Der NDR will Ruhs nicht mehr als Moderatorin – und löst eine Debatte aus. Carsten Linnemann mischt sich ein und bekommt scharfe Kritik.
Debatte um Julia RuhsNDR kontert Cancel-Vorwürfe – Kritiker bekommen Gegenwind aus Köln

Julia Ruhs bei einer Diskussionsveranstaltung. (Archivbild)
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Die Entscheidung des NDR, die Journalistin Julia Ruhs künftig nicht mehr als Moderatorin des Reportageformats „Klar“ einzusetzen, schlägt weiter hohe Wellen. Nach mitunter scharfer Kritik aus der Politik hat der Programmchef des Senders die Entscheidung nun verteidigt – und wenig Verständnis für die Vorwürfe in Richtung des NDR gezeigt.
In einem vom eigenen Haus geführten Interview sagte Frank Beckmann, das Format sei als „ein Beitrag zur Meinungspluralität“ gedacht gewesen. Die Sendung sei von vornherein so konzipiert worden, „dass wir sie mit mehreren Moderatoren präsentieren können“, führte Beckmann aus. Wichtig an dem Format seien die Themen. „Was nicht im Mittelpunkt stehen sollte, ist ein Moderator oder ein Präsentator.“
NDR kontert Kritik an Entscheidung: „Ein bisschen absurd“
Deshalb sei die entstandene Debatte „für uns auch ein bisschen absurd“, hieß es weiter. Ruhs habe „ja nicht nur die drei NDR-Folgen des Piloten gemacht hat“, sondern werde „für den Bayerischen Rundfunk genauso drei Folgen produzieren“, erklärte der Programmchef. „Dass der Norddeutsche Rundfunk auch noch mal sein Engagement erhöht“, sei das Einzige, was sich ändere.
„Auch wir werden jetzt noch einmal drei Folgen dazustellen. Also werden wir ‚Klar‘ und das Thema Meinungsvielfalt eher verbreitern“, entgegnete Beckmann den Kritikern und wies Vorwürfe, bei der Entscheidung handele es sich um „Cancel Culture“, zurück.
„Frau Ruhs wird in genauso vielen Sendungen auftauchen“
„Das kann ich überhaupt nicht nachvollziehen – wir machen ja doppelt so viel! Frau Ruhs wird in genauso vielen Sendungen auftauchen wie in der Vergangenheit“, betonte Beckmann erneut. „Das Einzige, was wir ihr versagt haben, ist, dass wir nicht möchten, dass sie alleine alle Folgen präsentiert. Das ist eine inhaltliche Entscheidung.“

CDU-Generalsekretär Carsten Linnemann hat den NDR scharf kritisiert. (Archivbild)
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Für ein Format, wo es „vor allen Dingen um die Inhalte und eben nicht um die Person geht“, sei das eine „gute Entscheidung“, bekräftigte der NDR-Programmchef den Standpunkt des Senders und konterte damit die breite Kritik an der Entscheidung, die vor allem von hochrangigen CDU-Politikern, aber auch aus anderen Parteien geäußert wurde.
Scharfe Kritik aus der CDU am NDR
Bei den Christdemokraten hatten insbesondere Kulturstaatsminister Wolfram Weimer, Fraktionschef Jens Spahn und Generalsekretär Carsten Linnemann den Sender kritisiert.
Weimer sagte am Donnerstag dem TV-Sender „Welt“, Ruhs’ Ausschluss verstärke den Eindruck der Einseitigkeit. Spahn sprach von einem „Rechtfertigungsproblem“ der öffentlich-rechtlichen Sender. Linnemann forderte als Konsequenz sogar ein Einfrieren der Rundfunkgebühren. Das dürfte sich jedoch nur schwerlich mit der im Grundgesetz festgeschriebenen Rundfunkfreiheit in Einklang bringen lassen.
Gegenwind für Linnemann: „Erpressung in Reinform“
Linnemanns Vorstoß sei „Erpressung in Reinform“, sagte der Vorsitzende des Deutschen Journalisten-Verbandes (DJV), Mika Beuster, am Freitag dem Deutschlandfunk. Der CDU-Generalsekretär sollte eigentlich wissen, was Rundfunkfreiheit bedeute, hieß es weiter.
Deutliche Worte in Richtung Linnemann kamen derweil auch aus Köln. „Politik sollte nicht die Medien unter Druck setzen“, schrieb der ehemalige Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) bei X. „Wenn Demokraten das tun, steigen sie herab auf das Niveau der Populisten. Wir legitimieren deren Angriff auf die vierte Gewalt“, fügte der SPD-Politiker an.
Lauterbach und von Notz attackieren Linnemann
In die gleiche Kerbe schlug auch Grünen-Politiker Konstantin von Notz. „Die Abteilung derjenigen in der CDU, die die Talking Points der AfD highlighten, ist so groß geworden, dass die AfD die Arbeit final einstellen kann, ihre Umfragewerte steigen und steigen“, schrieb von Notz bei X. Es sei „verstörend“, dass dieser Mechanismus bei der CDU nicht verstanden werde, fügte er an.
Scharfe Worte fand auch der als CDU-nah geltende Politikwissenschaftler Andreas Püttman bei X. „Wenn die JU den Rechtsradikalen Kirk nachträglich zum Musterdemokraten stilisiert, dann muss die Mutterpartei schnell hinterher und wenigstens die rechte Agitatorin Ruhs laut bedauern“, lautete sein spitzer Kommentar zu Linnemanns Vorstoß.
Kölner Politiker Lehmann stellt sich hinter NDR
Auch der Vorsitzende des Kulturausschusses im Bundestags, der Kölner Grünen-Politiker Sven Lehmann, verteidigte den NDR in der Causa Ruhs. „Entscheidungen wie die Änderung der Moderation der Sendung ,Klar’ werden von Programmausschüssen und Redaktionen im ÖRR regelmäßig getroffen. Das ist gelebte Programmfreiheit und an sich kein Skandal“, sagte Lehmann dem „Tagesspiegel“.
Ein Sender müsse die Möglichkeit haben, die handwerkliche Arbeit von Moderatoren zu bewerten und Formate zu überdenken, führte der Grünen-Politiker aus. „Dies gilt auch für den aktuellen Fall Ruhs.“
Die Debatte geht jedoch auch am Freitag ungebrochen weiter – inklusiver drastischer Forderungen. FDP-Politiker Wolfgang Kubicki schrieb etwa bei X, der Rundfunkstaatsvertrag müsse aufgekündigt werden. „Wir müssen die rechtlichen Grundlagen für den NDR neu verhandeln und neu festlegen. Und das geht nur, wenn man den bestehenden Vertrag kündigt“, hieß es bei Kubicki, der mit seiner Partei bei der letzten Wahl den Einzug in den Bundestag verpasst hat.