Kölner KirchenEine Herausforderung in Beton

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Die Baugrube gibt den Blick auf die Kirche Johannes XXIII. an der Ecke Berrenrather Straße/Universitätsstraße frei.

Die Baugrube gibt den Blick auf die Kirche Johannes XXIII. an der Ecke Berrenrather Straße/Universitätsstraße frei.

Köln – Mit dem Schrecken davongekommen – so ließ sich  das Gefühl der Mitarbeiter der Katholischen Hochschulgemeinde (KHG) in Köln-Sülz Ende Januar beschreiben, als eine Fliegerbombe halb Sülz lahm legte. Auch das Unicenter musste geräumt werden, denn direkt gegenüber auf der anderen Seite der Universitätsstraße lag der Fünf-Zentner Sprengkörper. Auf dem Gelände des Erzbistums Köln, das hier mit dem Bau des neuen Berufskollegs begonnen hatte.

Nach der erfolgreichen Sprengung schrieben die unmittelbar betroffenen KHG-Mitarbeiter im Kurznachrichtendienst Twitter erleichtert: „Alles ist gut, die Bombe ist gesprengt, auf den ersten Blick gab es keine Schäden. Das ging ja woanders auch schon anders aus...“

In den folgenden Tagen schaute ganz Köln auf die Baugrube, in der ein Baggerfahrer den gefährlichen Fund freigelegt hatte. Und mit dem Blick über die Grube rückte auch ein Gebäude in den Fokus, das außer den Sülzern bislang die wenigsten richtig wahrgenommen hatten: Das „Betongebirge“ der Kirche Johannes XXIII. wächst am Rand der Baustelle empor. Der Mittelpunkt der Hochschulgemeinde lässt so gar nicht an einen Sakralbau denken. Die Sichtbetonelemente türmen sich scheinbar wüst übereinander gestaffelt in die Höhe, einiges bröckelt und ist mit grünlichem Moos überzogen.

„Architektur, die nicht einfach ist“

Die Reaktionen auf das Gebäude sind sehr gespalten, viele Kölner äußerten sich ablehnend. „Warum reißt man dieses schauderhafte Ding nicht gleich mit ab? Kirche würde ich sowas nicht nennen“, schrieb beispielsweise ein User im Online-Forum des „Kölner Stadt-Anzeiger“.

Michael Brandt, Pastoralreferent an der KHG, gibt zu: „Von außen ist das eine Architektur, die nicht einfach ist.“ Aber das sei so gewollt vom Architekten, dem Bildhauer Josef Rikus, der die Kirche in den späten sechziger Jahren entwarf. Dass sie von einem Künstler stammt, ist nachvollziehbar, denn sie erinnert eher an eine riesige Plastik als an ein Gebäude. Aggressiv und abstoßend könnte man das nennen, oder in den Worten von Brandt: „Diese Kirche fordert einen, sie ist sperrig und als Fremdkörper angelegt“, sagt der Pastoralreferent, und seine Worte lassen Raum für Interpretation, ob er sich wirklich nur auf das Gebäude bezieht.

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Wie anders ist der Eindruck, der sich demjenigen eröffnet, der durch den wuchtigen und wehrhaften Beton hindurch den Weg ins Innere der Kirche gefunden hat. Warmes Licht fällt durch das Buntglas der Scheiben auf den erdigen Klinkerboden.  Bestuhlung, Altar, Lesepult und Tabernakel sind einheitlich aus rötlichem Holz gefertigt. Selbst der hellgraue Beton erscheint freundlich, lädt zum Anfassen ein. Hier erschließt sich das im wahrsten Sinne des Worte tragende Konzept von Erbauer Josef Rikus: Eine Baumgruppe mit vier mächtigen Stämmen wächst aus der Raummitte in die Höhe. An ihr scheint der ganze Kirchenraum zu hängen. Hier ist nichts nüchtern und zweckmäßig, das Baum-Motiv mit seiner mächtigen Krone und den vielen Verästelungen darf sich frei entfalten.

Betonkirchen sind gefährdet

Die KHG-Mitarbeiter lieben ihre Kirche, die wie ein Fels in der Brandung des Verkehrslärms an der Kreuzung Universitätsstraße/Berrenrather Straße liegt. „Wir hatten Angst, dass bei der Bombensprengung durch die Druckwelle alle Scheiben zu Bruch gehen“, erinnert sich Haustechniker Olaf Offermanns und zeigt auf den Fundort auf der anderen Seite der Baugrube, in der inzwischen das Kellergeschoss des Berufskollegs entsteht. Jede kleine Buntglas-Scheibe, die ersetzt werden muss, kostet 300 bis 500 Euro.

