. Ja, Fleisch schmeckt gut. Aber wer nicht nur mit dem Gaumen denkt, sondern mit Kopf und Herz, der wird sich sagen müssen, dass wir Tiere nicht essen sollten.

Kolumne

Markus Wild ist Professor für Philosophie an der Universität Basel. Einer seiner Schwerpunkte ist die Tierphilosophie.