Klassik-StatistikNur 14 Frauen unter den 100 meistbeschäftigten Dirigenten

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Dirigentin Elim Chan

Elim Chan, die derzeit gefragteste Dirigentin, war unter anderem 2023 bei den Salzburger Festspielen zu erleben.

Wo bleibt die Geschlechtergerechtigkeit in der klassischen Musik? Neue Statistiken zeigen langsame Veränderungen. 

Karl Nehammmer, Kanzler der Republik Österreich, jubelte auf der Plattform X: „Es gibt keinen schöneren Start ins neue Jahr als das #Neujahrskonzert der Wiener Philharmoniker.“ Andere Nutzer fragten hingegen: „Wann wird endlich eine Frau das Konzert dirigieren?“ Ist das Neujahrskonzert der Wiener typisch für den klassischen Musikbetrieb, wenn ein überwiegend männliches Orchester ausschließlich Stücke von männlichen Komponisten unter der Leitung eines Dirigenten spielt?

Anfang Januar veröffentlicht bachtrack.com, laut eigenen Angaben größte Online-Suchmaschine für Veranstaltungen klassischer Musik, ihre Statistiken für 2023. In diesem Jahr konnte die Plattform zudem die Daten der vergangenen zehn Jahre auswerten. „Durch die Zusammenstellung einer so großen Stichprobe sind wir in der Lage, statistisch signifikante Schlüsse über die Welt der klassischen Musik und die Veränderungen, die sie durchläuft, zu ziehen“, sagt bachtrack.com.

Die gute Nachricht: Es gibt Veränderungen, aber sie dauern. Unter den 100 meistbeschäftigten Dirigenten befanden sich nach Erkenntnis von bachtrack.com 14 Frauen. Vor zehn Jahren waren es nur vier. Doch die meistbeschäftigte Dirigentin, Elim Chan, schaffte es nicht unter die Top 20, die von Andris Nelsons, Klaus Mäkelä und Paavo Järvi angeführt wird.

Unter den 200 meistgespielten Komponistinnen finden sich 22 Frauen

Für das vergangene Jahr listete die Plattform 102 Orchester auf der ganzen Welt und konnte 95 Chefdirigenten ermitteln, davon waren lediglich sieben Frauen. Einige Spitzenpositionen bei bedeutenden Orchestern sind momentan unbesetzt. Gibt es also eine sogenannte Gläserne Decke für Frauen am Dirigentenpult? Sie kommen weit, doch nicht bis ganz nach oben?

Das scheint tatsächlich der Fall zu sein. Im September 2023 hat bachtrack.com eine Umfrage unter 14 weltweit führenden Musikkritikern durchgeführt. Sie sollten die zehn besten Orchester und Dirigenten auflisten. Die Ergebnisse decken sich mit dem, was auch die aktuelle Statistik der Plattform ausweist. Die Berliner Philharmoniker wurden nach dieser Umfrage mit weitem Abstand zum besten Orchester gewählt, ihr Chefdirigent Kirill Petrenko zum besten Dirigenten. Aber, so bachtrack.com, keine Dirigentin habe es geschafft, in die Top Ten zu kommen.

Am nächsten dran wären noch Susanna Mälkki auf dem zwölften und Joana Mallwitz auf dem 14. Platz gewesen. „Die Welt der klassischen Musik entwickelt sich weiter, aber Veränderungen geschehen nicht über Nacht.“ Allerdings waren nur zwei Frauen unter den 14 Personen, die als führende Musikkritiker ausgewählt wurden.

Im Jahr 2023 waren 22 der 200 meistgespielten Komponisten Frauen. Das mag nach nicht besonders viel klingen, doch vor zehn Jahren waren es nur zwei. Unter den Top Ten der meist aufgeführten lebenden Komponisten befinden sich auf den Plätzen sieben bis zehn vier Frauen: Sofia Gubaidulina, Caroline Shaw, Unsuk Chin und Anna Clyne. Auf Platz eins wird US-Komponist John Williams, auf Platz zwei der Estländer Arvo Pärt geführt. (kna)

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