Das Kölner Museum Kolumba verteidigt in seiner Ausstellung die „Kunst in Zeiten der Unvernunft“ und will ein Schutzraum für Menschen sein.
Kolumba in KölnAn die Kunst muss man glauben wie an den Erlösergott

Josef Albers' „Homage to the Square“ und Objekte aus der Werk- und Formensammlung des Kölner Museums Kolumba
Copyright: VG-Bild-Kunst, Bonn, Foto: Mareike Tocha/ Kolumba, Köln
Eine Botschaft, mit dem Rücken zur Wand gesprochen, nennt Stefan Kraus, scheidender Direktor von Kolumba, die neue Jahresausstellung seines Hauses. Die trägt den Untertitel „Kunst in Zeiten der Unvernunft“, was auf die allgemeine Weltlage gemünzt ist, aber auch die aktuelle Sinnkrise der Kulturinstitutionen sehr gut beschreibt. Allerorten, so scheint es, wird der Nutzen der Kunst infrage gestellt (oder gegen die fälligen Kosten aufgerechnet), und wo dies (noch) nicht der Fall ist, erleben Künstler und Museen ihre wachsende Ohnmacht vor den Katastrophen unserer Gegenwart.
Selbst bei Kolumba, dem Kunstmuseum des reichen Kölner Erzbistums, artikuliert sich diese Ohnmacht mittlerweile in schnöden Sparzwängen. Sein Budget sei um 16 Prozent gekürzt worden, so Kraus, weshalb das Haus, das zuletzt 600.000 Euro an Fremdmitteln eingeworben habe, zukünftig vermehrt auf Zuwendungen von außen angewiesen sei. Trotzdem will Kraus den von Felix Droese gesprengten Geldschrank im Windfang des Hauses nicht als Mahnmal in eigener Sache verstanden wissen. Sondern als Erinnerung daran, was Museen sind: Schutzräume für Kunst und Menschen.
Mit der Ausstellung will Kolumba zu seinem Wesenskern zurück
Mit der Ausstellung „Make the secrets productive“ will das vierköpfige Team von Kolumba zum Wesenskern seiner Institution zurück. Das fruchtbare Geheimnis, heißt es im wieder einmal unerlässlichen Ausstellungsführer, verbinde Kunst und Religion; deren gemeinsames Merkmal sei die „radikale Unverfügbarkeit“. Die Rettung vor der Unvernunft sollen also gerade jene „höhere Mächte“ bieten, die sich der Vernunft von Natur aus entziehen. An Gott muss man glauben und an die inspirierende, erhebende, vielleicht sogar erlösende Kraft der Kunst letztendlich auch. Jedenfalls in Kolumba, wo man Kunstwerke so weihevoll inszeniert wie liturgische Objekte.
Der Durchschlupf in dieses geschützte Reich stammt von Joseph Beuys. Der große Mystiker der modernen Kunst hat seinen bekanntesten Sinnspruch, nach dem jeder Mensch ein Künstler sei, auf eine verwitterte Holztür geschrieben, gemeinsam mit dem Nachsatz, dem die Kolumba-Ausstellung den Titel gibt: „Make the secrets productive“. Aus dieser Kombination könnte man schließen, dass die Besonderheit der Kunst darin liegt, dass man sich selbst in ihrem Angesicht zum Rätsel wird. Kein schlechter Auftakt. Allerdings hängt die magische Tür nur an der Wand und funktioniert wie ein normaler Wegweiser – dafür aber immerhin die Himmelstreppe ins obere Stockwerk hinauf.

Ein „Christus in der Rast“ (um 1480) vor einer Aufnahme aus Anna & Bernhard Blumes „Transzendentaler Konstruktivismus“
Copyright: VG-Bild-Kunst, Bonn, Foto: Mareike Tocha/ Kolumba, Köln
Hier erwarten uns vier Werke, die einige maßgebliche Themen der Ausstellung ankündigen: das produktive Verhältnis von Vernunft und Unvernunft (bei Bernhard Blume), der Künstler als Gegenentwurf zur Gesellschaft (Mladen Stilinovic) und die Zerbrechlichkeit des menschlichen Lebens. Terry Fox widmet diesem Sujet die bezaubernde Skizze eines Tödleins, Bethan Huws formte aus jeweils einem einzigen Grashalm drei winzige Boote, die verloren auf hoher See zu treiben scheinen. Fox und Blume werden uns in den folgenden Räumen immer wieder begegnen, insbesondere der Kölner Fotosurrealist ist (gemeinsam mit seiner Ehefrau Anna Blume) einer der Wegbegleiter durch die Räume einer befreienden Unvernunft.
