Meine RegionMeine Artikel
AboAbonnieren

KI-Bild aus dem Weißen HausBußgang zum Geist in der Maschine

3 min
Macron und von der Leyen sitzen auf einem gefälschten KI-Bild auf Stühlen.

Schlecht gefälschte europäische Spitzenpolitiker im Weißen Haus

Eine plumpe KI-Fälschung, die die europäische Reisediplomatie karikiert, geht um die Welt - oder ist das schon surrealistische Satire?

Seit den Menschen in den 1950er Jahren erstmals die eigene Antiquiertheit bescheinigt wurde, hat die Technik derartige Fortschritte gemacht, dass man sich fragt, wie wir uns noch unter die Augen unserer Maschinen trauen. Computer können längst besser rechnen, Schach spielen oder Fahrzeuge lenken als wir, um nur die beliebtesten Beispiele zu nennen, und seitdem die künstliche Intelligenz dank Chat-GTP ganz kinderleicht geworden ist, schreiben sie auch die besseren Schulaufsätze.

Beim Fälschen von Bildern hat die neueste Technik allerdings noch Nachholbedarf, zumal in ungeschickten Händen. Vor einiger Zeit machte das Weiße Haus Schlagzeilen damit, dass es die (fiktive) Festnahme einer Migrantin im Stil des japanischen Trickfilmstudios Ghibli feierte – wie bei Millionen anderer Nutzer, die sich des gleichen Programms bedienten, kam allerdings nur ein schlechte (und obendrein geschmacklose) Kopie des Originals dabei heraus.

„Erniedrigt und beleidigt im Korridor des Weißen Hauses“

Aktuell kursiert auf X ein Bild, dessen Urheber wohl nicht das Weiße Haus ist (aber wer will sich da wirklich sicher sein), das aber scheinbar im Regierungssitz des US-Präsidenten aufgenommen wurde. Es zeigt den französischen Präsidenten Emmanuel Macron, EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen und die anderen europäischen Spitzenpolitiker, die zur Unterstützung des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj nach Washington gereist waren, in einem langen Flur – mit gesenkten Köpfen, aufgereiht wie Schüler, die auf eine Standpauke im Zimmer des Schuldirektors warten. Der Nutzer schreibt darüber: „Erniedrigt und beleidigt im Korridor des Weißen Hauses. Wartend auf ihren Herrn.“

Im Internet gibt es viele Anleitungen, wie man gute KI-Bilder erstellt. Und Millionen Beispiele, wie man es nicht machen sollte. Die gedemütigten Politiker auf dem Korridor der Trump'schen Macht gehören dazu. Man muss die Fehler nicht einmal suchen, wie auf dem berühmten Bild von Papst Franziskus im weißen Daunenmantel oder anderen „Deepfakes“, sie springen einem geradewegs ins Auge. Die Politiker tragen die „falsche“ Kleidung, sie sehen ihren Originalen teilweise nur entfernt ähnlich – und zwischen Macron und von der Leyen haben sich Hosenbeine ohne Oberleib gedrängt.

Mehrere Nachrichtenagenturen lieferten einen „Faktencheck“

Trotzdem wird diese plumpe Fälschung weiterverbreitet und offenbar von dermaßen vielen Nutzern für echt befunden, dass sich mehrere Nachrichtenagenturen zu einem „Faktencheck“ bemüßigt fühlten. Vergebliche Liebesmüh, möchte man meinen, denn „geglaubt“ wird dieses Bild wohl nicht wegen seiner Ähnlichkeit zur Wirklichkeit, sondern weil es die Vorstellungen der Betrachter bedient – oder erfolgreich eine symbolische Wahrheit für sich behauptet. Es karikiert die europäische Reisediplomatie in Sachen Ukraine als Bußgang von Schulbuben – die überzähligen Beine erheben die Satire ins Surreale.

Seit dem ersten Empfang Selenskyjs im Weißen Haus halten auch seriöse Beobachter für möglich, was früher ins Reich der Fantasie gehörte: ein US-Präsident, der sich als Mafiaboss gebärdet und weit gereiste Staatsgäste mit falsch deklarierten Bildern vorzuführen versucht. Als Friedrich Merz bei seinem Antrittsbesuch freundlich empfangen wurde, war er nach allgemeiner Meinung glimpflich davongekommen. Alternativ lässt sich der politische Bedeutungsverlust Deutschlands und ganz Europas nun auch am KI-Spottbild ablesen – und vermutlich steckt dahinter nicht einmal der russische Geheimdienst.

Wer den diplomatischen Schaden hat, braucht für die KI-Fälschung nicht mehr zu sorgen – die stellt sich in der heutigen Medienlandschaft umgehend als Virus ein. Einfangen lässt sich die Imitation ohnehin nicht mehr, wenn sie einmal in der Welt ist. Für einen Staatsmann wie Emmanuel Macron muss es zudem ein Schlag sein, dass dieses lumpige Bild von ihm herauskommt, wenn man KI die globale Summe seiner fotografischen Erscheinung ziehen lässt. Am Ende ist der Herr des Korridors nicht Trump, sondern der Geist in der Maschine.