Der ehemalige „Tagesschau“-Moderator Jan Hofer über Politik, seinen Wechsel in die Unterhaltung und warum er die Nachrichtenwelt trotzdem nicht hinter sich lassen will.
Moderator Jan Hofer„Ich bin in meiner Nachrichtenzeit manchmal verzweifelt“

Jan Hofer beim Pressetermin zur neuen Staffel der RTL-Sendung „Die Verräter - Vertraue Niemandem“
Copyright: Rolf Vennenbernd/dpa
Herr Hofer, Sie sind in der neuen Staffel der RTL-Serie „Die Verräter“ zu sehen. Dabei sind vor allem gute Menschenkenntnisse gefragt. Hat Ihr beruflicher Hintergrund als Moderator Ihnen geholfen?
Das habe ich geglaubt. Aber man gerät schnell an seine Grenzen. Bei Leuten, von denen ich geglaubt habe, mit denen kann ich sehr gut, die kann ich lesen, stellte ich im Nachhinein fest: Das war ein Irrtum.
Haben Sie sich denn auf die Show vorbereitet?
Ja, die erste Staffel habe ich mir dreimal angeschaut. Sogar im Hotel abends habe ich mir das noch einmal angeguckt. Aber all das, was ich da gesehen habe, hat leider überhaupt nicht funktioniert.
Was war dann die größte Schwierigkeit für Sie?
Herauszufinden, wer Freund und wer Feind ist. Ich hatte zum Beispiel zu einigen einen sehr guten Draht. Es gab immer wieder Gelegenheiten als die Kameras aus waren, in denen man sich ausgetauscht hat. Und plötzlich stellte ich dann bei manchen fest, dass da eine Sperre war. Das vermeintliche Vertrauensverhältnis war weg. Ich konnte es aber nicht einordnen und dachte, vielleicht sind die auf der falschen Seite und glauben, dass ich sie verdächtige. Spiel und Realität kann man in dem Moment nicht mehr trennen.
War es also auch für Sie schwer, die Absichten der anderen Teilnehmer einzuschätzen?
Ja, denn ich bin in einer Welt groß geworden, in der berufliche Intrigen keine große Rolle spielen. Da macht jeder so gut wie möglich seinen Job, aber man ist eben nicht in einem persönlichen Konkurrenzkampf. Das ist scheinbar bei Reality-Leuten, oder Influencern oft anders. Deswegen habe ich mich schwergetan, mich in die Rolle des Intriganten hineinzuversetzen. Das war nochmal eine ganz neue Herausforderung.
Ich habe mich immer als Medienmenschen verstanden.
War auch Ihr Wechsel vom „Tagesschau“-Moderator zum Teilnehmer von Unterhaltungssendungen eine Herausforderung?
Nein, ich habe mich immer als Medienmenschen verstanden. Also als jemanden, der Medien lebt. Ich habe zum Beispiel mit Kai Pflaume einige Jahre „Dalli Dalli“ gemacht - gerade war ja erst der 100. Geburtstag von Hans Rosenthal -, oder eine Talkshow beim NDR. Also ich habe immer Ausflüge in die Medien gemacht, bis hin zur „Let's Dance“-Sendung. Deswegen war mir das nicht fremd. Das gehört für mich zu meinem Verständnis von meinem Beruf.
Und was macht Ihnen mehr Spaß - Nachrichten oder Unterhaltung?
Mit Nachrichten habe ich abgeschlossen. Das ist ein tägliches Geschäft. Da braucht man eine gute Mannschaft dahinter, ein großes Netzwerk, um da wirklich mitreden zu können. Da bin ich eigentlich nur noch Beobachter - gut, vielleicht mehr aus einer professionelleren Warte als ein normaler Zeitungsleser oder Fernsehzuschauer. Aber Unterhaltung macht mir großen Spaß. Ich habe allerdings auch ein paar merkwürdige Angebote erhalten. Das ging da schon in die Richtung von Trash-Geschichten. Aber das mache ich natürlich nicht.
Mussten Sie denn lange nachdenken, ob Sie bei „Die Verräter“ mitmachen wollen?
Nein, ich habe mir die erste Staffel angeguckt, fand das ein sehr spannendes Experiment und die Leute, die mitgemacht haben, sehr respektabel. Ich wusste natürlich nicht, wer in der neuen Staffel mitspielt, aber ich hatte mir zusichern lassen, dass da kein Trash dabei ist. Ich muss allerdings dazu sagen: Ich kenne alle Trash-Sendungen.
Tatsächlich?
Alle. Da hilft nichts. Das gucke ich alles mit großer Begeisterung an - mit dem Hintergedanken, dass ich nie in diese Rolle schlüpfen möchte. Never, ever.
