Bisher war Addison Rae vor allem auf TikTok ein Star. Diesen Sommer hat sie ihr Debütalbum veröffentlicht und ist zum Popstar geworden - ein Konzertbesuch im Kölner Palladium.
Gen-Z Star Addison Rae in KölnAll der unbeschwerte Glitzer

Addison Rae 2024 bei den MTV Video Music Awards.
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„Mein Leben bewegt sich schneller als ich“, singt Addison Rae in ihrem Song „Times Like These“ - und das Kölner Palladium singt euphorisch mit. Tatsächlich hat sich Addison Rae als öffentliche Persönlichkeit erstaunlich schnell gewandelt. 2019 nahm sie ihre ersten Tänze für Tiktok auf, mit 88 Millionen Followern ist sie nun eine der größten Influencerinnen überhaupt. Doch spätestens seit ihrer aktuellen Tour ist die US-Amerikanerin vor allem Popstar.
Dabei schien der Wechsel von Tiktok ins Musikgeschäft nicht immer so einfach. Nach vier Jahren Influencer-Karriere versuchte Rae 2023, sich mit Musik ein zweites Standbein aufzubauen, doch ihr erster Song „Obsessed“ floppte: Teilweise zählten Musikblogs ihn zu den schlechtesten Songs von Influencern aller Zeiten. Rae bekannte öffentlich, danach habe sie überlegt, mit der Musik aufzuhören.
Souverän trotz weniger Showerfahrung
Doch mittlerweile ist sie tatsächlich ein Star. Die Musikerin Charli XCX, bekannt unter anderem durch die „Brat“-Alben, produzierte zusammen mit Rae mehrere Songs. Mit dem Hit „Diet Pepsi“ etablierte die Tiktokerin sich dann in der Popwelt und beeindruckte in diesem Sommer mit ihrem Debütalbum „Addison“, das ausschließlich Frauen geschrieben und produziert haben.
Das brachte sie nun nicht nur in Köln, sondern auch in den USA, Südamerika, Europa und Australien auf die Bühne. Die auf dem Album teils ruhigere, sanft dahin schwebende Musik verwandelte sie live in basslastige Partykracher. Die euphorisierten das Gen-Z-Publikum und passten zur energiegeladenen Konzertatmosphäre.
Obwohl es ihre erste große Tour ist, tritt Rae souverän und überzeugend auf. Ihre Tanzperformance sitzt, alles wirkt elegant und dynamisch durchgeplant.
Valley-Girl mit einem Augenzwinkern
Mit knappem Glitzerkleid und Headsetmikro knüpft sie nicht nur musikalisch, sondern auch in der Umsetzung direkt an die Ära von Britney Spears an. Lustig und nur halbironisch spielt die 24-Jährige mit dem Bild des „all-american girl“. Sie überschüttet das Kölner Publikum mit Liebesgeständnissen und schwärmt nicht ganz glaubwürdig: „Das war das beste Konzert meiner ganzen Show.“
So spielt sie mit der Rolle des stets netten, braven, aber auch irgendwie anzüglichen amerikanischen Mädchens. Auch ihre Texte sind zumeist von aufreizender Oberflächlichkeit, es geht um Liebe und Ruhm, immer mit einem Augenzwinkern präsentiert. Doch ihre Referenzen zeigt sie offen. Im Song „Money is Everything“ nennt sie die Reihe ihrer Vorbilder: „Bitte DJ, spiel Madonna – ich will mit Lana kiffen, mit Gaga high sein.“
Rae performt viel und singt weniger
Als Kontrast zu all dem unbeschwertem Glitzer wirkt das Bühnenbild ungleich dramatischer. Ein düsteres Gittertor mit einem großen eingravierten „A“, darüber ein prunkvoller Kronleuchter. Die Show beginnt, als Addisons Tänzer das Tor öffnen und endet als der Kronleuchter erlischt, eine Wand aus der Decke sprühenden Funken die Bühne erfüllt und sich das Tor wieder schließt.
Diese Inszenierung sitzt, wie Rae mit Klischees spielt, ist unmittelbar mitreißend und auf einer tieferen Ebene distanziert und selbstbewusst.
Ihre bisher noch sehr kurze Erfahrung mit dem Musikerleben bemerkt das Publikum höchstens an der sehr kontrollierten, wenig spontanen Show. Nach gut einer Stunde Konzert kündigt Rae vor den zwei letzten, von der Menge begeistert erwarteten Liedern an, ihren Auftritt nun zu beenden. Doch statt ihren Fans Zeit zum Ausrasten zu lassen, macht sie sofort weiter – und nach dem letzten Song ist dann sofort Schluss. Tor zu, der Star verschwindet von der Bühne.
So hat die Addison Rae ihre Stärken klar eingesetzt: Sie bietet eine tanzlastige Popshow, ihre Songs dagegen werden vom Playback getragen. Auf das Publikum lässt sie sich nur zweimal richtig ein: Als sie für ihre Coverversion des „Brat“-Klassikers „Von Dutch“ zwei Fans zum Mitsingen auf die Bühne holt und die ganze Halle ohrenbetäubend mitschreit.
Und als sie eine Addison-Rae-Puppe entdeckt, die ein Fan selbst gemacht hat und ausdauernd über seinen Kopf hält, während er mittanzt. Diese spricht sie begeistert an, woraufhin die Menge die Puppe fröhlich kreischend von Fan zu Fan bis auf die Bühne wirft. Rae bedankt sich überschwänglich. Und am nächsten Morgen sehen Rae-Begeisterte auf Tiktok, wie der Popstar in Köln im Bademantel, mit der Puppe im Arm Kusshände an kreischende Fans wirft und sich so von der letzten Station der Europatournee verabschiedet.