Interview mit Scarlett Johansson„Reden über Sex-Appeal ist langweilig“

Scarlett Johansson
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Frau Johansson, in „Don Jon“ spielen sie eine Frau, die glaubt, ihre große Liebe gefunden zu haben – und dann herausfindet, dass ihr vermeintlicher Traumprinz süchtig nach Internet-Pornos ist. Was hat Sie an der Rolle gereizt?
Scarlett Johansson: Ich fand tatsächlich das Thema spannend. Denn hier geht es ja nur vordergründig um Pornografie. Egal, ob es sich nun um Pornografie, romantische Komödien, Werbeinhalte oder Hochglanzmagazine dreht: Wir werden ständig mit Ansprüchen und Wunschbildern konfrontiert, die unerreichbar sind. Trotzdem orientieren wir uns an ihnen. Und es ist doch so, dass diese Ideale, die wir ständig konsumieren, sogar unsere zwischenmenschlichen Beziehungen beeinflussen. Mit dieser Gemengelage hat Jo (Joseph Gordon-Levitt) gespielt. Er wollte demonstrieren, wie verrückt das eigentlich ist.
Joseph Gordon-Levitt, der die Hauptrolle spielt und zum ersten Mal Regie führt, hat die Rolle extra für Sie geschrieben. Inwieweit konnten Sie denn Einfluss auf das Drehbuch nehmen?
Johansson: Jo hat mir den allerersten Entwurf gezeigt. Wir haben zeitweise gemeinsam am Drehbuch gearbeitet und Szenen für unsere jeweiligen Charakter geschrieben. Er fand es gut, dass ich meine weibliche Sichtweise einbringe. Und so haben wir unseren Charakteren Leben eingehaucht.
War es nicht auch ein Risiko, mit einem Regie-Neuling zu arbeiten?
Johansson: Er wusste von Anfang an genau, was er wollte und wie die Szenen aussehen sollten. Ich würde mir wünschen, dass jeder Regisseur, mit dem ich zusammenarbeite, so viel Selbstvertrauen hat wie er. Für mich war es eine besondere Ehre, dass ich bei seinem ersten Mal dabei sein durfte.
Im Film spielen Sie eine Frau, die ihren Partner nach ihren Vorstellungen verändern will. Können Sie dieses Verhalten nachempfinden?
Johansson: Wir sind doch alle ein bisschen wie diese Frau, die ich spiele. Wir nehmen unsere Partner nicht so wie sie sind, sondern versuchen, sie in unsere Schablonen zu pressen. Wir stellen uns vor, die Beziehung wäre einfacher, wenn der andere sich so verhält, wie man es will. Und in diesem Denkmuster ist es sogar am allerbesten, wenn der andere so reagiert wie man selbst. Wir sollten uns aber immer wieder bewusst machen, dass Beziehungen so nicht funktionieren. Wir müssen uns auf unseren Partner einlassen und sein Anderssein akzeptieren. Sonst klappt es nicht.
In fast jeder Szene haben Sie einen Kaugummi im Mund. Ist das nicht normalerweise beim Drehen strengstens verboten?
Johansson: (lacht) Da ich sowieso jemand bin, der viel Kaugummi kaut, habe ich nur nach einer Gelegenheit gesucht, das auch in einem Film auszuschlachten. Normalerweise muss ich es ja rausnehmen, wenn die Kamera läuft, doch diesmal stand sogar jemand immer mit einer frischen Packung bereit. Das war großartig. Das ständige Kaugummi-Kauen meiner Figur symbolisiert, dass sie ständig etwas konsumieren oder zu tun haben zu muss.
Sie werden häufig als sinnliche Frau mit Sex-Appeal besetzt. Fühlen Sie sich manchmal zu sehr auf diesen Rollentyp reduziert?
Johansson: Ich möchte generell nicht auf einen Rollentyp festgelegt werden, ob sexy oder nicht. Als ich jünger war, hatte ich viel Glück, sehr viele ambivalente Charaktere spielen zu dürfen – Mädchen, die erwachsen werden, die zu Frauen werden, deren Leben sich entscheidend verändert. Und genauso ging es mir damals ja in meinem Leben auch. Nicht nur ich habe mich weiterentwickelt, auch meine Rollen. Nun spiele ich erwachsene Frauen, dynamische Charaktere. So ist der Lauf der Dinge.
