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Interview

10 Jahre Kaput
„Es passiert mehr denn je, worüber man musikjournalistisch berichten kann“

5 min
Das Bild zeigt die Cover verschiedener Ausgaben der mittlerweile eingestellten Musikzeitschriften Spex, Groove, Juice und intro. Foto: Kevin Goonewardena

Spex, Groove, Juice, intro - der Markt für deutschsprachige Musikzeitschriften ist in den vergangenen Jahren geschrumpft.  In der Bildmitte, ist das Editorial der letzten Ausgabe des intro-Magazins (#outro) zu sehen. Auch die finalen Ausgaben der Magazine Groove („Until Then Goodbye“) und Juice („97 'til Infinity“) liegen auf dem Stapel.

Das Kölner „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“ ist 2025 zehn Jahre alt geworden. Ein Gespräch mit den Herausgebern Thomas Venker und Linus Volkmann zum Jubiläum.

Herr Venker, Herr Volkmann, was kann Popkulturjournalismus 2025 noch bewirken?

Thomas Venker: Mir fällt, gerade an der Uni Paderborn, wo ich als Dozent auch unterrichte, immer wieder auf, wie viele Jüngere sich tatsächlich noch einschreiben, mit der Ambition, Musikjournalismus nicht nur kennenzulernen, sondern auch praktizieren zu wollen. Es gibt sehr viele popkulturelle Referenzen, die ohne Journalisten wenig aufzuarbeiten und vermittelbar sind. Eine aus der beobachtenden Distanz sprechende Instanz, die ihnen eben nicht nur erzählt wie ein Album klingt – das können die Leute heutzutage selbst hören –, sondern jemand, der Ihnen vermittelt, welcher Kontext drumherum existiert, was für Lebensmodelle die Künstler haben, welchen Communitys sie angehören, wie ihr Arbeitsalltag aussieht. Ich bin generell immer optimistisch, aber auch realistisch: Es passiert zum einen mehr denn je, worüber man musikjournalistisch berichten kann. Das Ökonomische dahinter ist jedoch immer schwieriger geworden.

Als Kaput vor zehn Jahren gestartet ist, gab es noch wesentlich mehr Printmusikmagazine, die intro, deren Chefredaktion Sie beide für 14 Jahre innehatten, die Spex, die Groove. Gleichzeitig hatten Instagram und Tiktok noch nicht die Rolle bei der Popkultur-Vermittlung, wie heute. Mit welcher Mission sind Sie damals angetreten?

Linus Volkmann: Wir haben beide beim intro Magazin gearbeitet und sind damals durch ökonomischen Zeitgeist – Sparzwänge, Kurzarbeit, Entlassungen – rausgekehrt worden. Die intro existierte zwar noch drei weitere Jahre, aber es war schon bei unserem Abgang klar, dass es nur noch Rückzugsgefechte geben wird. Daran, das, was es gibt, einfach nur zu verteidigen, hatten wir beide kein Interesse. Bei „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“ haben wir versucht, unsere Inhalte in den neuen, sich verändernden Medien und den neuen Konsumformen von Musik, sowie dem Reden darüber angemessen zu platzieren.

Das Bild zeigt die Journalisten Thomas Venker (links) und Linus Volkmann (rechts), Gründer und Betreiber des „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“ aus Köln und Frankfurt. Foto: Privat

Haben das „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“ 2015 gemeinsam gegründet und leiten es seitdem: Thomas Venker (links) und Linus Volkmann.

Venker: Ein neues Musikmagazin zu starten, hatten wir beide aber gar nicht vor. Nach der Zeit bei intro haben wir uns eine Auszeit genommen. Wie das manchmal so ist, kam dann eine Anfrage von jemandem, der fragte, ob wir nun frei seien und mit ihm zusammen ein Printmagazin machen wollen. Das Krasse war natürlich zu merken, dass die ökonomische Seite – etwa der Druck, eine halbwegs faire Bezahlung von Autoren, Fotografen, dem Lektorat – von dieser Person total unterschätzt und viel zu niedrig angesetzt worden war. Wir haben das über mehrere Runden versucht anzupassen und uns irgendwann gesagt, dass das ja genau das ist, was wir eigentlich nicht mehr wollen. Aber durch die ganzen Ideen, die uns während des Prozesses gekommen sind, waren wir wieder angefixt.

Die Artikel bei Kaput sind nicht hinter einer Bezahlschranke versteckt, Abomodelle gibt es nicht. Wie ist es Ihnen gelungen, das Magazin zu monetarisieren?

Venker: Durch Hartnäckigkeit? Vielleicht Hand in Hand mit einem guten Magazinprofil?

Eine institutionelle Förderung wie in der Schweiz, Österreich oder auch in osteuropäischen Ländern, die gibt es nicht.
Thomas Venker, Mit-Herausgeber und Co-Chefredakteur „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“

Wird Kaput gefördert?