Was fasziniert Sie so an Trash-TV?
Die Menschen. Der Untertitel von „Promis unter Palmen“ ist: „Für Geld tue ich alles“. Das ist eben so. Und das sind Menschen, die leben davon, dass sie solche Sendungen machen. Wie weit Menschen gehen, um Sendezeit zu bekommen, das finde ich ein spannendes psychologisches Experiment. Und es zeigt mir ganz viel über den Zustand unserer Gesellschaft.
Wie blicken Sie denn auf den Zustand der Gesellschaft?
Ich mache mir da große Sorgen, und zwar nicht nur um Deutschland, sondern insgesamt. Die Schere zwischen Arm und Reich wird immer größer. Wohnungen sind nicht mehr zu bezahlen. Das ist nicht nur die Schuld der Wohnungsindustrie, sondern auch der Staat tut das Seine dazu. Herr Habeck hat mit seinen Heizungsgesetzen die Preise dermaßen in die Höhe getrieben. Da finde ich, hat gerade die Politik schon in den letzten Jahren viel verloren.
Inwiefern?
Die Politiker leben in einer Blase für sich selbst. Sie haben die Werte teilweise aus den Augen verloren. Und die Menschen merken das. Wenn die AfD heute so groß ist, dann hat das ja Gründe. Wir leben in einem demokratischen Land, wir wählen demokratisch. Das kann uns passen oder auch nicht. Wenn es uns nicht passt, ist aber mit Verboten nicht viel getan. Dann sollte man eher eine Politik machen, damit die keine Chance bekommt. Und wenn das nicht geschieht - und ich habe das Gefühl gehabt, die Menschen haben sich nicht mehr abgeholt gefühlt - dann muss man sich auch nicht wundern.
Als Sie „Tagesschau“-Moderator waren, haben Sie sich selbst einmal als Nachrichten-Junkie bezeichnet. Lesen Sie heute immer noch so viele?
Ja, ständig. Ich habe zum Beispiel auf meinem Handy Alerts der großen Tageszeitungen, die mich sofort benachrichtigen und ständig unterrichten. Das Erste, was ich morgens mache, ist mein Handy zu checken.
Die Nachrichtenwelt können Sie also auch im Ruhestand nicht hinter sich lassen?
Nein, will ich auch nicht. Gerade jetzt in diesen spannenden Zeiten, Stichwort Trump, Stichwort neue Koalition, das sind ja hoch spannende Geschichten.
Dass eine AfD so groß werden kann, erschüttert mich sehr tief.
Was macht das mit Ihnen persönlich?
Dass eine AfD so groß werden kann - ein Drittel der Menschen in diesem Land wählen sie -, erschüttert mich sehr tief. Ich nehme der Politik wirklich übel, dass sie es dazu hat, kommen lassen. Auch das, was jetzt in Amerika passiert: Du fragst dich natürlich, wie kann ein so großartiges Land es nicht schaffen, einen vernünftigen Menschen an die Spitze zu wählen? Warum müssen das Greise sein? Warum müssen das Leute sein, die offensichtlich eine andere Weltsicht haben? Ich verstehe es alles nicht mehr, kann es aber auch nicht ändern. Ich verzweifle eher daran, dass ich es nicht ändern kann.
War das auch während Ihrer Zeit bei der „Tagesschau“ so?
Ja, in meinen vielen Jahren in den Nachrichten, bin ich manchmal schon verzweifelt. Weil ich abends nach Hause gegangen bin und geglaubt habe, die Welt ist wirklich so schlecht, wie wir sie dargestellt haben. Aber dass wir nur die Essenz abgebildet haben aus einem breiten gesellschaftlichen Kontext, das muss man erst immer wieder begreifen.
Schaffen Sie es trotzdem noch einen gewissen Optimismus zu bewahren?
Deutschland ist schon ein wunderbares Land. Mit tollen Leuten. Wenn die Rahmenbedingungen stimmen, wenn man die Wissenschaft Wissenschaft machen lässt, wenn man die Wirtschaft Wirtschaft machen lässt. Wenn man die Menschen leben lässt, wie es ihnen gefällt. Und der Staat nicht in alles eingreift.
Sie selbst leben ja inzwischen auf Mallorca.
Ich habe einen neunjährigen Sohn. Der geht jeden Samstag segeln. Das Wetter ist eigentlich immer schön, der Himmel ist strahlend blau. Wir sprechen Spanisch. Ich habe da schon seit 40 Jahren gewohnt, aber immer nur als Ferientourist. Als wir uns dann vor fünf Jahren entschlossen haben, dauerhaft da hinzuziehen, habe ich gesagt, nur unter der Bedingung, wir integrieren uns in die spanische Gesellschaft. Und ich glaube, das ist uns gelungen.