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KabarettAufhören, bevor die Routine einsetzt

3 min

Richard Rogler

Auf die Frage, wie es im Ruhestand mit der Freiheit aussehe und ob er diese aushalten werde, antwortet der in Köln lebende Kabarettist: "Damit habe ich gar keine Probleme. Ich habe 44 Jahre als Künstler gearbeitet. Kunst macht ja bekanntlich viel Arbeit. Die hält man aber nur aus, wenn man sie nicht als Arbeit begreift. Sobald Routine hinzukommt, wird es irgendwann nur noch Arbeit. Dann ist man kein Künstler mehr. Deshalb mache ich Schluss." Denn "die Verpflichtung des Künstlers ist es", betont Rogler "dass er sich fortentwickelt - und das habe ich immer gemacht".

Zusammen mit Klaus Schweizer, dem Geschäftsführer der Kölner Comedia, und anderen WG-Kommunen-Bewohnern hat er Mitte der 70er Jahre in Würzburg das Kindertheater Ömmes & Oimel gegründet - zu sechst waren sie damals. "Mit dem Grips-Theater und der Roten Grütze waren wir innerhalb kürzester Zeit weltberühmt." Sie waren schnell die Stars in Deutschland. Und die Avantgarde. Aber ohne Geld.

Sich selbst neu erfunden hat er 1986 mit dem Stück "Freiheit aushalten". Sein Freund und Förderer Dieter Hildebrandt habe damals zu ihm gesagt, so etwas habe er seit 25 Jahren nicht mehr gesehen. "Das heißt, ich habe eine neue Sicht auf meine Kunst geschaffen. Ohne Netz und doppelten Boden."

Heute stagniere das Kabarett, meint Rogler, ästhetisch und dramaturgisch, es müsse sich eigentlich komplett revolutionieren. "Ich wüsste, wie das geht." Allerdings sei er dazu inzwischen - er blickt auf 68 Lenze zurück - zu alt. Die Gastspiel-Reiserei über viele Jahre durch ganz Deutschland hängt ihm in den Knochen, die psychischen und physischen Kräfte reichen nicht mehr aus.

Laut Rogler gebe es schließlich und endlich nur zwei kabarettistische Herangehensweisen: Entweder Fragen zu stellen oder Antworten zu geben. Klar, Rogler gehört zu den Fragenden, den Bohrern, zu denen, die keine Ruhe geben. Die seien allerdings nicht mehr gefragt, sondern Leute, die altbackene Witzchen reißen, die jeder verstehen könne. Immer weniger Künstler lernten Texte auswendig - das sei schließlich Arbeit. "Es hat sich herumgesprochen, dass man mit ein paar Pointen richtig Geld verdienen kann." Spielen - im Sinne von schauspielen - könne sowieso keiner mehr. "Man hat sich mittlerweile an die komplette Mittelmäßigkeit gewöhnt."

Viele Künstler redeten inzwischen über ihr Leben, über Privates wie Eltern und Schule. "Ich habe jetzt ein Kind, ja - Wahnsinn!" Weil ihnen sonst nichts einfalle. Die andere Variante sei das Volkshochschul-Kabarett: "Ich erkläre den Leuten die Zusammenhänge der kapitalistischen Marktwirtschaft." Das sei nicht die Aufgabe des Kabaretts. Sondern eine politisch-anarchische Unterhaltung mit einem bestimmten Blick auf die Welt.

"Warum ich jetzt Schluss mache?" wiederholt Rogler die entsprechende Frage und holt weiter aus. "Man ist nur kurz auf der Welt. Man wird geboren, vermehrt sich, wenn man Glück hat, ein bisschen und dann tritt man wieder ab. In der Zwischenzeit weiß der Mensch nicht so recht, was er machen soll. Deswegen will er dauernd arbeiten. Um die Angst vor der eigenen Geist- und Bedeutungslosigkeit zu überspielen. Davon leben die Talkshows, wo man krampfhaft versucht, an der Errichtung einer Scheinwelt zu basteln."

Zur Person

Richard Rogler, 1949 geboren, ist Mitbegründer des Kinder- und Jugendtheaters Ömmes & Oimel (Comedia Colonia, Köln) und war vier Jahre am Schauspielhaus Köln engagiert. Seit 1986 ist er als Solo-Kabarettist unterwegs. Er erhielt alle einschlägigen Preise wie den Telestar und den Grimme-Preis. Am Freitag, 15.12. beendet er mit seiner "Tour 2017" in der Comedia seine Bühnen-Karriere.