Jazz-Saxofonist totGerd Dudek war eine Kölner Legende

Der Kölner Saxofonist Gerd Dudek
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Köln – In der Rückschau klingt Gerd Dudek gar nicht so „free“, wie man ihn immer mal wieder etikettierte. Zwar ist sein Name eng mit Free-Jazz-Ensembles wie dem Manfred Schoof Quintett oder dem Globe Unity Orchestra verbunden, die Mitte der 1960er-Jahre die Form- und Klangsprachen im Jazz schredderten und die „Utopie einer befreiten Musik“ (Bernd Alois Zimmermann) zelebrierten.
In diesem Sinne ist Dudek tatsächlich ein unberechenbarer, entfesselter Avantgarde- und Improvisationskünstler, doch die Freiheiten, die er sich herausnahm, waren nie selbstbezogen, dienten vielmehr uneitel einer dem Kollektiv verpflichteten Struktur, einem kompositorisch stringenten Grundgedanken sowie einer seelenvollen Klangerforschung, weniger „free“ als befreit.
So leuchtet hinter seiner virtuosen Zwiesprache mit Trompeter Manfred Schoof auf dem epochalen Album „Voices“ (1965) oder seinen rauen Einwürfen in der brodelnden Ad-hoc-Session „Nunc!“ des Pianisten Misha Mengelberg im Loft 2011 dieselbe erhabene Schönheit auf, die seine famose Hommage auf John Coltrane auszeichnet.
John Coltranes melodisches Schwelgen
Genießerisch atmet Dudek im Quartett mit Martin Sasse, Martin Gjakonovski und Hendrik Smock Coltranes melodisches Schwelgen, um daraus am Ende doch seine ganz eigene, persönliche Musiksprache zu schöpfen. Eine Ballade wie „Every Time We Say Goodbye“ spielt Dudek vor allem wie: Gerd Dudek.
Geboren am 28. September 1938 nahe Breslau, kam Dudek 1961 mit 23 Jahren nach Köln zum Orchester Kurt Edelhagen. Zeitgleich spielte er in der Helmut-Brandt-Combo, wo Manfred Schoof auf ihn aufmerksam wurde. So stieß er zum Kreis um Schoof und Pianist Alexander von Schlippenbach, die am Jazz-Seminar der Kölner Hochschule für Musik unter Edelhagen und Bernd Alois Zimmermann studierten, sich bei Gigi Campi auf der Hohe Straße, im „Storyville“ am Ring und im „Kintopp Saloon“ an der Zülpicher Straße herumtrieben und sich zu Sessions zusammenfanden.
Kölner Avantgarde mit dem Manfred Schoof Quintett
Als im Herbst 1965 Bassist Johannes „Buschi“ Niebergall und Schlagzeuger Hans „Jacki“ Liebezeit hinzukamen, war dies die Geburtsstunde des revolutionären Manfred Schoof Quintetts: Die Ideenschmiede der Kölner Avantgarde wurde zum Startschuss für eine weltweit neue Ära.
Bis ins hohe Alter begeisterte Dudek mit seinem Spiel. Oft war er in Konzerten zu hören, die als Hommage an musikalische Weggefährten konzipiert waren, so 2018 beim Tribut an Jaki Liebezeit in der Kölner Philharmonie. Zum eigenen 80. Geburtstag freute er sich still und bescheiden über sein eigenes Festkonzert, das ihm sein Quartett, Paul Heller und Manfred Schoof ausrichteten.
Frei und entspannt, pur, intim, geradezu anrührend aufrichtig erlebte man ihn noch im Juni in der Zentralbibliothek: Zur Präsentation eines neuen Gedichtbands der jazzbegeisterten Lyrikerin Ingeborg Drews spielte er, begleitet von Gitarrist Hagen Dorn, Standards wie „The Shadow of Your Smile“, „God Bless The Child“ und „Nature Boy“, unaufgeregt, makellos, befreit von allem Überflüssigen.
Mit Ingeborg Drews war er 60 Jahre lang befreundet, zu seinem 70. Geburtstag widmete sie ihm, dem „weisen und stillen Dudek“, ein Gedicht: „The one and only Bloosek / say incomparable Dudek / has his horn / never torn / nor his mind / in behind.“
Gerd Dudek starb am 3. November im Alter von 84 Jahren.