Aus dem Werk des Kölner Ehepaars stammt etwa die 20-teilige Serie „Transzendentaler Konstruktivismus“, mit der sich die Blumes über die quasi-religiöse Bedeutung des Quadrats in der abstrakten Malerei mokieren. Auf dem Fotokurzroman wird Bernhard Blume von den Geistern geometrischer Formen verfolgt, bis sich diese am Ende zu seinem persönlichen Kreuz verbinden. Als weitere Teilnehmer dieser spiritistischen Sitzung sehen wir im Raum eine „Hommage ans Quadrat“ von Josef Albers und die mittelalterliche Holzskulptur eines Christus in der Rast. Letzterer muss sich aber nicht verspottet fühlen; beide Werke erden das Unerklärliche von Kunst und Religion.
„Mind-Blowing“, diese Wirkung hatte auch der Heilige Geist zu Pfingsten
Ähnlich treue Begleiter durch die Ausstellung sind Duane Michals und Paul Thek. Michals steuert neben seinen poetischen Fotogeschichten die Aufnahme eines Harlekins mit Sternschweif bei, die auf eine große Porträtserie des Roncalli-Zirkus vorausweist und zwei Werke Theks verbindet: ein gemaltes Bild der Erde, aus dem Weltall gesehen, und ein „Tragbarer Ozean“, der aus einem blauen Spielzeugwagen mit Bauklötzen und einem Sternschweif besteht. Dazu kommt vom Band David Bowies Lied vom „Starman“, der sich nicht auf die Erde traut, weil er fürchtet, dass es uns das Hirn wegpusten würde.
„Mind-Blowing“, diese Wirkung hatte auch der Heilige Geist zu Pfingsten – und diente der spirituellen Seite der modernen Kunst als unerreichtes Vorbild. Allerdings kombinieren die Kolumba-Kuratoren die Farbharmonien eines Albers oder August Macke dann im elften Raum mit farblich sortierten Designobjekten, fein säuberlich von Gelb nach Orange. Dass die vernünftige Form die irrationale Farbe zähmt, diese alte Idee der Malerei schlägt hier lustvoll ins Gegenteil um. Zur Kunst gehört eben auch das Spielerische, eine Erkenntnis, die uns hier angenehm spielerisch vermittelt wird. Einige Schritte weiter folgen Manos Tsangaris' aus dem letzten Jahr übernommene „Kugelbahn“, eine immer noch spektakuläre Kreuzung aus Spielzeug und Klangmaschine, und, als zentrales Werk der aktuellen Ausstellung, Walter Schels schier endlose Porträtreihe verkleideter Artisten unter dem Roncalli-Zirkuszelt.
Es ist sicherlich kein Zufall, dass der größte Kolumba-Raum allein von Menschen bevölkert wird. Die an den Wänden aufgereihten Artisten fassen neben einem Gekreuzigten und vier Gekrönten auch Figuren des Essener Bergmanns Erich Bödeker ein. Vor der „naiven“ Anmutung eines Cowboys mit Pferd und einer Hochzeitsgesellschaft möchte man tatsächlich in die Knie gehen, so berührend ist die Liebe dieses Schöpfers zu seinen ungelenken Kreaturen. Bödekers Menschen brauchen unseren Schutz und wir den ihren; Kolumba gibt dieser Erkenntnis ein Zuhause.
„Make the secrets productive – Kunst in Zeiten der Unvernunft“, Kolumba, Kunstmuseum des Erzbistums Köln, Kolumbastr. 4, Mi.-Mo. 12-17 Uhr, Köln, 15. September 2025 bis 14. August 2026.