Nicht nur heile Welt

Nadine Krüger und Ingo Nommsen am Frühstückstisch
Copyright: ZDF und Frank Dicks
Eigentlich ist Ingo Nommsen ein Morgenmuffel. Seine Freunde haben das sogar in der Abizeitung verewigt. Weil er nie rechtzeitig aus dem Bett kam, brachte ihm seine Mutter zu Schulzeiten das Frühstück immer ans Bett. Sie hatte Angst, dass der Junge nichts isst. Mittlerweile ist der 48-Jährige allerdings Frühaufsteher. Um kurz vor 6 Uhr klingelt sein Wecker jeden Morgen. Zumindest wenn er arbeitet. Denn der gebürtige Franke moderiert das ZDF-Vormittagsmagazin „Volle Kanne“.
20. Geburtstag feiert die Sendung an diesem Freitag. Und Nommsen ist fast genauso lange dabei, seit Oktober 2000. „Wir haben jeden Tag eine neue Grundkonstellation aus Geschichten und Prominenten. Ich kann jeden Tag wieder etwas Neues entdecken. Für mich als Moderator ist das toll, täglich auf der ganzen Klaviatur spielen zu können“, beschreibt er im Gespräch mit dieser Zeitung die Gründe, warum ihn das Format immer noch reizt. Er könne ernsthafte ebenso wie lustige Themen behandeln. „Das ist jeden Tag eine schöne Achterbahnfahrt, die ich sehr genieße.“
Das Konzept der Sendung hat sich in all den Jahren kaum gewandelt. Die Moderatoren sitzen mit einem meist prominenten Gast am Frühstückstisch und unterhalten sich. Dazwischen gibt es Einspielfilme und Expertengespräche. Ob Back- und Kochrezepte, Gartentipps, Wohnen und Design oder Medizinthemen, die Palette ist breit. Und das alles in fast 90 Minuten Live-Sendung, die im ZDF-Landesstudio Düsseldorf produziert wird.
„Das Besondere bei uns am Morgen ist die Mischung aus Service, Aktualität und Unterhaltung“, sagt Redaktionsleiterin Elke Jonkmanns. „Wir versuchen abzubilden, worüber wir reden würden, wenn wir uns zum Frühstück treffen würden.“ Das Ziel sei es, die Leute jeden Morgen mit einem guten Gefühl in den Tag zu bringen. Dabei will sie einen häufig geäußerten Vorwurf, wenn es um Frühstücksfernsehen geht, nicht stehen lassen: „Seicht sind wir nicht. Wir haben natürlich auch seichte Themen, und die haben auch ihre Berechtigung. Die Leute sollen sich wohlfühlen und eher leichte Themen gehören auch zum Leben.“
Nadine Krüger ist seit 2009 Moderatorin der Sendung, während Nommsen drei Wochen im Monat übernimmt, ist sie eine Woche lang Gastgeberin. Die fast anderthalbstündige Show biete viel mehr als andere, kürzere Sendungen die Chance auf fundierte Berichterstattung, sagt die Berlinerin. „»Volle Kanne« war immer schon eine Sendung mit Herz und Hirn. Wir sind nicht an der Oberfläche, lassen Tiefe zu und das in einer Zeit, in der keiner mehr als ein paar Minuten hat, um miteinander zu reden. Wir leben in einer Schlagzeilen-Welt. Daher versuchen wir das Tempo und den Alltagsstress rauszunehmen, bringen Ruhe rein und haben dadurch die Chance, oft den Menschen hinter der Fassade zu zeigen.“ Natürlich zeige man häufig Menschen, die vom Schicksal begünstigt seien. „Aber wir verkaufen keine heile Welt. Das habe ich noch nie so empfunden.“
Auch Ingo Nommsen kann mit dem Vorwurf der immerwährenden guten Laune nichts anfangen. „Ich gestehe: Ich habe wirklich sehr gute Laune, wenn ich vor der Kamera stehe. Das ist mein Traumberuf. So viel Freude bei der Arbeit würde ich allen wünschen.“ Wer wolle denn eine Morgensendung sehen, in der alle schlecht gelaunt seien? Er starte gern mit einem positiven Grundgefühl in den Tag. „Und unsere Themen sind ja nicht nur Friede, Freude, Eierkuchen. Im Gegenteil: Die Schattenseiten des Lebens und ernste Geschichten haben bei uns einen wichtigen Platz. Wenn die Herangehensweise gerade hier von einer entspannten positiven Grundstimmung geprägt ist, kann das nur gut tun.“
Rund 60 Prozent der Zuschauer des Formats sind weiblich. Viele Senioren gehören zum Stammpublikum, aber auch Jüngere – Studenten, Menschen in Elternzeit oder Selbstständige – schalteten ein, sagt Redaktionsleiterin Jonkmanns. Mit diesen steht die Redaktion auch per Social Media in Kontakt. Das soll künftig noch ausgebaut werden, neben einer Seite bei Facebook soll die Sendung künftig auch bei Instagram zu finden sein.
Das Herzstück der Sendung, da sind sich alle einig, ist der Talk bei Kaffee und Brötchen. „Es ist wichtig, dass wir am Frühstückstisch sitzen. Heute mehr denn je. Ich habe ein schulpflichtiges Kind und die gemeinsame Zeit am Morgen ist der Moment, wo man Zeit hat, miteinander ins Gespräch zu kommen.“ Das passiere in vielen Haushalten gar nicht mehr. Man merke vielen Menschen an, dass sie gestresst in den Tag starteten. „Das wollen wir nicht. Die Geselligkeit ist ein wichtiges Element. Man hat Zeit, sich auf den anderen einzulassen. Der Frühstückstisch ist wie ein Mediator, beruhigt die Aufregung, schafft eine gute Atmosphäre.“
DIE SENDUNG
Seit 2000 moderiert Ingo Nommsen „Volle Kanne - Service täglich“, Nadine Krüger ist seit 2009 als Moderatorin im Einsatz. Die Live-Sendung wird täglich im ZDF-Landesstudio NRW in Düsseldorf produziert. Seit dem Start 1999 hat sich die Sendezeit im Jahr 2000 von 45 auf 55 Minuten und seit 3. November 2003 auf 85 Minuten verlängert. Am Freitag gibt es ab 9.05 Uhr eine große Jubiläumsausgabe. (amb)
Ingo Nommsen
Nadine Krüger