Neil Young wird 75Zehn Songs, die das unberechenbare Genie erklären

Lesezeit 4 Minuten
Neil Young wird am 12. November 75 Jahre alt

Neil Young wird am 12. November 75 Jahre alt

1 Sugar Mountain (1964)

Neil Young schrieb das Lied an seinem 19. Geburtstag, noch in der kanadischen Heimat. Seine Kollegin Joni Mitchell erzählt, der titelgebende Zuckerberg sei ein von Young frequentierter Club für Minderjährige in Winnipeg gewesen, der konsequent niemand über 21 hereinließ. Bald schon, klagt der junge Folksänger in vorauseilender Sehnsucht, würde er aus dem Paradies seiner Jugend ausgesperrt werden.

2 Cinnamon Girl (1969)

Darüber, um wen es sich bei dem taggeträumten Zimtmädchen handelt, wurde ebenso viel und haltlos spekuliert, wie über die Identität des eitlen Gecks in Carly Simons „You’re So Vain“. Die wahre Romanze findet in der Musik statt. Nach dem überproduzierten Debüt findet Young hier die Liebe seines Lebens: die ungeschliffenen Garagenrocker Crazy Horse. „Drei Männer und ebenso viele Akkorde“, so Navid Kermani im „Buch der von Neil Young Getöteten“. Der Intro-Riff und die lärmende Coda sind alles, was Rock’n’Roll sein kann.

3 After the Gold Rush (1970)

Eine Ballade für Piano und Waldhorn, mit allzu simpler Umweltschutz-Botschaft: „Sieh nur, Mutter Natur auf der Flucht in den 1970ern.“ Doch je länger man hinhört, desto verrätselter wird sie: Ritter reiten in schimmernden Rüstungen durchs Bild, der Erzähler liegt in einem ausgebrannten Keller, eine apokalyptische Szenerie, plötzlich verwandeln sich die Rüstungen in silbern funkelnde Raumschiffe, die Auserwählte zu neuen Planeten bringen. Hoffnungslosigkeit und Zukunftsgläubigkeit der 70er in episch wirkenden 3:46 Minuten.

Alles zum Thema Musik

4 Old Man (1972)

In welchem Young einem alten Mann – er hat den Song für den Hausmeister seiner just erworbener Ranch geschrieben – beweisen will, dass sie vieles gemeinsam haben, und der Alte antwortet, dass ihm an des Jungen Bewunderung und Liebesnöten nichts liege – er hat das alles hinter sich und weiß, dass man am Ende allein bleibt.

Das könnte Sie auch interessieren:

5 Ambulance Blues (1974)

Ich wusste nicht, dass ein Mann so viele Lügen erzählen kann, ätzt Young über Richard Nixon am Ende dieser langen, düsteren Jeremiade, die allein von schlechter Laune zusammengehalten wird und den Abschluss seines vielleicht besten Albums, „On the Beach“ bildet. Nixon sollte nicht der letzte US-Präsident sein, der sich den Zorn des Sängers zuzieht. Aber auch den alten Hippie-Freunden erteilt Young eine Absage: „Ihr pinkelt nur im Wind.“

6 Albuquerque (1975)

Nachdem er mit „Heart of Gold“ zum Superstar geworden war, tat Young sein Möglichstes, Gelegenheitsfans wieder loszuwerden. Im tiefschwarzen Album „Tonight’s the Night“ – erst zwei Jahre nach Einspielung veröffentlicht – durchstreift Young die schäbigsten Seiten der Drogenszene, die ihn Freunde und Kollegen gekostet hat. Albuquerque bietet sich als möglicher Fluchtpunkt an: „Ich werde einen Ort finden, an dem sich niemand darum schert, wer ich bin.“

7 Powderfinger (1979)

Ein Lied wie ein Breitwand-Western oder eine Kurzgeschichte von Ambrose Bierce. Ein junger Mann muss seine Familie – sind sie Schwarzbrenner? – ganz allein gegen ein angreifendes Kanonenboot verteidigen. Es endet drastisch wie ein Showdown von Tarantino. Nur dass Youngs verzerrte Gitarre noch mehr Adrenalin freisetzt als dessen Bluträusche. Es ist dieser Song, der Young später den Ehrentitel „Godfather of Grunge“ eingebracht hat.

8 Transformer Man (1982)

Youngs Album „Trans“ galt lange als verunglücktes Experiment mit kühlen Kraftwerk-Sounds, die nur schwer mit seinem Folk-Rock zusammengehen. Zu Unrecht. Die elektronischen Stimmen repräsentieren, laut Young, Doktoren und Krankenschwestern, die ein behindertes Kind dazu bringen sollen, einen Knopf zu drücken. „Du leitest die Show“, singt Young durch den Vocoder, „du dirigierst die Action auf Knopfdruck.“ Wer der „Transformer Man“ ist, den er hier anfeuert? Sein an infantiler Zerebralparese leidender Sohn.

9 Rockin’ in the Free World (1989)

Eine bittere, aufrüttelnde Abrechnung mit seiner amerikanischen Wahlheimat unter George Bush senior, die seitdem, ähnlich Bruce Springsteens „Born in the U.S.A.“, immer mal wieder als dumpfer Hurra-Patriotismus missverstanden wird. Donald Trump putschte schon 2015 mit dem Stück seinen Hass-Mob auf, Young zog vor Gericht, eine Entscheidung steht noch aus.

10 Harvest Moon (1992)

Und dann kann er wieder so zart, so hingebungsvoll sein: Auf „Harvest Moon“, dem Album, spielt er noch einmal mit den Musikern seiner erfolgreichsten und eingängigsten Platte „Harvest“ (1972) zusammen. Das Titelstück ist eine federleichte Hymne an eine langlebige Liebe. Ein Song wie hingetupft.

KStA abonnieren