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E.T.A. Hoffmanns „Sandmann“Die Vernunft weicht dem Wahnsinn

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Buchtipp von Dirk Riße: „Der Sandmann“ von E.T.A. Hoffmann

E. T. A. Hoffmanns „Sandmann“ habe ich zum ersten Mal Ende der 80er Jahre gelesen. Es war die Zeit als Reagan, Thatcher und Kohl regierten und die Träume der Hippie-Ära langsam zu platzen drohten. Die Ökonomie begann, die Politik zu dominieren, die Politik verlegte sich darauf, die Familienwerte der „geistig-moralischen Wende“ zu predigen und die Deutschen freuten sich über die Wiedervereinigung und später über die Fußball-Weltmeisterschaft. Wie schön, einen Autor zu finden, dem so viel Bürgerlichkeit schon vor 170 Jahren gehörig auf die Nerven ging.

Man kann „Der Sandmann“, 1816 entstanden, durchaus als Satire auf die gesellschaftlichen Zustände der Restauration nach dem Wiener Kongress lesen. Sogar als feministisches Stück über die Geschlechterrollen, in dem Frauen auf automatenhafte Wesen reduziert sind. Oder auch als Drama des verträumten Studenten Nathanael, der mit dem Verlust seines Vaters nicht zurechtkommt.

„Der Sandmann“ ist Briefroman, Kunstmärchen und Horrorgeschichte – Vorbild für Poe, Stoker und King. Es tauchen Dämonen und Alchemisten auf, es werden Augen herausgerissen, die Vernunft weicht dem Wahnsinn. Am liebsten mag ich aber die romantische Vorstellung, dass Hoffmann seine „Nachtstücke“ abends bei Punsch und Kerzenschein schrieb und so der Langeweile seines Beamtenberufs trotzte.