Didi Hallervorden„Ich bevorzuge den Unruhestand“

Interview im Hotel im Wasserturm mit Didi Hallervorden
Copyright: Martina Goyert Lizenz
Im neuen Film spielen Sie einen ehemaligen Star-Läufer, der aus dem Altersheim heraus noch mal bei einem Marathon antritt. War die erste Kino-Hauptrolle seit langem für Sie auch ein Comeback?
Dieter Hallervorden: Zumindest insofern, als dass ich gesünder leben musste. Ich habe über fast sechs Monate jeden Tropfen Alkohol gemieden, ich habe meine Ernährung umgestellt, ich bin jeden Tag gelaufen, war zweimal in der Woche im Fitnessstudio und hatte noch einen Personal Trainer. Ich habe mich ziemlich intensiv vorbereitet. Das musste ich auch: Als der Film gedreht wurde, war ich 77, und na ja, da ist man ja nicht mehr so gut auf den Beinen wie mit 20.
Sind Sie mal gefragt worden, warum Sie sich das antun – in Ihrem Alter?
Hallervorden: Natürlich gab es Leute, die gesagt haben: Mensch, überleg doch mal – aber ich wusste: Das ist die Rolle meines Lebens. Der Film entspricht einfach meinem Lebensmotto: Mindestens einmal mehr Aufstehen als Hinfallen. Klar war es ein Kampf gegen mich selbst, aber ich wollte das unbedingt.
Sie sind jetzt 78. Können Sie nachvollziehen, wenn Menschen in Ihrem Alter sagen: Ich will jetzt Ruhe, nichts Neues mehr anfangen?
Hallervorden: Nein. Ich kenne viele Kollegen, die sich auf den Ruhestand freuen – ich bevorzuge den Unruhestand. Ich würde wahnsinnig, wenn ich nichts zu tun hätte. Kleine Segelschiffe in Weinflaschen zu stopfen – das wäre nicht meine Sache.
2009 haben Sie das Berliner Schlosspark-Theater gemietet und 1,6 Millionen Euro hineingesteckt – da waren Sie 75. In dem Alter würden andere sagen: Das Geld lege ich lieber mal zurück. Sie haben investiert. Warum?
Hallervorden: Zum einen habe ich immer behauptet, eine große Liebe zum Theater zu hegen, und das war eine Möglichkeit, diese Liebe unter Beweis zu stellen. Andererseits habe ich durch die Gunst meiner Zuschauer gut verdient – davon gebe ich jetzt einen Teil zurück.
In „Sein letztes Rennen“ spielen Sie Ihre erste Kino-Hauptrolle seit 1992, im verganenen Herbst hatten Sie eine Nebenrolle im Thriller „Das Kind“ – ganz andere Rollen als die, an die sich viele erinnern. Wie kommt es, dass Sie jetzt diese Seite von sich zeigen dürfen?
Hallervorden: Das stimmt insofern nicht ganz, als dass ich früher den Springteufel gespielt habe, einen Irren, der aus einer Anstalt entspringt, eine bitterböse Rolle. Ich habe den Killerboss im „Millionenspiel“ gespielt – ich wusste schon, dass ich auch andere Rollen draufhabe. Aber: Wer lässt einen? Ich bin durch den Didi in eine bestimmte Schublade gesteckt worden. Es war unheimlich schwer, da wieder rauszukommen.
Tatsächlich ist das bis heute die erste Reaktion, wenn man Ihren Namen erwähnt: Super, der Didi! Nervt Sie das?
Hallervorden: Nein. Ich hab den Didi ja selbst erfunden und hab ihn gerne gespielt – ich musste mich bloß irgendwann von der Rolle trennen, weil ich mit Didi nicht zu anderen Ufern hätte kommen können. Und ich finde es eben schön, wenn man als Schauspieler eine Bandbreite zeigen darf.
Warum ist es so schwer, diese Bandbreite auch zugestanden zu bekommen? Das beklagen ja viele Ihrer Kollegen, dass sie auf eine bestimmte Rolle festgelegt werden.
