KolumbaWarum eine weltberühmte Compagnie jetzt im Museum tanzt

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Tänzer der Compagnie „Rosas“ in den Räumen des Kölner Museums Kolumba.

Tänzer der Compagnie „Rosas“ in den Räumen des Kölner Museums Kolumba.

  • Die belgische Choreografin Anne Teresa De Keersmaeker gastierte mit ihrer Compagnie bereits in der Londoner Tate und im New Yorker MoMa.
  • Jetzt hat sie sich das Kölns schönstes Museum, das Kolumba, für eine ganz besondere Performance ausgesucht.
  • Ihre Truppe Rosas wird während der Öffnungszeiten des Museums dessen neue Ausstellung tanzend begleiten.

Köln – Wenn ein internationaler Tanz-Star wie die Belgierin Anne Teresa De Keersmaeker zum Experimentieren aufgelegt ist, dann ist ein ungewöhnliches Geschenk vorprogrammiert.

Mit Grundkonstanten ihrer Handschrift ist stets zu rechnen: Klarheit, Repetition und mathematische Strenge. Am Anfang ihrer Karriere stand die Interpretation minimalistischer Musik eines Steve Reich. Gefolgt sind in den 40 Jahren ihres Schaffens Bach, Schönberg, Weber oder Miles Davis. Ausruhen auf dem Erreichten ist nicht ihr Ding. Sie treibt den Tanz immer weiter hinaus ins nicht bestellte Terrain, etwa in den White Cube eines Museums.

Tanz in der Tate Gallery

Das Pariser Centre Pompidou, die Londoner Tate oder das New Yorker MoMa dienten ihr bereits als Bühne für eines ihrer Stücke. In diese illustre Gesellschaft reiht sich jetzt das Kölner Kolumba ein. Das Museum des Erzbistums hat für die Tänzer ihrer Compagnie „Rosas“ die Räume geleert und versucht sich mit der Ausstellung: „Das kleine Spiel zwischen dem Ich und dem Mir“ an einem ungewöhnlichen Format. Die acht geplanten Kapitel, die in einer Art Work in Progress zu einem Ganzen wachsen sollen, erstrecken sich über ein ganzes Jahr.

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Die medienübergreifenden Beiträge werden sich mit Körperbildern beschäftigen und danach fragen, wie der Blick auf den eigenen Körper für einen erweiterten Kunstbegriff relevant sein kann.

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Mit De Keersmaekers eigens für die Architektur von Peter Zumthor entwickelten Arbeit „Dark Red“ zu beginnen erweist sich als ein fulminanter Auftakt. Nicht weniger als über den Zeitraum von einer Woche hat man sich während der regulären Öffnungszeiten im lichtdurchfluteten zweiten Stockwerk die direkte Konfrontation mit dem Publikum vorgenommen.

De Keersmaeker hat im Vorfeld gründlich die örtlichen Gegebenheiten studiert, um in dem statischen „Körper des Museums“, wie sie sagt, bewegliche Körper agieren zu lassen und dabei zu erkunden, in welche Zukunft wir in einer existenziellen Krise wie der Corona-Pandemie, die Körpernähe lebensgefährlich erscheinen lässt, gehen wollen.

Totenschädel und Beatles-Song

Wer über die fensterlose Treppe in das erste Stockwerk gelangt, bekommt beinahe Flügel, wenn er den Vögeln folgt, die sich in dem schwarz-weißen Kurzfilm von Jan van Ijken zu riesigen Verbänden zusammengeschlossen haben. Neben ihren eigenen Zeichnungen, die De Keersmaekers Notationssystem aus Zirkeln und Ellipsen preisgeben, hat die Choreografin weitere Werke aus der hauseigenen Sammlung ausgewählt, darunter in einem abgedunkelten Kabinett einen Totenschädel aus der Mappe „Der Krieg“ von Otto Dix. Dass gleichzeitig in ihrer persönlichen „Hängung“ der Beatles-Song „Blackbird“ zu hören ist, irritiert zunächst, ist aber mit reichlich politischem Hintersinn platziert. Der Text nimmt Bezug auf die Bürgerrechtsbewegung der USA und die Unruhen im Frühjahr 1968. Außerdem hatte sich Paul McCartney für die Melodie von Johann Sebastian Bach inspirieren lassen, einem der Lieblingskomponisten von De Keersmaeker.

Raus aus dem Schatten, trifft man im zweiten Stockwerk in einer Wandecke zunächst auf Kopien von El Grecos berühmten Apostel-Porträts. Dass nebenan die im Kreis stehenden Tänzer durchsichtige Blusen in just den Kleiderfarben der Apostel tragen, überrascht da nicht weiter.

Überwältigende Präsenz

Schon eher, dass ihre kaum merklichen Bewegungen aus winzigsten Gesten bestehen: einem angehobenen Finger, einem ausgestreckten Bein. Zu den Tonband-Klängen der „Opera per Flauto“ nehmen die Tänzer Posen an, die an die weltentrückte Körpersprache auf den Gemälden erinnern.

Man muss nicht über Stunden vor Ort ausharren, um den Eindruck eines flüchtigen Labors vermittelt zu bekommen. Die Präsenz der Tänzer ist schon nach wenigen Minuten überwältigend. Das sich entwickelnde Geschehen aus nächster Nähe erleben zu dürfen ist beglückend, vorausgesetzt, man kreist mit den „Aposteln“ und schaut ihrem Gleiten von allen Seiten zu – und das ganz ohne die üblichen Demarkationslinien.

Anne Teresa De Keersmaeker/ Rosas: „Dark Red“, Kolumba, 14. – 20. September, jeweils 12 – 17 Uhr (auch 15.9.), es gilt der reguläre Museumseintritt.

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