Kölner PhilharmonieWie mich Anja Harteros in süße Seligkeit versetzt hat

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Opernsängerin Anja Harteros

Opernsängerin Anja Harteros

Köln – Manchmal muss auch ein Rezensent die Segel der Kritik streichen und entwaffnet den Tatbestand des eigenen Verzaubertseins eingestehen. Der Schreiber dieser Zeilen bekennt, jetzt beim Auftritt von Anja Harteros im Kölner Konzert der Münchner Philharmoniker ein Opfer solch psychedelischer Transformation geworden zu sein.

Die Sängerin, die als Bergneustädterin in der Philharmonie sozusagen ein Heimspiel hatte, zeigte sich anlässlich von Alban Bergs sieben frühen Liedern (in den vom Komponisten erstellten Orchesterfassungen) auf jener technischen und musikalischen Gipfelhöhe, die beim Hörer eine erfüllte, nicht mehr steigerungsfähige Seligkeit zurücklässt.

Nicht, dass die gefeierte Sopranistin nur „schön“ singt. Das tut sie in jeder Hinsicht: Die Höhen und Spitzen erheben sich organisch und unforciert aus einer satten und sehr sinnlichen Mittellage, die noch bis in die letzten Reihen des philharmonischen Runds problemlos trägt. Nirgendwo gibt es auch nur die Anwandlung einer schrillen Schärfe, und das äußerst kontrollierte Vibrato ist allemal Ausdrucksmittel und keine Verschleißerscheinung.

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Vielmehr verbindet sich die unangestrengte, scheinbar völlig natürliche Bellezza mit einer offensichtlich derart intimen Vertrautheit mit diesen herrlichen Liedern, dass deren innere Dramaturgie, dieses ununterbrochene Strömen und Reifen über Kadenzen und Abschnittsbildungen hinweg kongenial nachvollzogen wird. Wenn sich dabei trotzdem keine Langeweile einstellt – die ähnliche „Tinta“ der meisten Lieder stellt diesbezüglich immerhin eine Gefahr dar –, dann, weil Harteros jede Gelegenheit einer Ausdrucksnuancierung (auch mal durch einen Glottisschlag) subtil ergreift.

Da wird etwa – in „Nun ziehen Tage über die Welt“ – das Parlando gestreift, und in der zweiten Hälfte des Storm-Liedes „Die Nachtigall“ klingt auf einmal ein neckischer „Rosenkavalier“-Ton auf. Nicht zuletzt: Ohne dass diese Stimme instrumental wirkte, fügte sie sich homogen in das Orchester – als ob sie aus ihm herauswüchse. Ein schier magisches Fluidum.

Eine leichte Enttäuschung

Was konnte nach dieser halben Stunde noch kommen? Auf die allerspäteste Romantik Bergs folgte die späteste Romantik von Mahlers in Köln uraufgeführter fünfter Sinfonie. Sicher, Harteros und Valery Gergiev selbst hatten die Latte sehr hoch gelegt. Noch einmal über sie zu springen, war da fast ein Ding der Unmöglichkeit. Und in der Tat: Im Vergleich mit der Sektion vor der Pause bescherte die Aufführung der Sinfonie eine leichte Enttäuschung.

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Man merkt auf weite Strecken, dass die Münchner und ihr Chefdirigent mit der Materie bestens vertraut sind: Gergiev ließ es auch nicht – etwa im finalen „Nun danket alle Gott“-Choral – pauschal-weltanschaulich dröhnen, sondern animierte zu kammermusikalischem Spiel, das den Orchesterfarbenzauber wirkungsvoll in Szene setzte. Das berühmte Adagietto gelang in seiner Bogenspannung überzeugend und in den solistischen Leistungen lag viel Schönes.

Aber es gab – in den schnellen Sätzen – auch leicht zerfahrene Strecken (der Anfang des zweiten Satzes lief hörbar auseinander), schwächere Intensitäten, Verzettelung im Detail, ein Minus an Zuspitzung. Nein, gerade diese Sinfonie hat das Kölner Gürzenich-Orchester – sei es unter Markus Stenz oder François-Xavier Roth – noch packender hinbekommen.

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