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Kommentar

Jodeln als Unesco-Weltkulturerbe
Nicht ohne deutsches Diplom

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2 min
Die Schweizer Jodel-Gruppe «Silvretta Klosters» tritt beim Eidgenössischen Jodlerfest auf.

Die Schweizer Jodel-Gruppe «Silvretta Klosters» tritt beim Eidgenössischen Jodlerfest auf. 

Die Schweiz sichert sich das Jodeln als immaterielles Weltkulturerbe und leistet sich einen besonders dreisten Fall kultureller Aneignung.  

Um als moderne Frau auf eigenen Füßen zu stehen, eignet sich bekanntlich nichts besser als der Erwerb eines staatlichen Jodeldiploms. Leider stolpert Frau Hoppenstedt auf dem Weg zum vollwertigen Mitglied der Gesellschaft so hartnäckig über die Silbenfolge des Erzherzog-Johann-Jodlers („du Dödel, du“), dass sie sich sogar ins zweite Futur bei Sonnenaufgang („dö dudl dö“) verirrt. Auch beim schnellen Wechsel zwischen Brust- und Kopfstimme macht eben erst Übung die Meisterin.

Im deutschen Flachland blühen viele Missverständnisse über das Jodeln

Im deutschen Flachland blühen viele Missverständnisse über das Jodeln – etwa, dass man sich über diese altehrwürdige Kulturtechnik lustig machen darf, ohne deswegen als Banause zu erscheinen. Diesem Irrglauben hat die Unesco diese Woche einen Riegel vorgeschoben und das Schweizer Jodeln zum immateriellen Weltkulturerbe erklärt. Bei den Antragstellern freute man sich über „vorgezogene Weihnachten“ und pries das sinnfreie Singen auf Vokalisationssilben als „Urgesang“ der eigenen Berge.

Allerdings kann man den Vorgang auch für einen Akt kultureller Aneignung halten. Schließlich ist Jodeln ein weltweites Kulturgut, das sich überall dort entwickelt hat, wo Hirten im Hochland nach ihren Tieren riefen – in Afrika ebenso wie in Amerika und selbst in entlegenen Gegenden wie Österreich und Bayern. Immerhin kann sich die Schweiz darauf berufen, dass sich christliche Mönche bereits im vierten Jahrhundert über die „schrecklichen Jubelschreie“ eidgenössischer Viehtreiber ereiferten und ihre Idee des „jodelnden Klassenzimmers“ mittlerweile schweizweit Schule macht.

Vielleicht haben die Schweizer das Jodeln tatsächlich erfunden und vielleicht betreiben sie es besonders inbrünstig. Auf die Idee, die Menschheit durch einen von Slim Whitman gejodelten Country-Song vor den Marsianern zu retten (denen platzen bei Falsetttönen die aufgeblasenen Köpfe), musste jedoch erst Hollywood kommen. Unsterblich wird ein Kulturgut eben erst durch die populäre Parodie. Schon deswegen lassen wir auf das deutsche Jodeldiplom nichts Schweizerisches kommen.