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Auftakt der Gürzenich-SaisonEin Kölner Bürgerchor für Beethoven

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Das Konzept des Bürgerchors ist ein voller Erfolg. 

Köln – Beethovens Neunte zu Saisonbeginn – sonderlich originell ist diese Programmidee nicht, die das Gürzenich-Orchester für sein erstes Konzert nach der Sommerpause entwickelt hatte. Indes wächst dem Werk in diesen Tagen eine düstere und insofern auch durchaus unwillkommene Aktualität zu.

Der Gedanke der Brüderlichkeit aller Menschen,   verstanden nicht im Sinne eines  platten „Habt euch gefälligst lieb!“, sondern der  bürgerschaftlichen Solidarität, kommt angesichts des brutalen Ukraine-Kriegs schwer unter die Räder. Wobei diese Formulierung eigentlich falsch ist, denn eine Idee kann durch eine desaströse Praxis nicht ruiniert werden, sie behält – philosophisch gesprochen  – ihre Sollgeltung. Allen Putins dieser Welt zum Trotz.

Enthusiastisch-inbrünstiger Beifall

Das Philharmonie-Publikum, in dem viele lokale Prominenz vertreten war, mochte ähnliches spüren, der enthusiastisch-inbrünstige Beifall am Schluss galt vielleicht nicht nur der in der Tat herausragenden Qualität der von François-Xavier Roth geleiteten Aufführung.

Auf jeden Fall originell war das Besetzungskonzept für den Chor: Der Block Z wurde gefüllt  nicht etwa mit einem der zahlreichen Kölner Traditionschöre, sondern mit den  rund 160 Sängerinnen und Sängern des eigens für dieses Projekt zusammengestellten „Bürgerchors“: Interessierte Kölner Beethovenfans und Freunde des Eigengesangs (am besten mit Chorerfahrung) hatten sich bewerben können, die finale Auswahl wurde dann im Sommer von dem Kölner Chorleiter Michael Ostrzyga  getroffen – eben für zwei Aufführungen der Neunten.

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Im Angesicht des Ergebnisses verbietet sich despektierliches Geraune über  Laiensänger, die da angeblich über  ihre Verhältnisse leben, durchaus.   Sicher gibt es komplexere Chorpartituren als das Finale der Neunten, in dessen Gewässer  freilich in Sachen Rhythmus-Präzision, Einsatzgenauigkeit, Intonation sowie Höhenglanz und -stabilität  zumal für die Soprane  auch ein paar fiese Klippen ragen.

Große Kraft, Intensität und Souveränität

Die wurden hier indes nicht mühsam überwunden, sondern mit großer Kraft, Intensität und Souveränität im Angang gemeistert. Ein so stark besetzter Chor auf Laienbasis neigt  gerade  bei diesem Stück schon mal zu begeistertem Brüllen, aber davon konnte diesmal  keine Rede sein. Die Fülle etwa in der großen Doppelfuge  war beeindruckend, gerade weil sie nicht angezurrt oder grell-gellend kam, sondern fokussiert und entspannt. Und in jedem Fall war es Ostrzyga gelungen, in kurzer Zeit eine beachtliche Klanghomogenität herzustellen. Kurzum: Diese Sache ruft nach einer Fortsetzung.

Mit dem prächtig aufgelegten Orchester stellte Roth eine eindringliche Interpretation hin, die nicht  auf bombastische Überwältigung und sinfonischen Einheitsbrei, aber auch nicht auf die sentimentale Präsentation einer Botschaft setzte, sondern auf größtmögliche Klarheit, Deutlichkeit und eine spannend-hochenergetische Durchformung. 

Da konnte man zum Beispiel im zweiten Satz erfahren, welche Wirkung der metrisch „falsche“ Paukeneinsatz haben kann, wenn man ihn nur dramaturgisch zündend ins Werk setzt. Besonders freilich scheint Roth die Hörner zu lieben – diesbezüglich war die Balance zuweilen gefährdet.Erfreulich agierten auch die Vokalsolisten Asmik Grigorian, Anaik Morel, Sebastian Kohlhepp und Matthew Rose, dessen „O Freunde“-Solo freilich in seiner auftrumpfenden Theatergeste etwas übertrieben wirkte.