Publikum bei „Hart aber Fair“ ergriffenUkrainerin berichtet unter Tränen von Bruder an der Front

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Mariya Maksymtsiv bei „Hart aber fair“

Mariya Maksymtsiv bei „Hart aber fair“

Bei „Hart aber Fair“ ging es um Deutschlands Haltung zu Krieg. Bilder und Berichte aus der Ukraine bestimmten die Sendung.

Inwiefern Deutschland die Ukraine unterstützen soll, war am Montagabend erneut Thema bei „Hart aber Fair“ im Ersten. Dabei fokussierte die zentrale Fragestellung von Moderator Louis Klamroth die Verteidigungsfähigkeit Deutschlands: „Die Ukraine kämpft, die Bundeswehr übt noch: Muss Deutschland Krieg können?“ In der Sendung drehte sich das Gespräch dann aber zunehmend um den russischen Angriffskrieg.

Zu Gast waren „taz“-Chefredakteurin Ulrike Winkelmann, der SPD-Bundestagsabgeordnete Michael Roth, Friedensaktivist und Autor Franz Alt, der stellvertretende „Bild“-Chefredakteur Paul Ronzheimer und die Ukrainerin Mariya Maksymtsiv.

„Hart aber Fair“: Louis Klamroth interviewt Bundeswehr-Veteranen

Ausgangspunkt der Diskussion war das Einzelgespräch mit einem deutschen Veteranen. Rüdiger Hesse kämpfte einst im afghanischen Kundus, jetzt leidet er unter der posttraumatischen Belastungsstörung. Zu viel erlebt habe er in den Einsatzgebieten. Ob man sich im Einsatz Sorgen mache, wenn man wisse, dass die Bundeswehr nicht genug Material habe, fragte Klamroth vermutlich ergebnissicher. Hesse antwortete erwartbar drastisch: „Natürlich, da geht es um Leben und Tod.“

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Muss Deutschland also Krieg können? Michael Roth zeigte sich als Befürworter. „Einige Bürger haben verstanden, dass unsere Sicherheit, unsere Freiheit uns etwas wert sein muss“, sagte er früh in der Diskussion. „Das ist bitter für alle, die friedensbewegt waren“, stimmte Ulrike Winkelmann grundsätzlich zu, wenn auch nachdenklicher. „Ich sehe nach diesem Angriffskrieg keine andere Möglichkeit mehr, als zuzugestehen, dass wahrscheinlich zu wenig in die Bundeswehr investiert worden ist“, sagte die „taz“-Chefredakteurin.

„Bild“-Reporter Paul Ronzheimer erzählt bei „Hart aber Fair“ vom Krieg

Paul Ronzheimer wirkte als der Kriegsexperte der Runde, nicht nur durch seine eigenen Aussagen, vielmehr durch die Inszenierung seiner Person in der Sendung. In einem eingespielten Video, das „Bild“ vor einem Monat mit dem Titel „Paul Ronzheimer in der Front-Hölle von Bachmut“ veröffentlichte, ist der Reporter in schusssicherer Weste und mit Helm beinahe unter Beschuss in der Ukraine zu sehen.

Dann erzählte Ronzheimer vom Krieg: „Man sieht da in leere Augen, Menschen, die wie Untote langlaufen, und man hat das Gefühl, die verstehen gar nicht mehr, was da um sie herum passiert.“ Gegen Ende der Sendung sagte er allerdings: „Ich bin kein Militärexperte, ich bin Reporter, Journalist an der Front.“ „Wie dringend braucht die Ukraine Kampfflugzeuge?“, hatte Klamroth zuvor von ihm wissen wollen.

Appelle zur Verhandlung mit Putin kommen bei „Hart aber fair“ nicht gut an

Allein stand Franz Alt mit seiner Meinung da. „Wichtiger wäre es, dass wir Frieden können“, lautete seine Antwort auf die zentrale Frage. Er sprach sich für Verhandlungen aus, unterzeichnete erst kürzlich einen der zahlreichen Appelle an die Regierung, keine Waffen mehr an die Ukraine zu liefern. „Ich würde, wenn es um Frieden geht, um das Leiden in der Ukraine zu beenden, auch mit dem Teufel verhandeln“, sagt der Autor.

„Hart aber Fair“ mit Michael Roth (v.l.n.r.), Paul Ronzheimer, Franz Alt, Ulrike Winkelmann und Moderator Louis Klamroth.

„Hart aber Fair“ mit Michael Roth (v.l.n.r.), Paul Ronzheimer, Franz Alt, Ulrike Winkelmann und Moderator Louis Klamroth.

In die Diskussion mit den anderen Gästen konnte Alt damit nicht ernsthaft einsteigen. Überhaupt war es ungewöhnlich ruhig bei „Hart aber Fair“. Das lag vielleicht an der Ukrainerin Maksymtsiv. Sie bewegte Publikum und Gesprächsteilnehmende.

Mariya, es fliegt alles Mögliche in unsere Richtung. Wir sind in der ersten Linie.
Ukrainischer Soldat zu seiner Schwester in Deutschland.

Klamroth führte sie in der  Mitte der Sendung ein. Ihr jüngerer Bruder kämpft gegen Russland. Mit Tränen in den Augen erzählte sie, was der Krieg mit ihm mache: Im November hatte sie ihren Bruder das erste Mal seit zwei Jahren wiedergesehen – doch er habe auf sie 20 Jahre älter gewirkt. „Mariya, es fliegt alles Mögliche in unsere Richtung“, las Klamroth gemeinsam mit Maksymtsiv eine Chatnachricht von ihrem Bruder vor. „Wir sind in der ersten Linie“, hatte ihr Bruder als nächstes geschrieben. Da war vom Diskussionstisch kein Mucks zu hören, im Publikum keine Bewegung zu sehen.

„Ich habe eine ganz schöne Wut auf diesen Krieg“, sagte die Ukrainerin, die in Hannover lebt, „der muss nicht sein, die Menschen müssen da nicht sterben.“ Auch auf Franz Alt erwiderte sie klare Worte: „Man kann mit diesem Teufel reden, um eine Lösung zu finden, aber das Problem ist, die Ukraine hat diesen Krieg nicht angefangen.“

Ulrike Winkelmann argumentierte ebenso gegen Appelle wie den von Alt, weil der Name „Putin“ in ihnen entweder gar nicht falle, oder nicht ausreichend beleuchtet werde. Mariya Maksymtsiv versicherte derweil mehrfach: „Die Ukraine wird kein Prozent ihres Landes abgeben“, und in diesen Momenten wurde ihre zittrige Stimme plötzlich kämpferisch stark, „wir werden so lange kämpfen, wie das ukrainische Volk noch existiert.“

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