KunsthandelDer Mittelstand schwindet

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Hergen Wöbken

Hergen Wöbken

Rekordverkäufe hier, Millionenumsätze dort. Wer auf die Nachrichten aus der Kunstszene schaut, hat schnell den Eindruck, als bräuchte man nur einen weiß gestrichenen Raum und schon könne man als Galerist viel Geld verdienen. Dass dem nicht so ist, wissen die, die damit täglich zu tun haben, schon lange. Dennoch hatten auch sie bislang keine konkreten Zahlen, mit denen sie etwa im Bereich der Kultur- und Wirtschaftsförderung in Verhandlungen mit der Politik treten konnten. Dies will eine Studie des Instituts für Strategieentwicklung (Ifse) ändern. 800 Galerien wurden zu einer Umfrage eingeladen, 200 haben sich daran beteiligt, die Ergebnisse wurden nun in Berlin, Köln, Stuttgart und München vorgestellt.

Und die sind durchaus ernüchternd. Denn natürlich gibt es einige Galerien, die viel Geld verdienen – in Berlin setzen 30 bis 40 der insgesamt 400 Galerien jährlich mehr als eine Million Euro um. Auf der anderen Seite gibt es aber einen hohen Anteil an Galerien, die eigentlich nicht überlebensfähig zu sein scheinen – allein 15 Prozent der Galerien haben einen Jahresumsatz von unter 17.500 Euro. Oder anders ausgedrückt: In Berlin machen 20 Galerien die Hälfte des Gesamtumsatzes von mindestens 100 Millionen Euro aus, 150 Galerien sind für 90 Prozent verantwortlich.

Umgekehrt heißt das aber auch, dass sich die 250 anderen Aussteller mit den restlichen zehn Prozent Umsatz über Wasser halten müssen. Bedeutungslos sind sie deshalb noch lange nicht: „Diese Galerien tragen mit ihrem Programm dazu bei, dass der Standort Berlin so attraktiv ist“, erklärt Hergen Wöbken, Geschäftsführer der Ifse und Initiator der Studie.

In Nordrhein-Westfalen sieht die Situation etwas entspannter und ausgeglichener aus: Die Hälfte aller Galerien haben immerhin einen Mindestjahresumsatz von 300.000 Euro (im Bundesdurchschnitt sind es nur ein Drittel), zudem ist die Quote derjenigen, die weniger als 17 500 Euro Umsatz machen in Berlin zweieinhalb Mal höher als in NRW. Doch auch diese Zahlen relativieren sich wieder, wenn man bedenkt, dass die Künstler in der Regel mindestens 50 Prozent der Verkaufserlöse erhalten und Mieten und Messeteilnahmen ebenfalls noch abgezogen werden müssen. In diesem Zusammenhang beobachtet Wöbken ein Wegbrechen der Mittelschicht im deutschen Galeriewesen.

Ein weiterer interessanter Aspekt betrifft die Künstler, die die deutschen Galerien ausstellen (durchschnittlich 16). Berliner Galeristen setzen zur Hälfte (48 Prozent) auf Künstler aus der Region. Im Bundesdurchschnitt sind es 37, in NRW gerade einmal 23 Prozent. Der Grund liegt auf der Hand – schließlich leben in Berlin zahlreiche Künstler und Kreative.

Und noch einen Spitzenwert nehmen die Berliner Galeristen für sich ein: Etwa 70 Prozent sind der Meinung, dass sie ihre Galerie in einer anderen Stadt erfolgreich betreiben könnten. Ob dies nun als ein enormes Selbstbewusstseins oder einfach nur Frust gedeutet werden kann, geht aus der Umfrage nicht hervor. Die vollständige Ifse-Galerienstudie soll im September vorgestellt werden.

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