Lautstark, extravagant und buntAlex Paxton begeistert in der Kölner Philharmonie

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Der Eingang zur Kölner Philharmonie mit Schriftzug und Glasdach.

Eingang zur Kölner Philharmonie (Symbolbild). Hier trat der britische Komponist Alex Paxton auf.

Das Kölner „Musik der Zeit“-Konzert versammelte Musik von Alex Paxton, Frank Zappa und anderen unter dem Titel „Pinked Dreams“.

Weil sich die Überfülle an Eindrücken, Ereignissen und Gedanken nicht ordnen und in eine Reihenfolge bringen lässt, bricht einfach alles gleichzeitig los. Alex Paxtons lustvoll-chaotisches „Pullbackhat Biome-Dunk (a Chat-Can Let-Go)“ wogt als wilder Panik- und Euphorieschub über das Publikum hinweg. In kaum sechs Minuten ballt der 1990 geborene britische Posaunist und Komponist verschiedenste musikalische Welten: Vogelzwitschern, Bigband, Jazz-Posaune, Sinfonieorchester und Wahnsinnsarie. Ein verspielter Kontrapunkt höherer Ordnung auf Kollisionskurs.

Im Konzert „Musik der Zeit“ des WDR-Sinfonieorchesters unter Leitung von Titus Engel war der fabelhafte Posaunist und Improvisator auch im eigenen „Ody Ody Pink´d“ zu erleben. Der grelle Stilmix ist lautstark, extravagant und bunt wie der Batik-Anzug des Solisten. Ein Farbklecks jagt den anderen. Der Solist hastet von einem Zustand zum nächsten: Jauchzen, Röhren, Fiepen, Kreischen, Schnaufen, Säuseln. Zwischentöne und Nuancen spielen untergeordnete Rollen. Manches geht im lärmenden Tumult verloren oder wird schlicht vom überragenden Posaunisten in den Schatten gespielt, mit vollem Körpereinsatz, packender Virtuosität und anarchischer Freude an der Selbstverausgabung.

Frank Zappa wirkte geradezu konventionell nach Alex Paxton

Der neue künstlerische Leiter der WDR-Reihe Patrick Hahn programmierte dazu passend zwei Stücke von Frank Zappa in Arrangements für großes Orchester bzw. Ensemble. Denn auch der vor dreißig Jahren verstorbene Ausnahmemusiker sprengte schon Stil- und Spartengrenzen. Im Vergleich zur vorherigen Explosion an Vielfalt wirkten seine Stücke nun jedoch eher brav und beschränkt. Zappas in der Pop-Welt einst als Avantgarde gefeierte Musik erscheint im Kontext der neuen Musik geradezu konventionell. Fast ausnahmslos dient der 4/4-Takt als pulsierende Basis, gegen die Einsätze und Akzente verschoben werden, so dass eine wahlweise wild zuckende oder stellenweise groovende Musik resultiert. Das macht ein Weilchen Spaß, vermag bald aber nicht mehr zu überraschen.

Dem kompakten und druckvollen ersten Konzertteil folgte der zweite länglich und dünn. Jennifer Walshes „The Site of an Investigation“ changiert zwischen Größenwahn und spießiger Fleißarbeit. Aufgelistet werden der Probleme der heutigen Menschheit: Rassismus, Homophobie, Misogynie, Konsumwahn, Mikroplastik, Umweltzerstörung, Raumfahrtmilliardäre, KI, Hass, Gier nach Reichtum und Likes. Die Composer-Vokalperformerin macht ihren Endlos-Monolog vollends zum Betroffenheits-Kitsch durch düstere Clusterflächen, markige Blechbläser, pathetische Hymne, säuselnde Windmaschine, klagende Seufzersekunden. Im Starren auf globale Katastrophen übersieht sie die eigenen Schwierigkeiten als Komponistin im Umgang mit Material, Aussage, Form und der Verschwendung der kostbaren Ressource Orchester.

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