Ironische BuhrufeDie Ärzte lästern beim Konzert in Köln über Kölsch

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Farin Urlaub steht auf der Bühne und singt.

Farin Urlaub beim Auftritt der Ärzte im Palladium.

Die Ärzte lästern beim ersten von zwei Köln-Konzerten über Kölsch und Leute, die nicht wissen, was ein Walkman ist. Eine Konzertkritik.

Um Punkt 20.00 Uhr fällt der schwarze Vorhang, zum Vorschein kommt die selbsternannte beste Band der Welt, die drei Musiker beim ersten Song unter Lichtspots, die ein wenig aussehen wie Schwimmbadduschen. Die Ärzte spielten am Samstag das erste von zwei ausverkauften Konzerten im Kölner Palladium.

Ein Auftritt von Farin Urlaub, Bela B und Rodrido Gonzales lässt auch unweigerlich die Frage aufkommen: Ist das noch Punkrock? Drei alternde Musiker der Boomer-Generation, die sich am Samstagabend darüber lustig machen, dass die jungen Leute ja gar nicht mehr wissen, was ein Walkman ist. Die genervt darum bitten, die Handys in den Taschen zu lassen und den Moment ohne Videoaufnahmen zu genießen.

Drei, von denen manch ein früher Song („Geschwisterliebe“) auf dem Index landete, und die inzwischen in der Tagesschau auftreten. Musiker, die kommerziell extrem erfolgreich sind und „auch noch die Plätze vor der Halle verkaufen könnten“, wie Farin Urlaub sagt.

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Bela B sitzt am Schlagzeug und singt.

Bela B am Schlagzeug.

Früher seien sie punkiger gewesen, werfe man ihnen vor, sagt er. „Stimmt“, fügt er hinzu. Es ist kein exklusives Phänomen des Punks, die Szenezugehörigkeit zu hinterfragen, aber ein besonders häufiges. Das ist nervig, dem Publikum im Palladium aber auch ziemlich egal: Das feiert die Ärzte, egal ob Rock, Pop oder Punk. „Bremen war lauter“, beschwert sich Farin Urlaub. „Potsdam, Berlin, Oberhausen waren lauter!“ Das Kölner Publikum will das nicht auf sich sitzen lassen und schreit und jubelt und grölt.

Ärzte-Konzert in Köln: Buh-Rufe aus dem Publikum

Und doch hallen irgendwann Buh-Rufe durch die Halle. Okay, sie sind mehr ironisch als böse gemeint. Der Auslöser: Ob es in Köln jemals Bier gegeben habe, fragt Farin Urlaub. Und später stellt er Rodrigo Gonzales als den Mann vor, der „durch das Hinzufügen erheblicher Mengen Wasser das Kölsch erfunden hat“ – der Witz will nicht so recht zünden, auf ihr Kölsch lassen die Kölnerinnen und Kölner eben nichts kommen. Sehr wohl zünden vor allem die großen Hits der Band „Deine Schuld“, „Junge“ und „Schrei nach Liebe“ – die Show ist aber trotzdem kein bloßes Best-Of, fehlen doch Lieder wie „Westerland“ und „Lasse redn“.

In den zweieinhalb Stunden spielen die Berliner Altes und Neues, „Sommer, Palmen, Sonnenschein“ als Tourpremiere und das noch nicht so oft live gespielte „Leben vor dem Tod“ im ersten Zugabenblock. Die Ballade ist ein wunderbarer, emotionaler Moment, einer der schönsten des Abends. Nur Farin Urlaub und seine Gitarre im Gegenlicht der Scheinwerfer am Rande der Bühne sitzend, lässt er das andächtig still gewordene Publikum kurz zu Atem kommen.

Rodrigo Gonzales im Anzug am Bass.

Bassist Rodrigo Gonzales – der Mann, der angenblich das Kölsch erfand.

Laut können alle, eine Ballade mit der richtigen Dosis Kitsch – im positivsten Sinne gemeint – gelingt nur wenigen. „Leben vor dem Tod“ ist so eine gelungene Ballade. Nach etwa vierzig Jahren Bandgeschichte wissen die Ärzte wie es geht (der gleichnamige Song „Wie es geht“, ebenfalls auf der Setlist, ist wohl einer der schönsten deutschen Liebeslieder überhaupt!), sie stehen absolut routiniert auf der Bühne, was den Auftritt streckenweise fast schon etwas müde erscheinen lässt.

Ärzte im Palladium: Schlechte Akustik macht Bela B schwer zu verstehen

Ein Dämpfer außerdem: Die Akustik macht es zu Beginn äußerst schwierig, Bela B zu verstehen. Das besserte sich dankenswerterweise im Laufe der Show deutlich. Zwischendurch immer wieder kurze Ansprachen ans Publikum und Plauderei untereinander; das sympathische Geplänkel zwischen Farin Urlaub und Bela B lässt die Zwei wirken wie ein altes Ehepaar. Eine Wall Of Death bei „Junge“ markiert das Stimmungshoch am Samstagabend. Das humorvolle Meckern der Ärzte zu Beginn scheint sich jedenfalls gelohnt zu haben: „Köln, ihr wart vielleicht die Besten“, ruft Bela B – man darf mutmaßen, dass er das jeden Abend sagt.

Ist das denn nun noch Punkrock? Ist doch egal: Die Ärzte machen Spaß, und das zweieinhalb Stunden lang. Dann verlassen Farin Urlaub, Bela B und Rodrigo Gonzales zum letzten Mal nach einer kurzen Verabschiedung die Bühne. Das „Schlaflied“ schickt die Fans in die laue Sommernacht. Vor dem Palladium schallt aus einer Musikbox „Das Lied vom Scheitern“ – das Konzert hätte auch noch länger dauern dürfen.

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