Mein Kanon„Feelin groovy“ im Ruhrpott
Warum ich 1978 von meinem Feriengeld ausgerechnet das „Greatest Hits“-Album von „Simon & Garfunkel“ gekauft habe? Ganz ehrlich, ich weiß es nicht mehr. Vielleicht war es ja nur das Cover, das mich so angesprochen hatte. Auf der Vorderseite war das Folk Rock-Duo im Central Park zu sehen und auf der Rückseite sah man die beiden vor der Skyline von New York. New York – für eine 14-Jährige in den 1970er Jahren die Stadt der Sehnsucht: riesig groß, voller Musik und schon damals das, was wir heute als „bunt“ bezeichnen.
Simon & Garfunkels Greatest Hits wurden zu meinem Sound des Sommers 1978 – mal abgesehen davon, dass das Album wunderbar in meine damals noch kleine Plattensammlung passte, zu der bis dahin nur das rote und blaue Beatles-Album gehörten. Richtig gute Musik wurde vor allem „vor meiner Zeit“ gemacht, so glaubte ich damals. Noch wehmütiger machte mich die Erkenntnis, dass ich wohl nie ein Konzert der Beatles oder von Simon & Garfunkel besuchen würde. Denn als ich begann, ihre Musik zu mögen, gab es die Bands schon längst nicht mehr.
Umso euphorischer war ich, als Simon & Garfunkel im September 1981 in New York ein kostenloses Konzert zum Erhalt des Central Park gaben – vor 500 000 Zuschauern. Wie cool war das denn! Und dann noch die Ankündigung, gemeinsam eine Welt-Tournee machen zu wollen und nach Deutschland zu kommen – zum ersten Mal überhaupt. Ich weiß zwar nicht mehr, wie, aber irgendwie ergatterten vier Freunde und ich Tickets für das Konzert am 30. Mai 1982 im Westfalen-Stadion in Dortmund. Dass mein Vater uns für die Fahrt dorthin seinen alten weißen Ford Taunus zur Verfügung stellte, rechne ich ihm bis heute hoch an. Schließlich hatte damals erst einer von uns einen Führerschein.
Es wurde eine Fahrt zu einem unvergesslichen Konzertabend. Das Wetter war traumhaft, schon Stunden vor Konzertbeginn feierten tausende Fans auf den Tribünen und im Innenraum, picknickten, genossen die Abendsonne oder spielten Frisbee vor der großen Bühne, deren Kulisse an eine Dachlandschaft mit Wasserspeicher und Abluftauslässen erinnerte. Ein Hauch von New York und „Feelin groovy“ im Ruhrpott.
Um kurz nach 20 Uhr betraten Paul Simon und Art Garfunkel die Bühne. Man merkte den beiden an, dass sie längst nicht mehr „Best Buddies“ waren, trotzdem versetzten sie uns 24 Lieder und knapp drei Stunden lang zurück an jenen Abend im Central Park. Die Set List war nahezu identisch, das Publikum ähnlich euphorisch – und als der letzte Akkord der letzten Zugabe „Late in the Evening“ gespielt war, hatten wir alle irgendwie das Gefühl, das Central Park Konzert noch einmal gefeiert zu haben und zumindest auch ein bisschen Teil der legendären Reunion gewesen zu sein.
Sechs Jahre später sah ich Paul Simon noch einmal auf seiner Graceland-Tour in der Westfalenhalle. Auch ein grandioses Ereignis – trotzdem fehlte mir die besondere Magie des Konzerts von 1982. Daran erinnert wurde ich vor gut zwei Wochen, als ich mit Freundinnen die Simon & Garfunkel Story im Kölner Musical Dome sah. Die Show, die bereits im Londoner Westend Erfolge feierte, erzählt auf musikalische Art die Geschichte des Folk-Duos. Es war wie ein Eintauchen in die 60er und 70er Jahre.
Und als Garfunkel-Darsteller Kingsley Judd mit einer unfassbar tollen Stimme „Bridge over troubled water“ sang, war es auf einmal wieder da, dieses Gefühl, von einer besonderen Musik gefangen zu sein. So wie 1982.