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Erotische FotografieMit Achselhaaren gegen das Puppenhafte in der Frau

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Köln – Seit 30 Jahren sammelt Michael Horbach Fotografien behaarter Achselhöhlen. Man könnte es einen privaten Fetisch nennen, hingen nicht (meist weibliche) Körper daran und wäre die menschliche Körperbehaarung nicht auch stets eine Frage von Ästhetik, Mode und Moral. Zumal sich der glatte, epilierte Körper in den westlichen Industrienationen mittlerweile als Schönheitsideal durchgesetzt zu haben scheint. Bei Frauen ist er geradezu die Norm. Tragen sie ihre Achselhaare öffentlich zur Schau, erregt das beinahe so viel mediales Aufsehen wie Brad Pitt im Herrenrock.

Stammt unser aktuelles Körperideal aus der US-Pornoindustrie?

Die Frage, woher diese aktuelle Normierung stammt, ist nicht ohne Widerhaken. Man könnte dafür in die Antike zurückgehen, aber die moderne Pornoindustrie liegt nicht nur zeitlich näher. Seit den 1990er Jahren diktiert sie die westlichen Schönheitsideale mehr, als dass sie diese spiegeln würde – der epilierte Körper wäre demnach, als typisches US-Exportgut, ein Amalgam aus Kommerz, Geilheit und Puritanismus.

Vermutlich würde der Kölner Sammler, Ausstellungsmacher und Preisstifter Michael Horbach dieser Deutung im Wesentlichen zustimmen. Seine eigene Neigung läuft jedenfalls der aktuellen Mode ganz und gar zuwider: „Das Aalglatte und Puppenhafte war nie mein Ding“, schreibt er im Vorwort seines Bildbands „Unverschämte Schönheit“. „Es ist mir eher ein Gräuel und unerotisch. Vielleicht drückt dies meine Sehnsucht nach Natürlichkeit aus.“

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Dieser Sehnsucht hat Horbach jetzt nachgegeben – im erwähnten Bildband und in einer begleitenden Ausstellung in den Räumen seiner Stiftung. Für das Buch hat der Fotografie-Experte Klaus Honnef über 100 Aufnahmen aus Horbachs Sammlung ausgewählt, mit klassischen Aktaufnahmen von Edward Weston, erotischen Fotografien von Helmut Newton oder deren feministischer Neudefinition durch Bettina Rheims; verbunden werden sie durch die Inszenierung des Achselhaars.

Bei der Auswahl fällt selbstredend als erstes auf, dass die Natürlichkeit, nach der sich Horbach sehnt, alles andere als natürlich ist. Sondern wiederum selbst nur eine Konstruktion, die, je nach Zeit und fotografischem Temperament, ganz verschiedene Formen annehmen kann. Es macht eben einen Unterschied, ob sich Edward Weston der weiblichen Nacktheit nähert wie einer scheuen Naturerscheinung oder ein Berufszyniker wie Helmut Newton einen „privaten“ Moment mit einem Modell einfängt. Ersterer lässt die Frau die Beine umständlich verknoten, nur damit der Höhleneingang im Hintergrund besser zur Geltung kommt. Letzterer zieht eine recht eindeutige Linie von den freigelegten Achselhaaren zur Schambehaarung des Unterleibs.

Achselhaare führen ein erotisches Eigenleben

Als sekundäre Geschlechtsmerkmale führen Achselhaare ein sexuell aufgeladenes Eigenleben, was sie für Moralisten und Erotomanen gleichermaßen anziehend erscheinen lässt. Achselhaare werden gerne als wild und schmutzig umschrieben, als Ausdruck einer feuchten, Seh- und Geruchssinn verkuppelnden Körperlichkeit – was den einen zur Warnung ist den anderen zum Lockmittel gereicht. Die Biologie gibt den Erotomanen recht: Über die Achselhaare werden Pheromone effektiver verteilt als über eine rasierte Fläche.

In Horbachs Sammlung ist, man kann es nicht anders sagen, für jeden etwas dabei – und sogar ein paar Männerakte für Frauen. Diese Exoten wirken im Kontext des Bildbands allerdings eher keusch. Herlinde Koelbl fotografiert beispielsweise einem steinernen Engel von unten in die Achselhöhle und lässt einen bärtigen Mann den Kopf auf seinem Arm ausruhen. Bei den weiblichen Modellen führen die meist männlichen Fotografen die Achselbehaarung hingegen gerne zur „Quelle“, der Schambehaarung, zurück.

Michael Horbach, geb. 1950 in Aachen, verkaufte seine Wirtschaftsberatungsfirma, um im Jahr 2000 die nach ihm benannte Kölner Stiftung zu gründen. Die von Klaus Honnef kuratierte Ausstellung zum Bildband „Unverschämte Schönheit“ ist bis zum 19. August in den Kunsträumen der Michael-Horbach-Stiftung, Wormser Str. 23, zu sehen. Öffnungszeiten: Mi. und Fr. 15.30- 18.30 Uhr, So. 11-14 Uhr.

Klaus Honnef (Hg.): „Unverschämte Schönheit. Sammlung Michael Horbach“, deutsch/englisch, 175 Seiten.

Bei vielen Aktbildbänden beschleicht einen das Gefühl, dass man die erotischen Fantasien eines anderen erzählt bekommt. Horbachs Sammlung ist hingegen in ihrer Nische so divers, dass sich keinerlei Beklommenheit einstellt. Es wird weder die wilde Frau als Idealzustand vorgeführt noch ein verlorenes Paradies beschworen. Horbachs Bilder sind eher ein Plädoyer gegen das Puppenhafte in der Frau und gegen das serielle Sexspielzeug mit glatter Oberfläche.

Und das Buch ist eine Form der Aufklärung, über den menschlichen Körper und die menschliche Sexualität. Am deutlichsten wird dies in einer Aufnahme Will McBrides aus der Reihe „Zeig mal“. Eine nackte Frau legt einer Schwangeren die Hände auf den Bauch, die Schwangere hält die Arme über dem Kopf verschränkt. Sexualität, Nacktheit, Schwangerschaft – alles ganz natürlich. Aber das waren ja auch die Siebziger, vielleicht die eigentliche Sehnsucht von Michael Horbach.

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