EndzeitfilmeEin Streifzug durchs apokalyptische Kino

Gerade noch mal davongekommen: Die Apokalypse in Roland Emmerichs Katastrophenfilm "2012". Bild: Archiv
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Köln – Sagt ein Planet zum anderen: Ich fühl' mich schlecht, ich glaub', ich habe Menschen. Sagt der andere: Ach, das geht vorbei. Zugegeben, dieser Witz hat einen Bart, aber der ist nicht halb so lang wie derjenige der Bibel - und die endet ja auch damit, dass der Mensch nicht mehr auf Erden wandelt. Beim Jüngsten Gericht öffnen sich die Tore von Himmel und Hölle, um die Erlösten aufzunehmen und die Verdammten zu verschlingen; die Erde bleibt verwaist zurück.
Der Nero-Komplex
Das Ende der Welt gehört zum Christentum wie das Reich Gottes und wird auch in säkularen Gesellschaften immer wieder neu aufgelegt. Gerade das Kino schwelgt in unheilvollen Prophetien und Vorstellungen vom Weltgericht, schon aus der Erkenntnis heraus, dass die Apokalypse die längste Fortsetzungsgeschichte der Menschheit ist. Auch diesen Sommer blicken wir wieder in den Abgrund: In der Hollywood-Komödie "Das ist das Ende" (ab Donnerstag im Kino) wundern sich die Verdammten, dass ausgerechnet die christlichen Frömmler recht behalten sollen; nächste Woche folgt der Science-Fiction-Film "Elysium", in dem die Welt eine ausgebeutete Hölle auf Erden ist; schon seit einigen Wochen wird in "World War Z" die Zivilisation von einem Heer an Untoten überrannt, und in "Pacific Rim" erheben sich alles zermalmende Monster aus der Tiefe apokalyptischer Überlieferungen.
Doch woher rührt diese Lust am eigenen Untergang, die der französische Filmtheoretiker André Bazin nach dem römischen Kaiser, der Rom in Brand setzen ließ, den "Nero-Komplex des Kinos" taufte? Die einfachste Antwort: Es ist ein gutes Gefühl, noch einmal davongekommen zu sein. Die Welt ist nur auf der Leinwand kaputtgegangen, draußen scheint die Sonne wie gehabt. Das ist besonders beruhigend, wenn man die Vielzahl möglicher Untergangsgründe bedenkt: Neben dem Weltgericht drohen Seuchen, Klimawandel, Weltkriege oder Gefahren aus dem All. Wir lassen die wichtigsten Motive Revue passieren.
Melancholie der Erfüllung
Einem Menschen des Mittelalters müsste die heutige Welt als eine Insel der Seligen erscheinen, in der die Teller immer gefüllt sind und alles im Überfluss zu haben ist. Nach einer Weile würde ihn dann aber wohl jene Melancholie der Erfüllung befallen, die vor allem das Science-Fiction-Kino umtreibt. In ihm geht die Zivilisation regelmäßig an den eigenen Widersprüchen zugrunde und versinkt im globalen Bürgerkrieg um Wohlstand, Lebensressourcen und Lebensraum. Ein besonders drastisches Beispiel des nächsten Klassenkampfs zeigt sich in "Elysium": Im Jahr 2154 lebt, wer es sich leisten kann, in einer luxuriösen Raumstation, die um die ausgelaugte Erde kreist.
Auf dieses neue Jerusalem zieht es auch die Normalsterblichen mit Macht, Matt Damon führt den Aufstand gegen die Unterdrückung an. Auch in Roland Emmerichs Katastrophenfilm "2012" spielen die sozialen Schichten die eigentlichen Hauptrollen: Die Reichen und Mächtigen lassen sich heimlich von einem ahnungslosen Arbeitsheer gigantische Archen bauen, während der Held tausend Klippen überwinden muss, um eine kleine Gruppe amerikanischer Otto Normalverbraucher in letzter Sekunde an Bord zu bringen.
Meteorit als Charaktertest
In der Regel ist in die Prophetie vom Untergang ein rettendes Hintertürchen eingebaut. Im Christentum ist dies die Erlösung, im Kino die Sozialromantik. Angesichts der drohenden Apokalypse zeigt sich ein Teil der Menschheit von ihrer besten Seite und reißt die Schranken zwischen den gesellschaftlichen Klassen ein. Geradezu idealtypisch wird dies schon im dänischen Stummfilm "Verdens Untergang" gezeigt. Hier rast ein Meteorit auf die Erde zu und heizt den Klassen- und Überlebenskampf zusätzlich an. Krisengewinnler machen selbst mit dem Weltende noch Geschäfte, während andere den Charaktertest durch Selbstlosigkeit und Solidarität bestehen.
Die Flamme bewahren
In der Cormac-McCarthy-Verfilmung "The Road" zieht ein Mann ohne Namen mit seinem kleinen Sohn durch die Ruinen der Welt. Es gibt keine Pflanzen mehr, der Himmel ist ergraut, und schlimmer als die Ödnis des Horizonts ist allein die Vorstellung, wer einem hinter der nächsten Straßenbiegung begegnen könnte. "Gehören wir zu den Guten?", fragt der Junge ängstlich seinen Vater. Ja, das tun sie, denn sie essen keine Menschen. Immer wieder beschwört der Vater seinen Sohn, dass sie "die Flamme" im Herzen weitertragen müssen. Auf dem Planeten der Affen, so lernen wir daraus, mündet jede Untergangsvision beinahe unweigerlich in den steinzeitlichen Neuanfang.
Gott ist ein Alien
Außerirdische Streitmächte kündigen sich meist durch biblische Wettervorboten an und sind mit den Zeichen des göttlichen Strafgerichts munitioniert. Doch die fliegenden Untertassen befördern nicht nur apokalyptische Reiter zur Erde. Ebenso stark ausgeprägt ist die messianische Seite des Genres - wofür es E.T.s leuchtenden Fingerzeigs nicht einmal bedurft hätte. Schon in Steven Spielbergs "Unheimliche Begegnung der dritten Art" erscheint die Ankunft der Aliens als Zeitenwende. Die Sehnsucht, wir mögen im Universum nicht allein sein, macht jede Sichtung eines unbekannten Flugobjekts im doppelten Sinn zur Glaubensfrage.
Fürchtet Euch nicht
Zum Ende etwas Tröstliches: In Garth Jennings "Per Anhalter durch die Galaxis" wird die Erde von galaktischen Planierraupen zerstört und entpuppt sich dann als Rechenmaschine außerirdischer Nagetiere. Doch immerhin findet sich eine zweite Version im Kofferraum des Universums. Fürchtet euch nicht, lautet die Botschaft des apokalyptischen Kinos, wir haben eine Sicherheitskopie.