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Kölner Schmuck-AusstellungDas muss man erst mal tragen können

4 min
Eine goldene Nase hängt an einer Kette.

Alicja Kwades „Goldenes Näschen" ist im Kölner MAKK zu sehen. 

Das Museum für Angewandte Kunst in Köln zeigt Schmuck von Künstlerinnen: „Von Louise Bourgeois bis Yoko Ono“.

Die griechische Sagengestalt Medusa war vor allem für ihren aus Schlangenhaaren bestehenden Kopfschmuck bekannt, dessen Anblick insbesondere bei Männern zu Spontanversteinerungen führen konnte. Bei Sheila Concari soll man das berühmte Motiv trotzdem als Kette um den Hals legen – passend dazu ist ihre „Red Medusa“ aus Pythonhaut gefertigt. Die gekräuselte Würgeschlange lässt sich auch als Mann gefahrlos betrachten, wenn man davon absieht, dass man ihrer Trägerin dabei möglicherweise in den Ausschnitt starrt.

Concaris 1,20 Meter lange Halskette ist ein Unikat und das, was man ein Statement-Schmuckstück nennt. Die Trägerin oder der Träger möchte darauf angesprochen werden, was denn wohl die Botschaft des Halsschmucks sei. Ähnliches hatte offenbar auch Rosemarie Trockel im Sinn, als sie eine Donald-Duck-Figur (die dem Original allerdings nicht allzu ähnlich sieht) an einer Halskette strangulierte und dem kleinen Silberanhänger eine Erektion verpasste. Ungezwungener kommt man beim Weihnachtsessen nicht auf das Thema Würge-Sex zu sprechen.

Rosemarie Trockel stranguliert eine Disney-Figur bis zur Erektion

Als Statement kündigen die Kuratorinnen des Kölner Museums für Angewandte Kunst auch ihre Schmuck-Ausstellung an, die unter dem Titel „Von Louise Bourgeois bis Yoko Ono“ ausschließlich Schmuck von Künstlerinnen zeigt. „Die Auswahl fokussiert sich bewusst auf weibliche Positionen“, so Petra Hesse und Lena Hoppe, „und hinterfragt damit die traditionell männlich geprägte Wahrnehmung des avantgardistischen Künstlerschmucks.“ Allerdings will Hesse von einer besonderen weiblichen Ästhetik bei der Schmuckproduktion dann doch nichts wissen. Der einzige Unterschied zu Schmuck von Männern sei inhaltlicher Natur, sagt sie. Einigen Künstlerinnen gehe es um das Thema des (sexuellen) Missbrauchs; bei Künstlern käme das nicht vor.

Eine dieser Künstlerinnen ist Louise Bourgeois, die in der Ausstellung mit einem Collier in Form einer stilisierten Halsfessel und einer Spinnen-Brosche vertreten ist. Das vielbeinige Schmuckstück passt bequem in die Hand und ist eine Miniaturausgabe der Riesenskulpturen, für die Bourgeois berühmt ist und mit der sie ein universelles Symbol mütterlich-weiblicher Macht geschaffen hat; die Halsfessel steht dagegen für die Versklavung der Frau im Patriarchat. Gleich daneben findet sich ein kegelförmiger Ring von Yoko Ono, dessen Fläche die Aufschrift „Imagine Peace“ trägt und einer Single nachempfunden ist. Vielleicht kann nur Ono einen streng limitierten Merchandising-Artikel für eine bessere Welt schaffen (die Auflage liegt bei acht Stück) und dabei trotzdem keinen Deut an Glaubwürdigkeit verlieren.

Zhou Yihan hängt der Trägerin einen kahlen Miniaturwald um

Bourgeois und Ono bilden den Auftakt der Ausstellung, und für dieses verständliche Protzen mit Stars geben die Kuratorinnen sogar die ansonsten streng alphabetische Reihenfolge ihrer Präsentation auf. Insgesamt zeigen sie 113 Arbeiten von 45 Künstlerinnen, die ihre Schmuckstücke (wie die meisten Künstler auch) teilweise nebenbei geschaffen haben, oft als Miniaturen von Skulpturen oder als eingefasste Umwandlungen von Malerei. Die Mehrzahl der Objekte ist als Teil einer Auflage nach Köln gekommen, was den Charakter des künstlerischen Nebengeschäfts noch unterstreicht. Trotzdem sind die Schmuckstücke beinahe durchweg von hoher Qualität und Kunstwerke aus eigenem Recht: „Kunst zum Tragen“, so Petra Hesse.

Manches muss man allerdings auch tragen können. Eine Halskette aus bronzierten Kirschkernen (von Katinka Bock) und eine silberne Bonbonpapier-Brosche (von Lynda Benglis) passt zu jeder Gelegenheit (und schmückt jede Frau), doch Helen Brittons pinkelnden Pudel aus Vintage-Glas anzulegen, erfordert schon etwas Mut. Auf Meret Oppenheims als Ring eingefassten Zuckerwürfel sollte man besser keinen Tee verschütten, und Zhou Yihan hängt der umweltbewussten Trägerin einen kahlen Miniaturwald als Halsschmuck um.

Anderes ist vor allem kleidsam: abstrakte Farbbewegungen von Sonia Delaunay-Terk, Leiko Ikemuras bekannte Hasenköpfe, eine weitere, dieses Mal muschelförmige Medusa (von Rebecca Horn), ein selbsterklärendes „goldenes Näschen“ am Band (von Alicja Kwade), die flatternden Schmetterlinge von Claude Lalanne oder ein befellter Armreif von Meret Oppenheim. An berühmten Künstlerinnen, die sich mit Lust als Schmuckdesignerinnen versuchten, herrscht so wenig Mangel, dass die Kölner Kuratorinnen daraus einen Nebenstrang der modernen Kunstgeschichte entwickeln können. Sogar eine No-Nonsens-Konzeptkünstlerin wie Jenny Holzer ist vertreten, mit einer ringförmigen Schlange, die Holzer, Meisterin des betexteten LED-Laufbands, zur Trägerin einer Anklageschrift gegen männliche Gewalt aufwertet.

Schmuck für Männer zu entwerfen, scheint den Künstlerinnen hingegen zu langweilig zu sein; wer dampft schon gerne sein Werk zu Manschettenknöpfen ein? Auch Krawattennadeln vermisst man nicht in dieser Ausstellung, die sogar dem schrecklichen Haupt der Medusa noch etwas Schönes abgewinnen kann.


„Von Louise Bourgeois bis Yoko Ono: Schmuck von Künstlerinnen“, Museum für Angewandte Kunst, An der Rechtschule 7, Köln, Di.-So. 10-18 Uhr, 21. November 2025 bis 26. April 2026. Der Katalog kostet 34 Euro.