Kölner PhilharmonieOsterprogramm ohne Bachs Passion

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Das Gürzenich-Orchester in der Totalen. Das Orchester spielt in der Kölner Philharmonie, der Dirigent hat die Arme erhoben.

Das Kölner Gürzenich-Orchester

Das Kölner Klassikprogramm zu Ostern ließ Bachs Passion vermissen. Stattdessen spielte das Gürzenich-Orchester in der Philharmonie Telemann, Bach und Pergolesi. 

Musikalisch verbinden sich die Wochen vor Ostern traditionell mit gehäuften Aufführungen der beiden großen Bach-Bassionen. Damit indes sah es in diesem Jahr zumindest in der Kölner Philharmonie mau aus, und auch das Gürzenich-Orchester, das immerhin unter Markus Stenz die historische Gewohnheit einer entsprechenden Darbietung im Jahreswechsel aktiviert hatte, ging in seinem Karfreitagskonzert anno 2023 – wieder einmal – einen anderen Weg. Das ist nicht grundsätzlich zu tadeln, wenngleich an die Gewalt der Bachschen Musik so schnell nichts herankommt – selbst wenn man sie schon hundertmal gehört hat.

Der Vergleich drängt sich zumal dann auf, wenn die Agenda die nämliche Epoche aufsucht: die Barockzeit. Bach kam mit seiner Bass-Kantate „Ich habe genug“ (hier in der Umschrift für Sopran) sogar ebenfalls „dran“ –     und die Arie „Schlummert ein, ihr matten Augen“ ist ob der Intensität der Erfindung den besten Sätzen in den Passionen ebenbürtig.

Ostern in der Kölner Philharmonie mit Pergolesi, Telemann und Bach

Allemal hörenswert war – und ist – auch das Hauptwerk des Abends, Pergolesis „Stabat mater“, und sogar die einleitende Alt-Kantate „Der sterbende Jesus“ aus der Feder des Vielschreibers Telemann. Die vorgeschaltete Ouvertüre zu dessen Matthäus-Passion von 1754 klingt sogar nach Bach, genauer: nach dessen berühmtem Air, dessen absteigende Basslinie auch Telemanns Beginn auszeichnet.

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Nun ist das (hier in Kammerbesetzung aufspielende) Gürzenich-Orchester von Haus aus kein Barockensemble. Die Musiker hatten sich aber offensichtlich vom gastweise amtierenden Konzertmeister, dem einschlägig ausgewiesenen französischen Geiger Julien Chauvin, in Sachen barocker Klangrede briefen lassen. Das tönte im Ergebnis immer noch nicht wie Concerto Köln, zumal man auf modernen Instrumenten spielte. Aber Artikulation und Phrasierung, Akzentschärfungen und Vorhaltsbildungen zeigten eine deutliche Annäherung an das ungewohnte Metier. Viel Gutes für die atmosphärische Verdichtung taten die Bläsersolisten, die beiden Oboen und vor allem, bei Bach, die Querflöte.

Sängerinnen Mojca Erdmann und Catriona Morison nicht im Barock zuhause

Die formidablen Vokalsolistinnen, die Sopranistin Mojca Erdmann (die vor etlichen Jahren an der Kölner Oper die Pamina darstellte) und die schottische Altistin Catriona Morison, sind von Haus ebenfalls nicht in Barockland zuhause. Das hört man auch: am Vibrato, an der Stimmführung und -färbung. Und wenn Erdmann bei Pergolesi immer mal wieder die Opernbühne betrat (gar nicht allerdings in der Bach-Kantate, wo die „Schlummer“-Aufforderung in besagter Arie sehr suggestiv geriet und die Koloraturen im abschließenden Satz eher zu weich kamen), dann mochte dies das Missfallen von Puristen finden. Allerdings war Pergolesi nun mal Opernkomponist, und die Vermutung, dass er diese Orientierung auch in seine berühmte Passionskomposition einbrachte, ist nicht gerade abwegig.

Für Stileigenwilligkeiten konnten aber bei beiden Sängerinnen allemal Schönheit und Wohllaut der Stimmen entschädigen, die exzellente Verschränkung der Register, die Fülle im Sotto voce. Und das Miteinander im „Stabat mater“ mit seinen Terzen und Sekundreibungen gelang in schönster Homogenität, ganz ohne primadonnenhaften Kampf um die Palme.

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