Das Stuttgarter Haus der Geschichte lädt zur Nacktführung durch seine Ausstellung über die Badkultur. Eine Werbeidee für Abgehärtete.
FKK-Führung im MuseumDie Nackten sind unter uns


Das Haus der Geschichte in Stuttgart bietet FKK-Führungen durch seine aktuelle Ausstellung „Frei Schwimmen“ an.
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Mancherorts verbindet man mit Stuttgart vor allem die schwäbische Kehrwoche und hausfrauliche Knausrigkeit. Alles üble Nachrede, versteht sich, wie sich jetzt auch im lokalen Haus der Geschichte zeigt. Anlässlich einer Ausstellung zum öffentlichen Schwimmbad im Wandel der Zeit lädt das Museum zu „Frei-Körper-Besuch“ und Nacktführung ein. Am 30. August sind nach Toresschluss Kleider ausdrücklich verboten und müssen an der Garderobe abgegeben werden. Lediglich Schuhe sind erlaubt. Und wer sich setzen möchte, hat ein eigenes Handtuch mitzubringen.
Während der FKK-Führung geht es um gewichtige Fragen
Diese Spießer, werden Sie jetzt vielleicht denken: Selbst für das Nacktsein erlassen die noch Vorschriften. Als lebten wir im Garten Eden. Auch im Stuttgarter Haus der Geschichte dient das Sein, wie Gott sie schuf, offenbar nur als Vorwand, um vom Baum der Erkenntnis naschen zu können. Während der FKK-Führung geht es um gewichtige Fragen der Moral, der Körperlichkeit, des menschlichen Verhältnisses zur Natur – und um die Antworten der abendländischen Badekultur darauf.
Im Schwimmbad, so heißt es im Museum, begegnen einander unterschiedliche Moralvorstellungen und Lebensstile – und das nicht immer in Harmonie. Wer wollte da widersprechen? Vermutlich auch der Kooperationspartner der geplanten Führungen nicht, der Naturismusverein Get-Naked-Germany. Unter dem Motto „Nacktiv-Sein“ wirbt dieser für die gute alte Freikörperkultur, ohne den Angezogenen allzu offensiv die eigenen Überzeugungen zu predigen; im Vereinsshop finden sich neben Kappen und Tassen auch züchtige T-Shirts mit dem Schriftzug „Natürlich nackt“.
Die Nackten sind unter uns, diese Erkenntnis schreckt längst niemanden mehr. Allerdings ist ein Museum dann doch etwas anderes als ein FKK-Strand – wie das Nacktwandern im Wald dürfte der geführte „Frei-Körper-Besuch“ etwas für Abgehärtete bleiben. „Müssen Frauen nackt sein, um ins Museum zu kommen?“, fragten einst die feministischen Guerrilla Girls. Jetzt kennen wir die Antwort: nicht immer, aber womöglich immer öfter. Das Gute daran: Sie gilt für Männer auch.