Royals auf Netflix„Harry & Meghan“-Doku: Ist das nun die Wahrheit?

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Prinz Harry und Herzogin Meghan küssen einander in einer Küche.

Harry und Meghan auf einem Foto, das Netflix zu der Doku veröffentlicht hat.

Die mit Spannung erwartete Netflix-Doku „Harry & Meghan“ ist vor allem ein Angriff auf die Boulevardmedien. Doch auch die Königsfamilie kommt nicht gut weg.

Was ist wahr? Wie blicken wir auf wichtige Ereignisse in unserem Leben zurück? Jeder, der schon einmal mit einem zerstrittenen Paar über dasselbe Ereignis gesprochen hat, weiß, dass Erinnerung immer subjektiv ist. Und Wahrheit ist es allzu oft auch.

Radikal subjektiv ist die Wahrheit, die der britische Prinz Harry und seine Frau Meghan in einer neuen sechsteiligen Netflix-Dokumentation präsentieren, deren erste drei Teile seit Donnerstag online sind.

„Niemand kennt die ganze Wahrheit“, hatte Harry im viel diskutierten Trailer gesagt. Um dann den entscheidenden Satz zu ergänzen: „Wir kennen sie.“ In der Serie geht das Zitat aber noch um eine entscheidende Passage weiter: Dem Königshaus und den Medien sei sie auch bekannt, denn diese seien beteiligt gewesen an dieser Geschichte.

Wir durften nie unsere Geschichte erzählen. Bis jetzt.
Herzogin Meghan

Aber hier soll es eben nur um eine Sicht auf die Dinge gehen. „Wir durften nie unsere Geschichte erzählen. Bis jetzt“, sagt Herzogin Meghan. Und ihre Version der Geschichte, in der die beiden, Meghans Mutter, enge Freunde und einige Experten zu Wort kommen, ist zu Beginn ein Märchen.

Eine amerikanische Schauspielerin verliebt sich in einen britischen Prinzen, ohne zu wissen, worauf sie sich einlässt. Die Inszenierung – mit bisher unveröffentlichtem Material aus erster Hand – ist perfekt. Das erste Treffen, der erste Urlaub, die große Liebe. Das Kennenlernen der beiden wird erzählt wie eine Rom-Com. Und auch alle Bilder, die wir von ihrem Leben mit ihren Kindern in Kalifornien zu sehen bekommen, sind schlicht perfekt.

Dunkle Wolken bedrohen das junge Glück

Aber die dunklen Wolken, die das junge Glück bedrohen, ziehen früh auf. Seine Frau ähnele in vielen Charakterzügen seiner verstorbenen Mutter Diana, sagt Harry. Und er habe Angst davor, dass ihr ein ähnliches Schicksal widerfahren könnte. „Ich wollte nicht, dass sich Geschichte wiederholt.“

In langen Passagen schildert die Doku die Skrupellosigkeit der britischen Boulevard-Presse. Man sieht Diana, die vor Fotografen flüchtet. Man sieht, dass Journalisten trotz aller Appelle des Königshauses immer wieder in die Privatsphäre von William und Harry eindrangen – auch schon in sehr jungen Jahren.

Frauen, die in die „Institution“ einheiraten, wie Harry das Königshaus nennt, hätten immer Leid und Schmerz erdulden müssen. Doch für Meghan sei die Situation besonders traumatisierend gewesen. Ausführlich geht die Doku auf rassistische Äußerungen in den Medien und in Social Media ein, mit denen die Tochter einer schwarzen Mutter und eines weißen Vaters zu kämpfen hatte.

Es war zudem die Zeit, in der Großbritannien über den Austritt aus der EU stritt und das mit einer oft hasserfüllten Debatte über Zuwanderung einherging. Diese habe ihr Übriges getan, rassistische Vorurteile zu befeuern.

Meghan erzählt, dass sie unterschätzt habe, was auf sie zukommt, wenn ihre Beziehung zu Harry öffentlich wird. Sie wurde beschimpft, erhielt Morddrohungen. Sie habe immer versucht, alles zu tun, um sich in die königliche Familie einzugliedern. Bei öffentlichen Auftritten habe sie immer gedeckte Farben getragen und zurückhaltender gewinkt als sie es als Amerikanerin sonst getan hätte. Sie habe geglaubt, dass alles besser werde, wenn sie erst einmal verheiratet seien. Aber es habe nie gereicht. „Egal wie sehr ich mich bemühte, egal wie gut ich war, egal was ich tat. Sie fanden immer einen Weg, mich zu zerstören“, sagt sie am Ende der zweiten Staffel.

Ist das eine Kriegserklärung?

Ist das nun die Kriegserklärung, über die die britischen Medien seit Erscheinen des Trailers spekulieren? An die Medien ganz sicher. Die greifen Harry und Meghan immer wieder an. Und man versteht das Paar, wenn man viele der Schlagzeilen liest, die diese produzierten. Dass aber im Trailer Bilder von einer Harry-Potter-Premiere und dem umlagerten Wagen des Trump-Anwalts genutzt wurden, um das ausufernde Medieninteresse zu belegen, ist ein Fehler, der die Glaubwürdigkeit des Paares massiv infrage stellt.

Und ist die Doku eine Kriegserklärung ans Königshaus? Da dieses sich nicht äußern wollte, bleibt dessen Perspektive außen vor. Offen attackiert Harry seine Familie selten. Er kritisiert den Pakt, den sie mit den Medien geschlossen habe. „Pay and Pose“ laute der Deal. Die Steuerzahler finanzieren die Monarchie, dafür liefert diese im Gegenzug gute Storys.

Es sind aber vor allem kleine, gezielt gesetzte Sticheleien gegen die Royals, die für Aufregung sorgen werden. Er habe auf sein Herz gehört, aber für viele in seiner Familie, vor allem für die Männer, könne es eine große Versuchung sein, „jemanden zu heiraten, der einer Idealform entspricht, anstatt jemanden, für den man bestimmt ist“. Dass er damit Charles und Diana meint, ist offensichtlich. Aber bezieht er es auch auf William und Kate? Das bleibt offen, aber natürlich drängt sich der Gedanke auf. Und wenn Meghan vom ersten Treffen mit William und Catherine spricht und sagt, die beiden seien auch im privaten sehr reserviert, ist die Botschaft ebenfalls eindeutig.

Jeder an meiner Stelle hätte das Gleiche getan.
Prinz Harry

Die Doku erzählt zwei Heldengeschichten: Da ist Harry, der sich vom Womanizer und Party-Prinz in NS-Uniform („einer der größten Fehler meines Lebens“) in einen liebevollen und verantwortungsvollen Ehemann und Vater verwandelte, der alles tut, um seine Familie zu schützen. Und da ist Meghan, eine gutherzige und zu Beginn allzu gutgläubige Schauspielerin, die das Opfer einer rassistischen Hasskampagne wurde, und die doch eigentlich nur die Welt als Aktivistin zu einem besseren Ort machen will.

Das Narrativ ist eindeutig: Sie haben sich bemüht, sie wollten, dass es funktioniert. Aber sie hatten keine Chance. Der Bruch mit der Königsfamilie und ihr Umzug in die USA waren der einzige Ausweg. Oder wie Harry es formuliert: „Jeder an meiner Stelle hätte das Gleiche getan.“

Ist das nun DIE Wahrheit über den Streit zwischen dem Paar und dem Königshaus? Natürlich nicht. Es ist Harrys und Meghans Wahrheit. 

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