Jürgen Vogel im Interview„Frauen, ihr seid nicht laut genug“

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Jürgen Vogel auf der Republica 2019.

  • Der Schauspieler Jürgen Vogel spielt erstmals in einer Serie des Privatsenders Vox.
  • Anders als der Familienvater, den er spielt, hat er selbst als Vater seine eigenen Erwartungen nicht auf seine Kinder übertragen.
  • Seine Serien-Frau ist eine klassische Hausfrau. Vogel sieht diese gesellschaftliche Realität in Deutschland kritisch.

Herr Vogel, man hat Sie noch nie in einer Serie bei einem Privatsender gesehen. Warum jetzt?

Ich lese die Bücher und danach entscheide ich. Dieses fand ich direkt toll geschrieben. Und Vox als Sender fand ich interessant. Er ist für mich auch nicht mit irgendetwas belastet.

Im Gegenteil, der Sender hat ein großes Potenzial, und ich bin sehr gespannt, ob wir mit dieser Serie dort ein Publikum finden. Ich kann mir das sehr gut vorstellen, ich hoffe, dass Qualität sich am Ende durchsetzt und es den Leuten gefällt.

Die Serie ist ja sehr ruhig und unaufgeregt erzählt.

Genau das mag ich. Es ist leise, langsam, man nimmt sich viel Zeit, das ist einfach der normale Wahnsinn des Lebens, der da erzählt wird. Es ist deshalb so berührend, weil man sich für die Menschen interessiert. Jeder in dieser Serie ist auf der Suche. Jeder versucht, seinen Weg zu gehen, was manchmal besser und manchmal schlechter funktioniert.

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Kurt Fankhauser (Jürgen Vogel), Philipp Fankhauser (Sidney Holtfreter, ganz links), Theo (David Gruttner), Sandra (Bettina Lamprecht, M.) und Luna (Bianca Nawrath) mit Hund Fredo aus der neuen Vox-Serie "Das Wichtigste im Leben".

Erreicht man denn auch mit einer leisen Serie, die vom normalen Leben erzählt, in der Serienflut das Publikum?

„This is us“, wo es nur um Familie geht, ist in den USA sehr erfolgreich. Ob eine solche Serie auch bei uns funktioniert, muss man abwarten. Wir haben eine tolle Serie gemacht, auf die ich wahnsinnig stolz bin. Mir ist die Qualität wichtig, und die ist ja nicht geringer, sollte die Quote nicht so gut sein.

Gibt es Parallelen zwischen dem dreifachen Vater Kurt und dem Vater Jürgen Vogel?

Die Parallele zwischen mir und Kurt ist sicherlich, dass er auch immer versucht, das Beste zu geben. Und doch macht man auch immer etwas falsch. Egal, was man sich vornimmt, man schafft es nie. Damit muss man als Eltern leben.

Richtig machen gibt es nicht, man macht das, was man in dem Moment für das Richtige hält. Und später hört man dann von seinen Kindern, ob man Recht hatte oder nicht.

Kurt ist Basketballtrainer und hofft sehr, dass sein ältester Sohn erfolgreich Basketball spielt, obwohl dieser lieber Ballett tanzen möchte. Kennen Sie das auch, dass man hofft, dass die Kinder das machen, woran das eigene Herz hängt?

Ich hatte das nie. Weil ich gelernt habe, dass – ähnlich wie in einer Beziehung – die Enttäuschung größer ist, je größer die Erwartung war. Oft sind die ja auch komplett unrealistisch und haben mit dem anderen gar nichts zu tun. Da muss man einfach abwarten, was jemand möchte. Der sagt dir das schon. Kinder sind ja kein Puppen oder Marionetten, sondern Menschen, die einen eigenen Willen haben. Sonst ist man die ganze Zeit enttäuscht.

Wie sollte man sich stattdessen verhalten?

Es ist viel klüger, sich einfach mal überraschen zu lassen, was kommt. Kinder sind nicht unsere Erfüllungsgehilfen. Ich hasse es selbst auch, wenn Leute krasse Erwartungen an mich haben. Das Komische ist, dass diese Leute meistens die sind, die in einer statischen Position sind und selbst gar nichts hinkriegen.

Aber es fällt vielen Eltern schwer, nicht zu viel zu erwarten.

Das ist ja auch völlig normal, dass man Träume hatte, die nicht funktionieren und die dann auf die Kinder projiziert. Das ist dann aber ganz besonders tragisch. Denn die merken ja, dass sie die Träume der Eltern erfüllen sollen.

Wie waren Sie denn als Jugendlicher?

Ich war natürlich super. Ich sah vor allem toll aus. Im Ernst: Ich kann das relativ schlecht sagen. Ich bin sehr unbeaufsichtigt groß geworden. Ich konnte machen, was ich wollte. Und ich bin ja nicht unter die Räder gekommen. Es hat also bestens funktioniert. 

Kurt und Sandra leben ein sehr klassisches Familienmodell. Sie kümmert sich um die Kinder, er verdient das Geld. Tun wir uns in Deutschland besonders schwer, an dieser Rollenverteilung zu rütteln?

Für mich fängt es schon damit an, dass Frauen nicht genauso viel verdienen wie Männer. Diese Grundlage muss geschaffen werden. Das ganze Gelaber über Emanzipation bringt nichts, wenn Frauen weniger verdienen. Das ist ein Skandal. Vorher haben sie gar nicht die Möglichkeit, sich so zu entwickeln wie Männer. Und die Kinderbetreuung ist auch noch nicht vernünftig geregelt. Es gibt zwar das Anrecht, aber es sind nicht genug Plätze da. Und Eltern wollen ihre Kinder ja auch nicht irgendwo abgeben. Da sind wir dann wieder in den 50ern: Sie steht am Herd, er arbeitet.

Das kann ja aber nicht die Lösung sein.

Genau, damit ist ja auch keiner glücklich. Da ist die Politik gefordert. Und die Frauen selbst. Warum gehen die Frauen nicht jeden Tag auf die Straße und fordern, dass sie in jedem Beruf genauso viel verdienen wie Männer? Dass wir Männer nicht demonstrieren, ist ja klar, wir verdienen ja gut. Aber wir können nicht für die Frauen auf die Straße gehen. Das müsst Ihr selbst machen. Ihr seid nicht laut genug.

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