Interview„Kaum Frauen in Führungspositionen“

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Sabine de Mardt.

Sabine de Mardt.

Frau de Mardt, in Fernsehfilmen sind Frauen als Innenarchitektinnen, Lehrerinnen, Künstlerinnen und Kommissarinnen zu sehen. Ist die Emanzipation zumindest auf dem Fernsehschirm nicht ein abgeschlossenes Thema?

Sabine de Mardt: Frauen im TV werden in den letzten Jahren durchaus selbstständiger, aktiver und auch selbstbewusster gezeigt. Die meisten Berufe, die Sie eben erwähnten, sind aber nach wie vor typische Frauenberufe. In Führungspositionen werden sie kaum gezeigt.

Ist das nicht der gesellschaftlichen Realität angepasst?

De Mardt: Die gesellschaftliche Realität zeigt zumindest, es geht auch anders. Dazu kommt, dass oft im entscheidenden Moment der Filmgeschichte die Logik aussetzt: Sobald ein attraktiver Mann erscheint, steht schlagartig der "love interest" im Mittelpunkt, und häufig sind Frauenfiguren dann plötzlich schusselig, reaktiv, müssen gerettet werden und bedienen wieder alte Rollenmuster, die lediglich von einem modernen Look überdeckt werden. Das Gleiche passiert bei der Begegnung mit Chefs oder in Prüfungssituationen vor männlichen Kollegen.

Sabine de Mardt ist Produzentin und Geschäftsführerin der fiktionalen Abteilung bei Eyeworks Germany. In Filmen wie "Scherbenpark", den Krimireihen "Marie Brand" und "Wilsberg" versucht sie, differenziertere Rollenbilder zu zeigen.

Die Frauen machen sich darin von Männern abhängig?

De Mardt: Es gibt immer noch Filme, in denen Frauen im Minirock und mit Stöckelschuhen auf Safari gehen, spontane Schwächeanfälle erleiden oder plötzlich ohne männliche Hilfe nicht mehr weiter kommen. In diesem Sinne sind Filme oft pseudo-emanzipiert, wenig realitätsnah und vermitteln ein konservatives bis reaktionäres Frauenbild. Protagonistinnen, die nicht dem gängigen Schönheitsideal entsprechen, bleiben sowieso die Ausnahme.

Was machen Sie denn in Ihren Produktionen anders?

De Mardt: In unseren Filmen bemühen wir uns, Frauen realistisch und im wahren Leben verankert zu erzählen. Unsere Krimireihe "Marie Brand" etwa, mit Marielle Millowitsch in der Titelrolle, zeigt eine starke Frau, die sehr individuell und bodenständig ermittelt. Marie Brand ist ein ganz eigener Charakter mit Stärken und Schwächen, aber immer mit großer Menschlichkeit. Der Zuschauer identifiziert sich mit warmherzigen, nahbaren, "normalen" Menschen. Die Frauen dürfen auch im Film unsicher, traurig und streckenweise mutlos sein, was aber nicht der grundsätzlich starken Persönlichkeit widerspricht. Wir möchten durchsetzungsfähige, moderne und sensible Frauen realitätsnah erzählen, die, auch wenn sie in Bedrängnis geraten - und starke Konflikte im Film sind für die Dramaturgie entscheidend -, ihre Individualität behalten und aktiv ihre Probleme in Angriff nehmen.

Glauben Sie denn, dass auf die Ansprüche des weiblichen TV-Publikums zu wenig eingegangen wird?

De Mardt: Frauenfiguren oder Filme sind dann bemerkenswert, wenn sie über die Geschichte hinaus auch ganz persönliche Fragen des Lebens und der eigenen Realität berühren. Liebesfilme etwa könnten auch familiäre, soziale, politische oder philosophische Fragen mit behandeln und so eine gewisse Relevanz erhalten. Das weibliche Publikum möchte neben der reinen Unterhaltung auch diese weitere Erzählebene. Solche Stoffe sind immer sehr erfolgreich, aber sie könnten öfter realisiert werden.

Wie kann man das vorherrschende Frauenbild ändern?

De Mardt: Wenn es uns gelingt, Stoffe zu entwickeln, mit denen sich Frauen identifizieren können und sich beim Abspann nicht nur gut unterhalten, sondern auch ein wenig optimistischer, mutiger und inspiriert fühlen, dann haben wir vieles richtig gemacht. Wenn dann auch noch die Quote stimmt, sind auch wir als Produzenten glücklich.

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