Die eigentlich bedrohliche Sprengkraft für Johannes XIII. und andere Betongebäude aus den 60er und 70e Jahren geht nicht von Bomben aus, sondern liegt in ihrem Innern. Beton wirkt zwar zunächst solide, kann aber im Laufe der Zeit Schäden nehmen, die nur schwer zu beheben sind. Am Gebäude der KHG ist dies zusehen: Abgeplatzte Stellen weisen darauf hin, dass die Eisen-Armierung rostet, da sie mit Regenwasser in Kontakt gekommen ist.

Bei der geplanten Sanierung des Gebäudes, das derzeit unter Denkmalschutz gestellt wird, wird finanziell einiges auf das Erzbistum zukommen. „Alte Putzfassaden können sie problemlos wiederherstellen, bei einer Sichtbetonfassade ist das schwieriger“, erklärt Stadtkonservator Thomas Werner. Ist das Stahlgerippe nicht mehr luftdicht eingeschlossen, dringt Feuchtigkeit ein, das Metall korrodiert und dehnt sich aus, der Beton wird gesprengt. Das macht auch den teilweise „schäbigen“ Eindruck aus, der gern den architektonischen Wert der Betongebäude überdeckt.

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Für die Denkmalpflege sind dies neue Herausforderungen, denn erst allmählich werden die Bauten der 60er und 70er Jahre in die Denkmalliste aufgenommen. Das gilt für das markante Hörsaalgebäude der Universität, aber auch für weitere Wohn- und Bürohäuser in Köln. Auch die Musikhochschule wäre denkmalwürdig, findet Werner.

Der Stadtkonservator weiß, dass diese Ansicht in der Bevölkerung oft nicht auf Gegenliebe stößt. „Diese Architekturepoche wird eher schlecht bewertet. Die 50er Jahre sind sicherlich charmanter“, kann der Experte das zumindest teilweise nachvollziehen. „Die Krux ist: Die Denkmalpflege legt keine ästhetischen Maßstäbe an, sondern hat einen festen Katalog an Kriterien“. Dazu gehört beispielweise, dass die Bauten beispielhaft für eine bestimmte Bauepoche sind oder bestimmte gesellschaftliche Entwicklungen widerspiegeln.

Im Vergleich zu Bürobauten ist der Wert der Kirchen aus dieser Zeit besser vermittelbar. Sie sind ästhetisch ansprechender als nüchterne Zweckgebäude. Die Identifikation der Gemeinde mit ihrem baulichen Mittelpunkt schützt sie außerdem eher vor Überformung als Zweckbauten.

Neben Johannes XXIII. gibt es in Köln eine Reihe weiterer Betonkirchen, die größtenteils schon seit Jahren unter Denkmalschutz stehen. Besonders bei den Werken des großen Gottfried Böhm scheint dies nie in Frage gestanden zu haben. So wurde die Johannes der Täufer, Kirche der Universitätsklinik, bereits 2001 in die Denkmallisten aufgenommen. Der markante Bau von St. Gertrud in der Krefelder Straße folgte 2006, und auch Christi Auferstehung in Lindenthal vom Beginn der 70er Jahre ist geschützt.

Viele Kirchen entstanden in dieser Zeit auch im Rahmen des Siedlungsbaus, wenn die gesamte Infrastruktur aus einem Guss entworfen wurde. Die Auferstehungskirche in Buchforst ist ein Beispiel dafür. Der markante dreieckige Bau steht bereits seit 1992 unter Schutz.  Wie St. Gertud auch wird er nicht mehr rein kirchlich genutzt, sondern dient als Begegnungsstätte im Stadtteil. Die Kirche Christi Verklärung in Köln-Heimersdorf ist zum Bedauern des Stadtkonservators inzwischen nicht mehr im Originalzustand. „Möglicherweise können die Platten aber abgenommen werden“, heißt es beim Stadtkonservator. Dann wäre auch dieses Gebäude denkmalwürdig und könnte die Liste der erhaltenswerten Kölner Betonkirchen ergänzen.

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