Sie wollten schon als kleines Mädchen Schauspielerin werden. In wieweit hat Ihr Großvater, der Drehbuchschreiber und Regisseur war, Sie darin bestärkt?
Johansson: Ich habe meinen Großvater leider nie kennengelernt, aber die Kultur seiner Heimat. Ich habe dänische Wurzeln, mein Vater kommt aus Kopenhagen und lebte dort bis er Ende 20 war. Zu Hause sind wir mit viel dänischer Kultur aufgewachsen.
Wie muss man sich das vorstellen?
Johansson: Meine Mutter ist jüdisch, aber wir haben immer Weihnachten gefeiert. Wir sind auch zu den Erntedank-Festen der dänischen Kirche gegangen. Und mein Vater hat uns oft dänische Lieder vorgesungen. Mein Vater ist Architekt, er hat mir viel über dänisches Design beigebracht.
Sprechen Sie auch Dänisch?
Johansson: Leider nicht. Meine Eltern haben Dänisch miteinander gesprochen, mir kam es so vor, als würden sie es als eine Art Geheimsprache benutzen.
Seit Sie ein Teenager waren, haben Sie als Schauspielerin Erfolg. Wem müssen Sie noch etwas beweisen?
Johansson: Ich habe immer das Gefühl, dass ich mich vor mir selbst beweisen muss. Aber das ist auch gut so, denn sonst würde ich bequem werden und das wäre schlecht. Ich finde es gut, immer ein bisschen die Angst im Nacken zu spüren, auch versagen zu können. Aber es ist nicht wirklich Angst, eher ein Gefühl von Unsicherheit.
Es ist also egal, was Sie vorher gemacht haben und wie erfolgreich Sie mit Ihrer Arbeit waren – die Unsicherheit bleibt?
Johansson: Schauspieler sind eine seltsame Mischung, eine komische Spezies. Einerseits musst du natürlich an dich glauben. Du musst dir sagen, dass du es kannst und dass du die Richtige für die Rolle bist. Und doch braucht man diese Unsicherheit, um wirklich gut zu sein. Ich nehme deshalb gern Rollen an, von denen ich zuerst keine Ahnung habe, wie ich sie spielen soll. Es ist gut, wenn du erst einmal unsicher bist und vor einem Rätsel stehst.
Sie engagieren sich neben der Schauspielerei regelmäßig für Wohltätigkeitsorganisationen. Warum ist Ihnen das wichtig?
Johansson: Ich habe mich schon immer engagiert und beispielsweise gemeinnützige Arbeit geleistet. Einer der wundervollen Aspekte meines Jobs ist es, dass ich, wenn ich im Rampenlicht stehe, diese Öffentlichkeit für meine Projekte nutzen kann. Eines davon, das mir sehr am Herzen liegt, ist Oxfam. Ich liebe es, mit dieser Hilfsorganisation zu arbeiten. Sie macht tolle Arbeit und gibt wenig Geld für die Verwaltung aus. Für mich war es schon immer wichtig, ein soziales Bewusstsein zu haben.
Sie arbeiten immer wieder mit Regie-Legenden im Arthouse-Genre. Trotzdem tauchen Sie in erster Linie in den Top-10-Listen der sexiesten Frauen auf. Wie gehen Sie damit um?
Johansson: Das ist nun einmal so ein Nebenprodukt, wenn man Kurven hat...(lacht). Aber im Ernst: Darüber denke ich nicht nach, niemals. Außer wenn ich in Interviews ständig nach Sinnlichkeit und Sex-Appeal gefragt werde. Aber ich habe wirklich überhaupt nichts dazu zu sagen, weil dieses Thema so langweilig ist.
Aber es ist doch auch besser, als auf der Liste der zehn unattraktivsten Schauspielerinnen zu landen.
Johansson: Definitiv. Es wäre natürlich nicht so gut, wenn die Leute über mich sagen würden, kannst du glauben, wie grottenmäßig Scarlett Johansson aussieht?
Das Gespräch führte Bettina Aust