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Elsa Dreisig in der PhilharmonieEmotionale Hingabe

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Elsa Dreisig steht mit wehenden Haaren vor einer blauen Wand.

Die dänisch-französische Sopranistin Elsa Dreisig trat in der Philharmonie auf.

Die dänisch-französische Sopranistin Elsa Dreisig singt Lieder des frühen 20. Jahrhunderts in der Philharmonie

Auf dem Titelblatt des aktuellen Philharmonie-Magazins posiert Elsa Dreisig mit perlenbestickter Sturmfrisur. Auf dem Podium präsentierte sich die dänisch-französische Sopranistin deutlich zurückhaltender: Hier schillerte nicht die Optik, sondern das Programm, das sie gemeinsam mit ihrem amerikanischen Klavierpartner Jonathan Ware erarbeitet hatte.

Die beiden boten ein weit ausgreifendes Panorama des Liedes im frühen 20. Jahrhundert – vom österreichischen Jugendstil bis zum französischen Impressionismus, von zeitkritischen Brecht/Weill-Songs bis zu George Gershwins süffigen Musical-Melodien.

Elsa Dreisig, Ensemblemitglied der Berliner Staatsoper, ist derzeit als Opern- und Konzertsängerin international gefragt. Die Stimme ist angenehm hell timbriert und im Charakter eher leicht, entwickelt zur Höhe hin aber eine beeindruckende Projektionskraft. In Liedern von Alban Berg (vier der „sieben frühen“) und Erich Wolfgang Korngold punktete die Sängerin weniger mit gesättigten lyrischen Farben als mit einem jugendlichen Enthusiasmus, der Poesie und Musik beherzt umfasste.

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Verschwimmende Geschlechtsgrenzen

Maurice Ravels „Shéherazade“ hatte sie mit Liedern des elsässischen Impressionisten Charles Koechlin verschränkt. Auch hier vernahm man weniger die üppigen Düfte des Orients als die feinen Nuancen der Vokallinie, das pointierte Spiel mit erotischer Heimlichkeit („La flûte enchantée“) und verschwimmenden Geschlechtsgrenzen („L’indifférent“). Eine echte Entdeckung waren vier Lieder der amerikanischen Spätromantikerin Amy Beach, deren reiches Kolorit Jonathan Ware glanzvoll ausspielte.

Von dienender Begleitung konnte bei dem exzellenten Pianisten auch sonst keine Rede sein: Der Klavierpart war stets sehr präsent, ohne die Sängerin je zu übertönen; bei Gershwins „The Man I Love“ und „I Got Rhythm“ war es gerade Jonathan Wares mitreißender Swing, der den grandiosen Songs ihr besonderes Broadway-Gefühl gab.

Einen deutlich schwächeren Eindruck hinterließen Brecht/ Weills „Moon of Alabama“ und „Surabaja-Johnny“. Elsa Dreisig ließ es hier zwar keineswegs an emotionaler Hingabe fehlen, dennoch wollte sich der Eindruck von gesellschaftlicher Niederung, von enttäuschten Illusionen und tröstendem Suff nicht recht einstellen. Man kann allerdings auch nicht locker vom Barhocker singen, wenn man zwischendurch immer wieder die Noten konsultieren muss – da funktionierte die kleine Inszenierung nicht.

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