Michelle Obamas PodcastSchade, dass dieser Dinnertable nicht im Weißen Haus steht

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Obamas (1)

Michelle und Barack Obama im Oktober 2019

  • Drei Monate vor der nächsten US-Wahl meldet sich die ehemalige First Lady zu Wort: mit einem eigenen Podcast.
  • In der ersten Folge spricht sie ausführlich mit ihrem Ehemann Barack. Es ist ein vermeintlich privates Gespräch, und gleichzeitig hochpolitisch.
  • Zwei selbstironische Idealisten im Austausch: Das weckt Sehnsüchte. Eine Rezension

Köln – Die Teller sind leer, die Bäuche voll, es ist schrecklich gemütlich am Abendessenstisch, zu einem Schluck Rotwein beginnen die Gedanken zu schweifen- Und weil die Atmosphäre so angenehm ist, liegt einem das Herz auch gleich auf der Zunge. „Dinnertable“ – das Wort verströmt auch in Michelle Obamas Podcast gleich eine Aura von Nähe und Familie, und deswegen wirkte es ganz selbstverständlich, dass zur Premiere dieser neuen Bühne für die ehemalige First Lady Ehemann Barack am Tisch Platz genommen hat. Über eine gute Dreiviertelstunde hinweg plaudern die beiden über dies und das und gaben Anekdoten aus dem eigenen Leben zum Besten.

So ganz „dies und das“ gestaltet es sich natürlich nicht, wenn der ehemalige Präsident der Vereinigten Staaten im Podcast online geht, auch wenn seine Interviewpartnerin und Ehefrau zu Beginn betont, dass sie auch nach diesem Auftakt mit dem „special someone“ familiär bleiben will – Michelles Bruder, ihre Mutter, Freunde, sie alle sollen zu Wort kommen und sich entspannten Gesprächen hingeben, denn entspannt ist die Gastgeberin ganz entschieden, seit der „verrückte Terminkalender“ im Weißen Haus der Vergangenheit angehört. Und Barack ist es ohnehin.

Vermeintlich privat aber sehr politisch

Mit mancher Witzelei über die angesichts der Pandemie gemeinsam verbrachte Quarantäne starten die beiden in ein Gespräch, das seines vermeintlich privaten Charakters zum Trotz eminent politisch ist – gerade auch in Zeiten des Wahlkampfs. Denn wenn Michelle und Barack Obama wie ein Leitmotiv ihres Dialogs das Loblied auf die Solidarität innerhalb der kleinen Gemeinschaften anstimmen, dann lassen sie keinen Zweifel daran, dass just dieser Gemeinsinn gefährdet ist. Donald Trump wird in dieser Folge des Podcast zwar mit keinem Wort erwähnt,  und doch ist vollkommen klar, dass gerade er nicht für das steht, was den Obamas wichtig ist: Gleichberechtigung von Frauen und Männer, die Aufhebung ethnischer Diskriminierung, vor allem aber Chancengleichheit auch in sozialer Hinsicht – immer wieder illustrieren sie mit Geschichten aus ihrem eigenen Werdegang, wie anders ihr Leben und ihre Karriere verlief im Vergleich zum Milliardärsssohn, der sich gerade anschickt, seine aggressive Politik der Spaltung und Abgrenzung in eine zweite Amtszeit hinein zu verlängern.

Vielleicht ist es ein wenig zu harmonisch und idyllisch, wie es in diesem Gespräch der Obamas zugeht, das manchmal untermalt oder kurz unterbrochen wird vom Klavierspiel Stevie Wonders. Aber es ist von der ersten bis zur letzten Minuten die Unterhaltung zweier Idealisten, die sich demonstrativ gegen den Nihilismus stemmen, der in die amerikanische Gesellschaft über die vergangenen Jahre hinweg so giftig eingedrungen ist.

Das geht sogar so weit, dass Michelle ihrem Mann eine Art politisches Liebesgeständnis macht. Er sei geleitet von der Überzeugung, dass ein jeder seiner Schwester und seines Bruders Hüter sein müsse, schwärmt sie – deshalb habe sie sich in ihn verliebt. „It wasn’t just my looks – but that’s okay“, ist seine Reaktion darauf.

Hach, da wird einem ganz warm ums Herz, wenn man diesen beiden menschenfreundlichen und selbstironischen Leuten zuhört, und wenn es nur das ist, was man denkt, hat Michelle Obama mit ihrem Podcast viel erreicht: Schade, dass dieser Dinnertable nicht im Weißen Haus steht.

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