Die Schnitzel-Frage bei „Hart aber Fair“„Ich kann es mir nicht leisten, nach dem Siegel zu gucken“

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Louis Klamroth im „Hart aber fair“-Studio.

Louis Klamroth ist der Nachfolger von Frank Plasberg. (Archivbild)

Günstig, gut oder vegan? Moderator Louis Klamroth spricht bei „Hart aber Fair“ über die ewige Frage, ob und welches Fleisch.

Es ist eine ewige Debatte der aktuellen öffentlichen Diskussion: Soll und darf noch Fleisch gegessen werden und wenn ja welches? Während immer weniger Fleisch gegessen wird, steigen die Preise von gutem immer mehr. Am Montagabend geht Moderator Louis Klamroth bei „Hart aber Fair“ dieser Thematik nach: Sorgt Bio-Fleisch nur für ein gutes Gewissen oder schmeckt es auch besser? Was kostet artgerechte Haltung? Wer kann sich so ein Fleisch trotz Inflation noch leisten? Dafür unterhält er sich mit: 

  • Cem Özdemir, Bündnis 90/Grüne, Bundesminister für Ernährung und Landwirtschaft
  • Ralf Zacherl, TV-Koch, Gastronom
  • Albert Stegemann, CDU, Bundestagsabgeordneter, Landwirtschaftsmeister
  • Gesa Langenberg, Landwirtin
  • Stefan Genth, Hauptgeschäftsführer des Handelsverbandes Deutschland (HDE)

Hinter ihnen sind auf Bildschirmen Fleischtheken abgebildet. So sieht es aus, als würden die Gäste zwischen dem zu verkaufenden Fleisch sitzen, während sie darüber diskutieren, welches jetzt das beste ist und wie das alles (land-)wirtschaftlich umgesetzt werden soll und kann. Hauptthema ist dabei die Tierhaltung. Über eines herrscht Konsens am Tisch: Dass alle Menschen vegan oder vegetarisch werden, ist weder für die Wirtschaft noch für die Umwelt hilfreich. Langfristig muss es den Tieren besser gehen. Die Umsetzung ist das eigentliche Streitthema.

Verbraucherinnen und Verbrauchern schmeckt das günstige Fleisch

TV-Koch Ralf Zacherl schaute sich dafür an, wie sich die Haltung von Höfen der Haltungsklasse 4 und 2 unterscheiden. Der Unterschied ist massiv, auf dem Hof der Haltungsklasse 2 leben die Tiere auf Plastik statt Heu und die Muttersau kann sich nicht bewegen. „Es bricht einem das Herz“, sagt Zacherl berührt. „Da überlegt man sich dann doch, ob man das nächste Mal die Currywurst isst oder lieber die gebratenen Champignons“, fügt er hinzu. 

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Danach kocht er für eine Familie Schnitzel aus dem Fleisch beider Höfe. Diese ist sich blind einig: Ihnen schmeckt das günstigere Fleisch besser. Die Qualität und der Geschmack scheinen also mittlerweile keine ausschlaggebenden Faktoren mehr zu sein. Jetzt müsse den Landwirten geholfen werden, umzurüsten.

Özdemir möchte dafür ein „staatlich verbindliches Siegel“ einführen, das über die bekannten vier Haltungsformen eine zusätzliche Bio-Form vorsieht. Ziel sei es schlussendlich den Höfen zu helfen, ihre Haltung auszubauen, wofür er in den nächsten vier Jahren eine Milliarde Euro zum Anschub bereitstellen will. „Ich möchte die Landwirte so motivieren, dass sie auf 3 oder 4 umsteigen“, so Özdemir. Unterstützt werden sollen deshalb mit dem Geld vor allem die Höfe der höheren Haltungsformen. 

„Hart aber Fair“: Cem Özdemir will Landwirtschaft zu besserer Tierhaltung motivieren

Das wäre nicht genug, kritisiert Stegemann, und vor allem sei es nicht genug Geld, um Özdemirs Vorhaben umzusetzen. Es bräuchte mindestens fünf Milliarden Euro. Und so bricht ein kleiner Streit zwischen Regierung und Opposition aus, so scheint es. Özdemir beklagt die Parteipolitik: Anstatt die Regierung zu unterstützen und wenigstens etwas zur Besserung beizutragen, lehne die CDU lieber ab. Stegemann findet, dass Özdemirs Analysen richtig sind, seine Lösungsansätze jedoch nicht realistisch. 

Auch Landwirtin Langenberg findet den Plan nicht ausgereift. Sie hält sowohl Schweine nach Stufe vier als auch zwei, versucht aber in beiden Fällen stets Verbesserungen durchzuführen. Özdemirs Plan sei zu sehr auf Öko ausgelegt. „Wir müssen jede kleine Ausbesserung honorieren“, sagt sie deshalb.

Zumal nicht nur das Tierwohl entscheidend ist, sondern auch die Wirtschaft. Und diese ist seit einiger Zeit von einer hohen Inflation getrieben. Während allgemein die Preise langsam wieder heruntergehen, liegt die Inflation von Lebensmitteln momentan bei 22 % im Gegensatz zu vergangenem März. Fleisch aus guter Haltung können sich deshalb umso weniger Menschen leisten - gerade Geringverdienerinnen und -verdiener.

Rentnerin berichtet bei „Hart aber Fair“ von ihren Problemen beim Einkauf

Klamroth interviewt entsprechend in der Show die Rentnerin Ursula Sachs, die nur rund 900 Rente zur Verfügung hat. Sie sagt klar: „Ich gucke nach dem Preis, ich kann es mir einfach nicht leisten, nach dem Siegel zu gucken“. Sie esse nur einmal die Woche Fleisch, um sich andere Sachen wie Butter und Kaffee kaufen zu können. Bei ihrer Arbeit bei der Tafel sehe sie, wie viele andere leiden. Es würden immer mehr Leute kommen, während die Lebensmittel immer knapper werden. Hier müsse die Politik gegensteuern, findet sie - und auch HDE-Chef Genth. 

Der Handel versuche bereits, die Inflation nicht an allen Stellen an Verbraucherinnen und Verbraucher weiterzugeben, aber die Regierung müsse mehr unterstützen. „Gerade die unteren 30 Prozent der Haushalte, die die weniger als 30 Prozent zur Verfügung haben, brauchen gezielte Hilfe“, betont er. Özdemirs Vorschlag einer Mehrwertsteuer von 0 Prozent auf Obst, Gemüse und Hülsenfrüchte halte er für unrealistisch, nicht tragbar und zu richtend, so auch Langenberg und Stegemann. Stattdessen müsste bei der Ernährungsbildung angesetzt werden. 

Das findet auch Zacherl, der berichtet, dass mittlerweile mehr als 30 Prozent an vegetarischen Gerichten an seinen Tischen gereicht werden. „Es geht darum, ein Angebot zu schaffen“, meint der Gastronom, „und vor allem geht es darum, zu zeigen, dass weniger Fleisch nicht gleich weniger Genuss ist.“ Dafür erntet er im Studio und seinen Sitznachbarinnen und Nachbarn Applaus.

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