Eurovision Song ContestElaiza gewinnt ESC-Vorentscheid

Lesezeit 4 Minuten
Können ihr Glück kaum fassen: Die Band "Elaiza".

Können ihr Glück kaum fassen: Die Band "Elaiza".

Köln – Natürlich der Sieg der Wildcard-Kandidaten Elaiza. Mit ein paar Glaubwürdigkeitsrequisiten – hier: Akkordeon, Standbass, Wandergitarre (aaah, handgemachte Musik!) schafft es das weibliche Trio nach Dänemark zum ESC. Der Siegersong „Is It Right“ kommt daher wie ein Musik gewordener Stuhlkreis, und zu dem Chanson mit slawisch-folkloristischem Einschlag lässt sich trefflich schunkeln. Könnte in Kombination mit der ukrainisch-deutsch-polnischen Sängerin Ela ein Ankommer sein beim europäischen Wahlvolk. Erfreulich jedenfalls, dass sich ein richtiger Nobody durchgesetzt hat und damit auch eine Fahne für den musikalischen Selbsterhaltungstrieb der Nation geschwenkt wird.

Überraschung des Abends

Was hätten die anderen ESC-Teilnehmerländer von uns Deutschen denken sollen, wenn wir Unheilig nach Dänemark geschickt hätten? Sehr schön, dass sich der Graf am 10. Mai zu Hause rasieren muss.    

Billigheimer des Abends

Der Graf, wer sonst? Textgehalt, Bühnenbild, Klamotte – all das war bei allen Auftritten von Unheilig gleich. Wer sich textiltechnisch und gedanklich als solches Sparbrötchen erweist, darf sich nicht wundern, wenn’s am Ende trotz der Ach-so-großen Fanbase nur für Platz zwei reicht.

Alles zum Thema Eurovision Song Contest

Die Randfiguren des Abends

Das Gezeichnete Ich, Madeline Juno, Oceana, The Baseballs. Die konnte man getrost noch schneller vergessen, als man das schöne Wort „Blaubeerpfannkuchen“ aussprechen kann.

Fiesestes Kompliment des Abends

Lieferte Moderatorin Barbara Schöneberger, die als reinrassiges Medienpferdchen gekonnt durch den Abend galoppierte. „Sie können nicht ohne Kerzen, sie wollen nicht ohne Kerzen, und wir wollen es auch nicht ohne Kerzen“, fiel ihr zum Auftritt von Unheilig ein. Und als Der Graf dann seinen Salbader „Als wär’s das erste Mal“ abgelassen hatte, kam das: „Mein Gott, waren das viele erste Male in dem Text. Toll!“ 

Gegengift des Abends

Haben wir dann zum Glück doch nicht gebraucht. Weil die Seemanns-Simulanten Santiano  im Halbfinale ausgeschieden sind und die Kaperfahrt nach Dänemark somit ausfällt. Wer oder was Santiano überhaupt sind? Ein bisschen wie The Pogues für Staubsaugervertreter („The Fiddler On The Deck“), ein bisschen wie Truck Stop ohne Brummi, dafür aber mit Schiff („Wir werden niemals untergehen“). Was das Gegengift gewesen wäre? Na, eins der anrührendsten Lieder von Element of Crime, „Vier Stunden vor Elbe 1“ – und daraus diese Zeilen: „Scheiß doch auf die Seemannsromantik/ Ein Tritt dem Trottel, der das erfunden hat“.

Zwischenfall des Abends

Der Auftritt der singenden Küchenkalenderrückseite Adel Tawil zur Zeitüberbrückung bis zum nächsten Voting-Ergebnis. Es blieb einem aber auch wirklich nichts erspart.

Vergebliche Hoffnung des Abends

Kommt von Peter Schultz via Twitter: „Kann man auch einfach mal niemanden schicken?“

Fehlkalkulation des Abends

Die Rechnung von Madeline Juno. Die ging nämlich nicht auf. Optisch eine Melange aus Lena (blasses Mädchen) und Lorde (derbes Schuhwerk, geschminkt wie die neuseeländische Nachwuchsfürstin der Finsternis), dazu die Frisur-Textil-Kombination „langer Haare, kurzer Rock“. Bringt alles nichts, wenn man die Töne nur so zuverlässig trifft wie Eintracht Braunschweig das Tor.

Brennpunkt des Abends

Der fand ausnahmsweise nicht in der Lanxess Arena statt. Sondern schon vor der Show aus der Kölner Halle im Ersten Deutschen Fernsehen. In seiner Eigenschaft als Chefredakteur des Bayerischen Fernsehens moderierte Sigmund Gottlieb den „ARD Brennpunkt“, und man konnte dem strammen  Konservativen in jeder Sekunde ansehen, wie sehr es ihm zuwider war, wahrheitsgemäß über die Verurteilung von Ulrich H. aus M. zu berichten. Schlimm auch, dass von den 15 Sendeminuten zirka zehn dafür verwendet wurden, die Lebensleistung von Hoeneß zu würdigen (wuchs in einfachen Verhältnissen in einer schwäbischen Metzgerei auf, war Messdiener etc. pp), anstatt mal klipp und klar zu sagen, dass der Präsident des FC Bayern kriminell gehandelt hat und deshalb wie ein ganz normaler Krimineller behandelt wurde.       

Entbehrlichster Moment des Abends

Kann man nicht explizit benennen, dafür gab es einfach viel zu viele. In den Top 5 auf jeden Fall: der, in dem Barbara Schöneberger sich an einem Putin-Witz versucht und „Ein bisschen Frieden“ von der Grand-Prix-Nicole anstimmt.

Verpasste Chance des Abends

Doch, doch, Der Graf hätte was gerissen in Kopenhagen. Der Award für die schlechtesten Dance Moves wäre ganz klar seiner gewesen. Erschütternd waren im Finale nicht nur seine gewohnt einfaltspinseligen Texte, sondern auch die Tanzbewegungen, die er bei „Wir sind alle wie Eins“ machte. Unsere Empfehlung: Dringend den Gestik-Coach wechseln, Vera Int-Veen hat’s ja selber nicht drauf. Detlef D! Soost, bitte übernehmen Sie!

KStA abonnieren