Venker: Das ist ein großes Problem in Deutschland, dass es aus dem Grund der journalistischen Unabhängigkeit keine Journalismusförderung gibt. Was natürlich eine Farce ist, denn so macht man sich dann abhängig von Anzeigenkunden. Wir sind aber nicht ungeschickt darin, Projekte zu entwickeln, die dann temporäre Einzelförderung bekommen, also keine direkte Förderung erhalten, aber eine projektbezogene. Während der Pandemie haben wir beispielsweise für das Land NRW eine Videoreihe konzipiert, auch für die Events gibt es von der Stadt Köln Unterstützung – die Reihe „Talking Kaput“ machen wir jetzt seit zehn Jahren, davor hieß das Format „Köln ist kaput“. Die Finanzierung läuft also eher für die Nebenstraßen. Als Redaktion produzieren wir relativ regelmäßig Videodokumentationen für den Hardware-Medienkunstverein in Dortmund, schreiben die Programmtexte für das Pop-Kultur-Festival in Berlin. Es gibt auch in der Musikindustrie alte Kontakte, die uns wohlgesonnen sind und Anzeigen schalten. Aber eine institutionelle Förderung wie in der Schweiz, Österreich oder auch in osteuropäischen Ländern, die gibt es nicht.

Viele Autoren sind bildende Künstler, Musiker oder kommen aus einem anderen, nicht journalistischen Kontext.

Volkmann: Wir haben schon ein sehr großes Spektrum von Leuten, die für uns arbeiten, von klassischen Journalisten, aber darüber hinaus eben auch befreundete Künstler und Musiker, bei denen man merkt, die sind jetzt nicht nur im Atelier oder Proberaum, sondern denen brennt etwas auf der Seele, oft fällt uns das in deren Social-Media-Beiträgen auf.Dann fragen wir, ob wir das veröffentlichen können oder ob die Person das Thema mit uns zusammen tiefer angehen will. Das ist diese Wendigkeit, die ich bei Kaput sehr schätze. Wir sitzen eben nicht statisch in der Reaktion zusammen, gucken, welche Platte wann VÖ hat, um uns dann nur über diesen Blickwinkel Musik und Themen nähern zu können. Wir sind mittendrin in unserer Szene.

Auch wenn Kaput die geografische Herkunft nicht vor sich her trägt, ist das Magazin in Köln sehr präsent. Mit der angesprochenen „Talking Kaput“-Reihe etwa oder dem Off-Space „Kapute Szene“, den ihr kürzlich im Kwartier Latäng eröffnet habt. Wie wichtig ist es, vor Ort stattzufinden?

Volkmann: Was uns bei Popkultur oder Popjournalismus antreibt, ist, aus einer Innensicht zu schreiben, aus dem Diskurs selbst heraus, in dem man sich befindet. Da ist es ganz selbstverständlich, dass man jetzt nicht in der Redaktion sitzt und guckt, worüber der Guardian schreibt und ob vielleicht das Feuilleton der Zeit auch was dazu hat, sondern dass man wirklich an diesen Orten, an denen etwas passiert, mit den Leuten spricht.Das ist dann vielleicht auch eine Perspektive, die wir bei Kaput dem klassischen Feuilleton voraushaben.

Venker: Ich würde gar nicht sagen, dass wir das Unique-Selling-Momentum haben, dass wir mittendrin sind. Was uns interessiert, ist die Teilhabe an einem bestimmten popkulturellen Level. Mich interessiert weniger die Uber-Arena, mich interessieren kleinere Läden, in denen ich auch in andere Austauschprozesse – sowohl mit den Leuten, die dort hingehen, als auch mit den Künstlern – komme. Ich bin ganz klassisch sozialisiert mit Indie-Rock und Hardcore, später Techno. Und zwar auf Augenhöhe mit den Künstlern. Die Idee, dass man keine Dialogmöglichkeiten vor und nach Konzerten oder Clubnächten hatte, gab es damals nicht.

Im kommenden Jahr kehren Sie doch zu Print zurück. Das Kaput Magazin, so ist es geplant, wird halbjährlich auch in gedruckter Form erscheinen.

Volkmann: Das Printsterben, gerade im Kulturbereich, beherrscht zwar das Jahrzehnt, und genau wie mit Vinyl kann man vielleicht nicht mehr viel in der Breite erreichen. Aber wenn man die eigene Zielgruppe gefunden hat, kann man noch mal mit einem schönen Produkt stattfinden. Wir erhoffen uns damit aber auch, die Marke Kaput bekannter zu machen und neue Möglichkeiten für Kaput zu schaffen. Wir gehen da jetzt einfach mal rein.


Die Personen

Thomas Venker ist Mit-Herausgeber und Co-Chefredakteur des Magazins „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“, Betreiber mehrerer Labels für elektronische Musik und der Kunstedition „Edition Fieber“. Als Lehrbeauftragter unterrichtet er Musikjournalismus und Künstlermarketing an der Folkwang Universität der Künste, der Heinrich-Heine-Universität Düsseldorf und der Uni Paderborn. Er lebt in Köln.

Neben seiner Tätigkeit als Mit-Herausgeber und Co-Chefredakteur des Magazins „Kaput – Magazin für Insolvenz & Pop“ ist Linus Volkmann als Autor unter anderem für den Musikexpress tätig. Er betreibt die Podcasts „Komm Küssen“ und „Ausnahme der Rose“ und ist Autor zahlreicher Sachbücher. Volkmann lebt in Frankfurt.