Hallervorden: Ich glaube, das liegt nicht daran, dass die Zuschauer einem das nicht zugestehen würden. Sondern an der mangelhaften Fantasie von Produzenten und vor allem von Fernsehredakteuren. Die denken eben in Schubladen.
Um Didi zu entkommen, haben Sie eigens eine Agentur engagiert. Würden Sie ihm rückblickend zumindest einen anderen Namen geben – damit die Figur nicht so nah dran ist an Ihnen?
Hallervorden: Der Name ist ja eher aus Zufall entstanden: Zu Anfang hieß diese Person bei „Nonstop Nonsens“ Mister Slap, von Slapstick [spricht es englisch aus, also: Släp]. Und die Leute haben das gelesen und gesagt: ah ja, Mister Slap [spricht es wie deutsch aus: Slapp]. Da habe ich gedacht, bevor ich als Slapp rumlaufe, bin ich lieber Didi.
Und dann hatten Sie den Salat.
Hallervorden: Ach ja, letztlich ist es ja ein Kosename, wenn die Leute das so sagen. Ich empfinde das nicht als Beleidigung.
Über das Schlosspark-Theater sagen Sie, es sei „das Wichtigste, was ich gemacht habe“. Als Student saßen Sie im Publikum, jetzt leiten Sie das Haus – ist da auch so ein Gefühl dabei von: Jetzt habe ich es allen gezeigt?
Hallervorden: Ehrlich gesagt: Ja. Auf der anderen Seite empfinde ich das als Riesenehre – der kleine, unbekannte Dieter Hallervorden, der als absoluter Nobody jahrelang vor zwölf bis 14 Leuten gespielt hat, darf jetzt so ein renommiertes Theater leiten. Das ist eine Herausforderung. Und ich liebe Herausforderungen. Noch mehr natürlich deren Bewältigung.
Im Film sind die Alten im Heim völlig abgemeldet, werden bevormundet – ist das ein Eindruck, den Sie teilen, aus der Familie, dem Bekanntenkreis?
Hallervorden: Ich glaube, dass der Film da tatsächlich ein Stück Lebensrealität widerspiegelt. Ich besuche ab und zu alte Freunde, die in einem Altersheim leben, und ich finde, dass nicht jeder Mitarbeiter die Ausbildung und die Herzenswärme hat, um sich um alte Leute zu kümmern. Die Schauspielerin Ruth Maria Kubitschek hat geschrieben: „Ehe ich ins Altersheim gehe, höre ich lieber auf zu essen und sterbe.“ So weit würde ich nicht gehen – aber ich hoffe, dass sich Leute finden, die sich liebevoll um mich kümmern. Zu Hause. Ins Altersheim? Das ist eine grauenvolle Vorstellung.
Sind solche Gedanken durch den Film noch einmal näher gerückt?
Hallervorden: Ich habe die glückliche Veranlagung, dass ich mit dem Alter nie Probleme hatte. Ich kenne Leute, die haben gesagt, oh Gott, ich werde 50 – ich habe immer gedacht: So, das habe ich schon mal geschafft, jetzt kommt das Nächste. So ist es auch heute. Ich sehe das eher als Wettlauf.
Mit wem?
Hallervorden: Na, mit dem lieben Gott. Oder dem Teufel. Oder wer auch immer das bestimmt. Ich lebe gerne und möchte möglichst lange noch am Leben bleiben.
Haben Sie vorgesorgt für den Fall, dass es schwieriger werden sollte?
Hallervorden: Das einzige, was ich gemacht habe, war ein Testament, damit es keinen Streit innerhalb der Familie gibt. Aber ansonsten – ich lebe relativ gesund, beschäftige meinen Kopf und bekomme durch meinen 15-jährigen Sohn viel mit. Dadurch, dass ich viel mit jüngeren Leuten zusammen bin, bin ich vielleicht auch im Kopf ein bisschen jung geblieben. Ich gehe demnächst zum Beispiel mit meinem Sohn in einen Sprachkurs: Er spricht fließend französisch, weil er in Frankreich geboren ist, ich habe Romanistik studiert – jetzt wollen wir beide einen Konversationskurs in Rumänisch machen.