Mein KanonEine Reise in die Tiefe der Seele
Der Dom, jedenfalls der in Köln, taucht gar nicht auf in Paul Celans kurzem Gedicht. Nur der Titel verrät dem Ortskundigen, dass es hier doch um die Kölner Kathedrale geht, die man von der nahe gelegenen Straße „Am Hof“ gut sehen kann. Mehr Lokalkolorit gibt es nicht.
Es war aber auch nicht die kölsche Seele, die Paul Celan streicheln wollte, als er Ende 1957 sein Gedicht „Köln, Am Hof“ verfasste. Es ging ihm um Ingeborg Bachmann. Mit der Schriftstellerin aus Klagenfurt, seiner zeitweiligen Lebensgefährtin, hatte er sich in Köln getroffen. Nach einer gemeinsamen Nacht im Hotel – mutmaßlich in der Straße „Am Hof“ – verfasste Celan die schweren, zutiefst rätselhaft klingenden Zeilen seines Gedichtes. Es ist eine Reise in die Tiefe seiner Seele. Eine Seele, in der es dunkel zugeht, die Verlust beklagt und Trauer trägt: „Einiges ging seiner Wege.“
Entstanden ist das Gedicht in einer Stadt, in der Krieg und Zerstörung noch deutlich sichtbar waren. „Verbannt und verloren waren daheim“ – als der Dichter 1957 aus dem Hotelfenster sah, blickte er zwölf Jahre nach Ende des Weltkriegs noch auf planierte Trümmerfelder bis hin zum Dom und hinab zum Rhein, genutzt weitgehend als großzügige Parkplätze, dazwischen nicht mehr als ein paar Baracken.

Paul Celan (1920-1970) wuchs in einer deutschsprachigen jüdischen Familie im rumänischen Czernowitz auf. Sein Werk handelt von den Eindrücken des Zweiten Weltkriegs; Celans bekanntestes Gedicht ist die 1948 entstandene „Todesfuge“.
Copyright: dpa
Die Stunde null, die „Mitternachtsziffer“, von der Celan spricht, ist jedenfalls in Köln noch deutlich präsent: Sie ist das Ende der Nazidiktatur, der die Familie Celans zum Opfer fiel. Das jüdische Viertel Kölns dagegen, das einst bis an die Straße „Am Hof“ heranreichte, hatte schon im Mittelalter mehrfach seine Stunde null erlebt.
Weitgehend unbehelligt geblieben sind lediglich Dom und Rhein. Doch auch diese großen Konstanten geben Celan keinen Halt, sie bleiben „unbesehen“ und „unbelauscht“. Alles ist vergänglich, bilanziert der Dichter, denn unerbittlich schlagen sie, die „Uhren tief in uns“. Nein, es war kein froher Besuch im Köln des Jahres 1957.
Köln, Am Hof
Herzzeit, es stehn die Geträumten für die Mitternachtsziffer.// Einiges sprach in die Stille, einiges schwieg, einiges ging seiner Wege. Verbannt und Verloren waren daheim.// Ihr Dome.// Ihr Dome ungesehn, ihr Ströme unbelauscht, ihr Uhren tief ins uns.