Gürzenich-OrchesterDer Weg zum weichen Pianissimo

Glücklich in der Gürzenich-Orchesterakademie: Cellistin Francesca Fiore (l.) und Bratscherin Clara Zschocke
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- In der neuen Akademie wird der Nachwuchs für die Karriere fit gemacht
Nein, die Hochschule könne nichts dafür. Die junge deutsch-irische Bratschistin Clara Zschocke widerspricht der Auffassung, an der Musikhochschule würden die Absolventen auf Solokarrieren, nicht aber auf eine Berufslaufbahn als Orchestermusiker vorbereitet: "Wirklichkeit und Berufsalltag eines Profi-Orchesters sind halt ganz anders als bei einem Studentenorchester an der Hochschule."
Und um jene besser kennenzulernen, hatte sich Zschocke nach Abschluss ihres Musikstudiums in Karlsruhe um eine Stelle in der Orchesterakademie des Gürzenich-Orchesters beworben - die sie nach ihrem Vorspiel vor der Bratschen-Jury auch erhielt. Jetzt geht die zweijährige Zusatzausbildung ihrem Ende entgegen - im Juli, zum Saisonschluss, wird Zschocke wohl Köln verlassen, um sich bei europäischen Berufsorchestern als Bratschistin zu bewerben.
Und hat es die Akademie gebracht? "Auf jeden Fall", antwortet Zschocke im Gespräch mit dem "Kölner Stadt-Anzeiger", "das war schon sehr hilfreich: Da sitzt man dann bei den Aufführungen an einem Pult mit einem erfahrenen Kollegen - sogar schon mal am ersten -, und lernt einfach unheimlich viel." Was zum Beispiel? "Nun ja, wie man sich in die Gruppe einfügt, indem man etwa genau auf einen einheitlichen Bogenstrich achtet." Und Zschokkes Kommilitonin, die Cellistin Francesca Fiore, die in ihrer süditalienischen Heimat, in Lugano und Essen studierte, hat von ihren Lehrern Tipps bekommen, wie man "ein wirklich weiches Pianissimo hinbekommt". Für einen Orchester-Cellisten sei das essenziell.
Genau diese Erfahrungen werden ihnen, da sind sich Zschocke und Fiore sicher, demnächst auch helfen, das Probejahr in dem Orchester, das sie aufnimmt, erfolgreich zu überstehen. Dabei ist die Spielpraxis im Konzert und in der Oper sowie in Kammermusikabenden (etwa im Sancta-Clara-Keller oder im Institut Français) nur ein Teil der Akademie: In engem Kontakt erteilen die Gürzenich-Mitglieder orchesterbezogenen Unterricht, als Coachs ("immer mehr Kollegen als Lehrer") präparieren sie mit den Akademisten Probevorspiele.
Fiore etwa ist diesbezüglich "begeistert" von Bonian Tian, dem Solo-Cellisten des Klangkörpers. Darüber hinaus gibt es psychologische Trainingseinheiten zur Bewältigung von Lampenfieber und potenziellen Misserfolgserlebnissen - etwa wie jemand damit umgeht, dass er eine angestrebte Stelle nicht bekommen hat.
15 "Dienste" pro Monat umfasst das Deputat der Akademisten - was, so Zschokke, im Umfang einer halben Orchesterstelle entspricht. In den Konzerten - Zschokke spielte zuletzt im jüngsten philharmonischen Abo-Konzert bei Schostakowitschs fünfter Sinfonie mit - wie bei den Opernaufführungen im Staatenhaus gehen sie auch nicht als graue Mäuse unter, sondern sind im Programmheft ausgewiesen - mit zwei Sternchen hinter ihren Namen.
In den deutschen Klassik-Orchestern schießen die hauseigenen Akademien in diesen Jahren wie die Pilze aus dem Boden. Institutionell ersetzen sie die früheren Praktika, deren Inhalte freilich längst nicht so umfassend, so geregelt, so verbindlich auch im Sinne einer Selbstverpflichtung der Orchesterangehörigen zur Förderung des Nachwuchses waren.
Im Gürzenich-Orchester wurden Akademie-Pläne, wie der Cellist Daniel Raabe ausführt, bereits in der Ära des Kapellmeisters James Conlon ventiliert - es ist eine alte Idee, die auch bei den Nachfolgern Markus Stenz und François-Xavier Roth auf starkes Interesse stieß. Vor anderthalb Jahren schritt man dann endlich zur Tat und gründete den Verein der Orchesterakademie des Gürzenich-Orchesters Köln e.V. - mit dem unermüdlichen Promotor Raabe als Vorsitzendem. Nahezu sämtliche Gürzenich-Spieler sind dort Mitglieder. Finanziell unterstützt wird das Ganze vom Gürzenich-Orchester selbst wie von seinem Förderverein, der Concert-Gesellschaft Köln unter ihrem Vorsitzenden Olaf Wegner: Schließlich gibt es für die Akademisten ein Gehalt - jeweils 800 bis 900 Euro im Monat -, und auch die Orchestermusiker werden für ihren Unterricht entschädigt - wobei das ehrenamtliche Engagement immer noch überwiegt.
Derzeit gibt es acht - von den Jurys handverlesene - Akademisten, aus vieler Herren Länder, mit Fächern von der Violine über die Klarinette bis zum Schlagzeug und Harfe. Aber das Ganze befindet sich noch im Ausbau, 15 Stellen sollen es am Ende werden. Dazu wird noch mehr Geld benötigt, weshalb Wegner in der Kölner Wirtschaft auf intensive Kuratoren- und Sponsorensuche geht.
Welchem Zweck dient das Ganze? "Wir wollen die Akademisten hier so fit machen, dass sie Probespiele gewinnen", antwortet Raabe. Und dann kommt das als solches erkannte Defizit doch wieder auf den Tisch: "Wir stellen fest, dass die Hochschulen eher Solisten ausbilden." Einen unmittelbaren Nutzen hat das Gürzenich-Orchester von der Akademie übrigens nicht: Von den Absolventen ist bislang noch keiner auf einer Planstelle des Klangkörpers gelandet: "Es sind halt nicht immer Positionen frei."
Benefizkonzert
Das kommende Abo-Konzert des Gürzenich-Orchesters (4.,5. und 6. Februar unter François-Xavier Roth) ist ein Benefizkonzert zugunsten der Orchesterakademie: 1 Euro pro Eintrittskarte kommt ihr zugute. (MaS)