„Herbstmilch“ und „Schlafes Bruder“Regisseur Vilsmaier mit 81 Jahren gestorben

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Vilsmaier schwarzweiß

Joseph Vilsmaier

München – Zu Bachs Choral „Komm, o Tod, du Schlafes Bruder“ fährt die Kamera über verschneit-felsige Alpengipfel – eine suggestive Visualisierung trostloser Einsamkeit. Es waren solch nachdrückliche Sequenzen, die Joseph Vilsmaier seinerzeit, 1995, internationale Aufmerksamkeit verschafften. „Schlafes Bruder“, die Verfilmung von Robert Schneiders Bestseller um ein verqueres Musikgenie in unwirtlichem Bergtal, ging damals sogar in das Oscar-Rennen.

Dem deutschen Kinobesucher war Vilsmaier bereits bekannt – durch sein Regiedebüt „Herbstmilch“ von 1988. Angefangen in der Filmbranche hatte der gebürtige Münchner, der zunächst am dortigen Konservatorium neun Jahre Musik mit Schwerpunkt Klavier studiert und in einer Jazzband gespielt hatte, als Material- und Kameraassistent, schließlich als Kameramann. Als Regisseur pflegte er dann immer wieder die Personalunion mit der Kameraführung.

Vom Feuilleton oft verrissen

Zu seiner Lieblingsdarstellerin wurde die tschechische Schauspielerin Dana Vávrová, mit der er von 1986 bis zu ihrem frühen Krebstod im Februar 2009 verheiratet war. Der Verlust war ein schwerer Schlag für Vilsmaier, der ansonsten gern einräumte, dass das Leben ihm nicht viel schuldig geblieben sei.

Vilsmaier wurde vom Feuilleton oft verrissen, aber dennoch mit Preisen gut versorgt – er kassierte insgesamt 16 Auszeichnungen. Wobei bei deren Herkunft die räumliche Konzentration auf die bayerische Heimat auffällt. Hat das etwas zu sagen? Freunde und Bekannte beschrieben den Filmemacher immer wieder als Bilderbuch-Bayern – und er selbst sich auch. Seinen Filmen, ihrer Bild- und Tonsprache tat dieses Image nicht durchweg gut. Im Fall seines „Bayern – sagenhaft“ von 2017 war es zum Hochglanzkitsch der Heimatfilme von ehedem nicht mehr weit.

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Auf der anderen Seite setzte sich Vilsmaier – etwa in Produktionen wie „Stalingrad“, „Comedian Harmonists“, „Der letzte Zug“ und „Die Gustloff“ – mit Krieg, Diktatur und Holocaust auseinander, also den ultimativen Katastrophen der deutschen Geschichte. Die Ausleuchtung der historischen Zusammenhänge blieb dabei freilich unbefriedigend, und die Bilder sogar noch von erfrierenden Soldaten hatten etwas unangemessen Ästhetisierendes. Vilsmaier verfügte – was Wunder – über einen exzellenten Blick für eine eindringliche Kameraführung, aber als Regisseur wurde er – man muss es leider so hart sagen – eine Portion provinziell-kunsthandwerklicher Treuherzigkeit nicht los.

Wenn der Boandlkramer kommt

Im November kommt Vilsmaiers letzter Film – „Der Boandlkramer und die ewige Liebe“–in die Kinos. Der Boandlkramer, das ist der „Knochenhändler“, der Tod, als welcher Bully Herbig dort auftritt. Ihn hatte der Regisseur während der Dreharbeiten stets um sich. Ein schlechtes Omen? Soeben jedenfalls ist Joseph Vilsmaier 81-jährig unerwartet in München gestorben.

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