Kölner KunstszeneKulturtipps für den März von Leonie Pfennig

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Leonie Pfennig trägt einen pinken Pullover und steht vor einer Wand mit Graffitis.

Leonie Pfennig, Kunstwissenschaftlerin, Autorin und Gründerin von "And She Was Like: BÄM!"

Wofür lohnt es sich im März vom Sofa aufzustehen? Zu Beginn jedes Monats geben uns Insider aus der Kölner Kulturszene Ausgeh-Tipps und erzählen davon, was sie begeistert und wie sie die Stadt erleben.

Auch wenn Köln natürlich viel kleiner ist als andere Kunst-Zentren wie zum Beispiel Berlin – das Niveau ist sehr hoch, sowohl an den Institutionen als auch bei den Galerien. Und ganz anders als in Berlin ist die Kunstszene hier sehr offen. Es ist ganz normal, dass die Kuratoren vom Museum Ludwig auch bei einer Galerien-Eröffnung vorbeigehen und mit Künstlerinnen ins Gespräch kommen.

Ich komme zwar aus dem Rheinland – aus Bonn –, habe aber in Berlin unter anderem Kunstgeschichte studiert und habe dort auch nach dem Studium noch ein paar Jahre gearbeitet. Bis ich für einen Job am Museum Ludwig nach Köln gekommen bin – ich war dort für drei Jahre Pressesprecherin.

Aus der Sicht der Kunstszene würde man Köln nicht allein betrachten – da gehört immer auch Düsseldorf und Bonn dazu. Und es ist selbstverständlich, auch mal nach Aachen oder Mönchengladbach ins Museum zu fahren. Jede Stadt einzeln wäre zu klein, um eine bedeutende Szene aufzubauen. Und die Kunstszene hat zum Glück gemerkt, dass es viel mehr bringt, wenn man sich da zusammentut.

Die Kunstszene hat zum Glück gemerkt, dass es viel mehr bringt, wenn man sich zusammentut
Leonie Pfennig

Nach der Wende sind zwar viele Kölner Kunstschaffende nach Berlin gezogen. Aber hier gibt es immer noch eine lebendige und historisch gewachsene Kunst- und vor allem Sammlerszene. Dass man sich Ausstellungen anschaut oder zur ArtCologne geht – das haben viele schon von zu Hause mitbekommen. Gleichzeitig gibt es auch neue, junge Galerien. Da passiert gerade ziemlich viel. Die Galerie Echo zum Beispiel ist ein Zusammenschluss von Galerien aus Athen, New York und Warschau. Die haben sich jetzt extra in Köln einen Showroom gemietet – und das hätten sie genauso gut in Berlin oder Brüssel tun können.

Viele denken immer noch, dass die Galerienszene ein professioneller Raum ist, wo man nichts zu suchen hat. Aber die Galerien sind eigentlich super froh, wenn Leute kommen, auch wenn sie gar nicht dran denken, irgendwas zu kaufen. Deswegen kann ich nur sagen: Mut zur Galerientour!

Was mich auch sehr interessiert, sind kollektive Formen – also wenn sich mehrere Leute zusammentun und einen Projektraum machen. Zum Beispiel gibt es in Deutz das Kunstwerk, das auch ein Atelier-Standort ist mit dem Ausstellungsraum Lore Deutz. Das Programm wird von einem neuen Team aus vier Künstlerinnen und Künstlern kuratiert. Das lohnt sich auf jeden Fall, da mal vorbeizuschauen.

Ich mag auch das Museum Ludwig sehr gerne – aber da bin ich natürlich voreingenommen, weil ich da gearbeitet habe. Auch um nur in die Sammlung zu gehen – also auch wenn gerade gar keine große Sonderausstellung ist, ist das schon wirklich sehr besonders. Wenn ich Besuch bekomme, empfehle ich auch immer das Kolumba-Museum. Das ist sowohl architektonisch ein ganz besonderer Ort. Aber auch diese Zusammenstellung von mittelalterlicher und christlicher und zeitgenössischer Kunst ist sehr einzigartig.

Es ist ja der Ruf der Stadt, dass alles hässlich und verbaut ist. Aber es gibt hier super tolle Architektur – gerade auch aus den 1950er und 60er Jahren. Zum Beispiel die Kirchen von Gottfried Böhm: Sankt Gertrud im Agnesviertel oder Christi Auferstehung in Lindenthal – das ist wie eine begehbare Skulptur.

Ein Problem in Köln ist fehlender Raum für nicht kommerzielle Kultur
Leonie Pfennig

Empfehlen kann ich auch die Projekträume am Ebertplatz – was die da schon so lange mit so einer Energie und Optimismus machen – das ist wirklich sehr bemerkenswert. Da hat sich sehr viel getan in den letzten Jahren, um den Platz auch zugänglicher zu machen.

Ein Problem in Köln ist fehlender Raum für nicht kommerzielle Kultur. Es gibt definitiv zu wenig Ateliers, oder sie sind zu teuer. Es gibt so viel Leerstand – ob jetzt in der Hohe Straße oder auch auf der Neusser Straße. Aber es ist quasi unmöglich, Zwischennutzungs-Konzepte zu machen. Dass man mal einen Projektraum oder eine Galerie für ein halbes Jahr bespielt und dass das städtisch gefördert wird. Das finde ich schade, dass da nicht flexibler gedacht wird – es gibt da eigentlich viel Potenzial.

Langer Donnerstag:

Am 1. Donnerstag im Monat haben alle Kölner und Kölnerinnen freien Eintritt in die Städtischen Museen. Im Museum Ludwig wird dazu immer noch ein Programm konzipiert mit Konzerten, Gesprächen, Filmen oder besonderen Führungen, und das bis 22 Uhr. Im März kann man bei der Gelegenheit die neue Ausstellung der surrealistischen Malerin Ursula sehen.

Artothek

Mitten in der Stadt und oft übersehen liegt die artothek. Ein Ausstellungsraum für junge Kunst und Bibliothek für Kunst. Dort kann sich jeder Kunstwerke für zu Hause ausleihen, zu sehr fairen Gebühren. Im März eröffnet die nächste Ausstellung mit Papierarbeiten von Bärbel Messmann.

Temporary Gallery

Die „Tempo“, wie sie in der Kunstszene genannt wird, ist ein Raum für zeitgenössische internationale Kunst und eine feste Größe in der Kölner Kunstlandschaft. Die aktuelle Ausstellung „Unruly Kinships“ behandelt alternative Modelle von Verwandtschaften jenseits der klassischen Kernfamilie in einer viele Medien umfassenden Präsentation.

Galerientour durchs Belgische Viertel

Ich starte gerne auf der Jülicher Straße, da sind mehrere sehenswerte Galerien: Echo, Galerie Koshbakht, Natalia Hug und DREI, und um die Ecke Jan Kaps und Clages. Dort läuft grade die Gruppenausstellung „Interior Acts“, wo es um den Innenraum als Zuhause und als Spiegel der inneren Persönlichkeit geht.

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